+ + + ARCHIVIERTER INHALT + + +

Diese Seite kommt aus unserem Archiv und enthält möglicherweise Informationen, die nicht mehr aktuell sind. Bitte beachten Sie das Veröffentlichungsdatum dieser Seite.

Donnerstag, 7. November 2013, 11:00 Uhr

Autofahrer feiern den "Knoten Ochsenzoll"

15 Millionen Euro - aber kein Geld für Radwege?

Gesperrte Tunneleinfahrt während der Bauphase am Knoten Ochsenzoll.

Durchfahrt verboten: Was für Autofahrer nur während der Bauphase galt, ist für Radler Dauerzustand. Eine zumutbare Radverkehrsführung gibt es am Knoten Ochsenzoll nicht (Foto: Infoarchiv)

Olaf Harning | Sie ist geschichtsträchtig und gilt als eine der meistbefahrenen Kreuzungen Schleswig-Holsteins: Seit fast 40 Jahren wird über den Ausbau des „Knoten Ochsenzoll“ diskutiert, seit gut vier Jahren daran gebaut. Am Samstag nun wurden Kreisel und Tunnel von Norderstedts Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote (CDU) mit einem Festprogramm eröffnet. Nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern war dabei wenig feierlich zumute.

Der Knoten Ochsenzoll

  • um 1550: Errichtung einer Zollstelle auf der Garstedter Seite der Harckesheyde, in unmittelbarer Nähe zum heutigen Verkehrsknoten. Tausende Ochsen werden hier jährlich Richtung Elbquerung getrieben, der Name „Ochsenzoll“ ist geboren.
  • 1640: Die Zollstelle fällt in die Hand des dänischen Königs
  • 1777: Einrichtung einer Postkutschenlinie auf dem „königlich-dänischen Weg“, der heutigen Ulzburger Straße
  • 1840: Am Ende der Langenhorner Chaussee, auf der Grenze zwischen Hamburg und Holstein, wird eine neue königliche Zollstation eingerichtet; Der Weg aus Richtung Glashütte wird zur Segeberger Chausee ausgebaut und erhält ein Wegegeldhäuschen.
  • 1854: Befestigung der heutigen Ulzburger Straße
  • 1921: Bau der U-Bahn bis Ochsenzoll
  • 1957: Bau der Schleswig-Holstein-Straße, am Ochsenzoll entsteht der heute bekannte Verkehrsknoten
  • 1970: Gründung der Stadt Norderstedt, der zunehmende Verkehr wird am Ochsenzoll zum Problem
  • 1980er Jahre: Auf Anregung der CDU wird die Verlegung der B432 diskutiert.
  • 2009: Baubeginn am „Knoten Ochsenzoll“
  • 2013: Fertigstellung von Tunnel und Kreisel

Gut 500 Menschen waren zur Baustelle und zum Fest am nahen Schmuggelstieg gepilgert, ließen „ihre“ Kreuzung bei Bratwurst und Bier hochleben. Eine Kreuzung freilich, die inzwischen gar keine mehr ist: „Unterführungsbauwerk mit darüber liegendem Kreisverkehrsplatz“ heißt der Knoten im Fachjargon. Während der Nord-Süd-Verkehr hier in einem 300 Meter langen Trog unter der B 432 hindurchgeführt wird, erstreckt sich darüber ein imposanter, zweispuriger Kreisel mit 50 Metern Durchmesser. Bereits seit Januar 2009 wird am Ochsenzoll unter normalem Verkehrsdruck gebuddelt, legt das beauftragte Tiefbauunternehmen täglich neue Bypässe für die rund 35.000 Fahrzeuge, die den Knoten an einem durchschnittlichen Werktag passieren. Erhebliche Staus und gestresste Autofahrer waren die Folge, auch wenn der befürchtete Kollaps weitgehend ausblieb.

