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Sonntag, 21. Januar 2007, 1:00 Uhr

1,6 Mio. Minus in Winsen!

Gartenschau-Verluste überall: Bund der Steuerzahler warnt

Info Archiv Norderstedt | In Hannover regt sich breiter Widerstand, in Osnabrück hat man die ursprünglich geplante Bundesgartenschau bereits aus Kostengründen abgesagt: Der freilich knausrige Bund der Steuerzahler im Raum Niedersachsen/Bremen rät in einer Erklärung deshalb nicht nur der Niedersächsischen Landeshauptstadt, "die Finger von einer Gartenbauaustellung zu lassen." Erst 2004 habe die Stadt Wolfsburg seine Landesgartenschau mit einem Defizit von 700.000 Euro abgeschlossen - bei einem Investitionsvolumen von 18 Mio. Euro und einem Betriebshaushalt von 8,6 Millionen. Das Baden-würtembergische Ostfildern (bei Stuttgart) musste 2002 sogar 3,5 Millionen Euro Verlust seiner LGS "nachfinanzieren" und selbst die in Hamburg vielumworbene Schau in Winsen an der Luhe bescherte der betroffenen Kommune 2006 ein Minus von 1,6 Millionen Euro, obwohl die erhoffte Besucherzahl nur knapp verfehlt wurde. Die Schau in Winsen hatte ein Investitionsvolumen von nur 7 Millionen Euro und einen Betriebshaushalt von gerade mal 5,4 Millionen. Erst in den vergangenen Tagen wurde hier das (vorläufig) ganze Ausmaß des Schadens deutlich. Nachdem man zuvor bereits die Geschäftsführerin der Landesgartenschau GmbH entlassen hatte will man sie jetzt für bis zu 600.000 Euro in Haftung nehmen, das Honorar des Controllers wird wohl kräftig zusammengekürzt.
Schlimmer schneiden nur noch die Bundesgartenschauen ab. So konnte München im Jahre 2005 statt geplanter 3,7 nur 2,9 Millionen Gäste begrüßen (8,8 Millionen Euro Defizit). Noch schlimmer hatte es 2003 die Hansestadt Rostock getroffen, hier verzeichnete die Stadt einen Betriebsverlust von 20 Millionen Euro.
Trotz der katastrophalen Zahlen gaben sich die KommunalpolitikerInnen vierlerorts "zufrieden", so auch in Winsen an der Luhe - zumindest vor Bekanntwerden der neuen Zahlen. Begründung: Neben dem eigentlichen Verlust habe die Region in Zeiten der Landesgartenschau ein zusätzliches Steueraufkommen in Höhe von 1,4 Millionen Euro festgestellt. Auch in Schleswig, Ort der ersten Landesgartenschau Schleswig-Holsteins im Jahre 2008, herrscht zur Zeit überwiegend Zuversicht. Doch während der Geschäftsführer der gemeinnützigen Landesgartenschau GmbH dort bedeutungsschwangere Vorträge über die - so wird gespottet - "blühenden Landschaften" hält, protestiert die SPD nach wie vor heftig gegen das Vorhaben: "Die Schulden der Stadt haben einen Namen", schimpft etwa SPD-Stadtvertreter Karsten Reimer, "und die heißt Landesgartenschau." Die tageszeitung (taz) merkte jüngst ironisch an: "Das g steht für gemeinnützig - die Gesellschaft darf keinen Gewinn machen. Die gute Nachricht lautet: Das schafft sie bestimmt."
Vor diesem Hintergrund schlittert auch Norderstedt in eine mehr als ungewisse Zukunft. Im September vergangenen Jahres wurden die Entwürfe der Berliner Landschaftsarchitektin Gabriele Kiefer und des Hamburger Architekten Carsten Roth aus rund 20 Vorlagen ausgewählt und werden nun die konkrete Ausgestaltung der Landesgartenschau 2011 in Norderstedt bestimmen. Dabei steht nach Informationen des Info Archivs der Event-Charakter im Vordergrund. Außerdem steht bereits fest, dass es mit dem traditionellen Badespaß an der "Costa Kiesa" ab 2011 vorbei ist. Zumindest kostenfrei wird es dann nicht mehr gehen, denn im Rahmen der Schau übernehmen die Stadtwerke das Regiment über den umgestalteten See und verlangen künftig Eintritt - wohl auch nach 2011.
Übrigens: Norderstedt will insgesamt 12,5 Millionen Euro investieren und ca. 7 Millionen Euro während der Landesgartenschau ausgeben. Wie in den übrigen Austragungsorten wird die konkrete Durchführung der Schau von einer Landesgartenschau GmbH getragen und - so der Plan - zu 100% durch Eintrittsgelder, Mieteinnahmen, Lizenzgebühren, Werbeeinnahmen und Sponsorengelder refinanziert. 800.000 BesucherInnen will Norderstedt in die Schau locken - in Winsen waren es nicht einmal 600.000. Zwar pokern Bürgermeister Grote und die BefürworterInnen der Gartenschau mit der Nähe zur Großstadt Hamburg, aber auch nach Winsen beträgt die Fahrzeit vom Hauptbahnhof aus nur rund eine halbe Stunde.