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Donnerstag, 4. September 2003, 2:00 Uhr

4094 Arbeitslose in Norderstedt

Arbeitsamts-Partner verhöhnt Beschäftigte: "Von diesen Mitarbeitern hätten sie sich vor Jahren trennen sollen !"

Olaf Harning | Holger Jung (58), neuer Leiter des Norderstedter Arbeitsamtes ist Optimist. In einem Interview mit der "Norderstedter Zeitung" verpricht er, dass "wir für jeden Jugendlichen in Norderstedt ein Angebot machen können". Ansonsten freut sich Jung, dass "wir nach wie vor die niedrigste Arbeitslosenquote im Bezirk des Arbeitsamtes Elmshorn haben" und arbeitet fröhlich mit der Firma "Mikro-Partner" zusammen, dem Arbeitsamtspartner in Sachen Billig- und Dumpinglöhne gemäß Hartz-Konzept.

"Wir bewegen Menschen", verkündet das Unternehmen auf seiner Internet-Startseite (www.mikropartner.de) und hat damit vermutlich mehr als recht. Denn wer sich bei Mikropartner nicht in Richtung Sklavenlöhne bewegt, dem versagt das Arbeitsamt notfalls auch jede Hilfe. Viel war geschrieben und gelogen worden, als es vor wenigen Monaten galt, das sogenannte "Hartz-Konzept" durchzusetzen. Vor allem wurde immer wieder propagiert, die Gewerkschaften hätten mit Durchsetzung eines "PSA-Tarifes" (Tariflöhne für sogenannte Personal-Service-Agenturen - Leiharbeitspartner der Arbeitsämter) einen Durchbruch in der Regulierung der Leiharbeit erzielt. Davon ist bei Mikro-Partner allerdings nicht viel zu spüren. Haben sich die Arbeitslosen unter dem Druck des drohenden Leistungsentzuges erst einmal dazu entschlossen, sich von diesem PSA-Unternehmen einstellen zu lassen, heißt es: Sparen, sparen, sparen. Ganze 6,30 Euro erhalten die Erwerbslosen, wenn Mikropartner keinen Betrieb findet, an den man die Betroffenen billig verhökern kann. Bei erfolgreicher Vermittlung sind´s immerhin nur noch einige wenige Euros stündlich, die die Unglücklichen von den gültigen Tarifen trennt. Mikropartner läßt es dabei keineswegs an dazugehöriger Menschenverachtung fehlen. Unter der Rubrik "Human Resource Management" wird man mehr als deutlich: "Oft gibt es in Unternehmen nur einen wirklich neuralgischen Erfolgsfaktor: Die Führung !" wird da etwa verlautbart, und: - "20 % der Belegschaft sind motiviert. Hegen und pflegen Sie diese Mitarbeiter. Sie sind ihre Leistungsträger und Multiplikatoren. - 60 % der Mitarbeiter haben Potential. Diese Gruppe muss von ihnen gewonnen werden. Diese Menschen wollen überzeugt und begeistert werden ! - 20 % der Mitarbeiter sind ihre "schwierigen Fälle". Von diesen Mitarbeitern hätten sie sich vor Jahren trennen sollen. Verschwenden sie hier nicht ihre knappen Resourcen und Energien ! Daraus ergeben sich die Aufgaben für ein an den Unternehmenszielen orientiertes Management der Human Resources (HM)." Doch vom sozialdarwinistischen Gewäsch der neuen Partner des Norderstedter Arbeitsamtes abgesehen, haben die massiven Verschärfungen, Kürzungen und Zwangsmaßnahmen gegen Arbeitslose, die die Hartz-Gesetze I bis IV mit sich brachten, bislang erwartungsgemäß keinerlei Wirkung gezeitigt - auch nicht in der Region. Tatsächlich sind alleine in Norderstedt weiter mehr als 4.000 Menschen ohne Arbeit (offizielle Zahlen), was einer Arbeitslosenquote von 7,2 % entspricht. Im August 2002 - dem Monat des Beginns der Hartz-Debatte - lag dieser Wert noch bei 6,1 %. In Kaltenkirchen und Umgebung liegt die Arbeitslosenquote mit 8,2 % noch deutlich höher, hier sind 4.337 Menschen ohne Arbeit, im gesamten Kreis Segeberg liegen die Werte bei 10.746 und 8,0 %. Dennoch verspricht Holger Jung, jedem Jugendlichen in Norderstedt ein "Angebot" machen zu können. Bei derzeit 71 Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz und 19 angebotenen Stellen will er das mit sogenannten "Grundausbildungslehrgängen" bewerkstelligen, einer Art Verschiebebahnhöfe für erwerbslose Jugendliche. Die schönen allerdings hauptsächlich die Zahlen des Arbeitsamtes und bringen den Jugendlichen in aller Regel wenig mehr als sinnlosen Zeitvertreib. Womöglich aber weiß "Mikro-Partner" auch in dieser Hinsicht Antworten auf die Probleme zu geben: "Fallmanagementorientiertes Coaching ist bei uns nachweislich seit Jahren gelebte Realität und verschafft uns bei den Teilnehmern eine hohe Akzeptanz." Na Gott sei Dank ! Den Jugendlichen kann geholfen werden.