Während Planer und Bauunternehmen den vereinbarten Kostenrahmen von 15 Millionen Euro einhielten, sorgte die weit überzogene Bauzeit immer wieder für Ärger, brachte dem Projekt am Ende sogar den Titel „Elbphilharmonie von Ochsenzoll“ ein. Noch beim ersten Spatenstich hatte Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote versprochen, der Knoten werde bis zur Landesgartenschau in Norderstedt fertig. Die allerdings fand im Jahre 2011 statt, seitdem verstrichen vier weitere Eröffnungstermine ergebnislos. Nicht Planungsfehler sollen Schuld daran sein, sondern zwei strenge Winter, verquere Alt-Leitungen und zahlreiche Überraschungsfunde. Der zuständige Baustadtrat Thomas Bosse jedenfalls wurde gerade erst für sechs Jahre wiedergewählt.

Die nördliche Tunneleinfahrt während der Bauphase.

Die nördliche Tunneleinfahrt während der Bauphase (Foto: Infoarchiv)

Grund für den Um- und Ausbau des Knotens ist die enorme Verkehrsbelastung am Ochsenzoll, die sich in den nächsten Jahren noch einmal steigern soll. Zwar hat man von dem einst prognostizierten Zuwachs um zehn Prozent inzwischen Abstand genommen, dennoch treffen hier sowohl die Verkehrsströme aus Bad Segeberg, Hamburg und Henstedt-Ulzburg aufeinander, als auch der Durchgangsverkehr zu und von der A 7. Schon vor 40 Jahren führte das zur Überlastung der immer wieder an- und ausgeflickten Kreuzung. Erich Lüth in der 1970 veröffentlichten Broschüre „Norderstedt, die neue Stadt“: „Die vier Gemeinden Friedrichsgabe, Garstedt, Glashütte und Harksheide haben in die Stadtgründung einige Sorgenkinder eingebracht. Eine der größten Sorgen betrifft den Verkehr.“ Und einige Zeilen weiter: „Hier am Ochsenzoll laufen zu einer mißgeformten großen Gabelung Segeberger Chaussee, Schleswig-Holstein-Straße, Ohechaussee und Langenhorner Chaussee zusammen.“ Seitdem wird der Ausbau der Ochsenzoll-Kreuzung geplant, die als Verkehrsknoten ebenso lange bekannt ist, wie Norderstedts Ursprungsgemeinden selbst.

Treppe und Beton, Blick in den Fußgängertunnel.

Der "Radweg" in Nord-Süd-Richtung. Radler haben hier die Wahl zwischen Treppe und Fahrstuhl - Letzterer zu klein für Räder mit Kinderanhänger (Foto: Infoarchiv)

Mit der Freigabe für den Verkehr, die tatsächlich schon eine Woche vor den Feierlichkeiten erfolgte, können Autofahrer das Nadelöhr nun sehr viel bequemer passieren - erst recht, wenn sie sich an den zweispurigen Kreisel gewöhnt haben. Das Gegenteil gilt allerdings für Radfahrer, an deren Existenz sich die Zunft der Verkehrsplaner auch nach Jahrzehnten noch nicht gewöhnt zu haben scheint. Norderstedts ADFC-Sprecher Rolf Jungbluth jedenfalls äußerte sich nach einer ersten Besichtigung des fertiggestellten Kreisels „schockiert“. Radwege, die an mehreren Stellen nicht einmal handelsüblichen Kinderanhängern Platz bieten, keine Trennung von Rad- und Fußverkehr an den Übergängen, erst gar keine Querungsmöglichkeiten in Nord-Süd-Richtung. Radler, die sich dem Knoten aus Richtung Hamburg nähern und links abbiegen wollen, werden erst 150 Meter in die Gegenrichtung, dann über eine Ampel und wieder zurück zum Kreisel geleitet. Aus Richtung Norden endet die Fahrt vor einer Betonwand im Fußgängertunnel – rechts eine Treppe, links ein Fahrstuhl. „Verkehrsplanung aus der Mitte des letzten Jahrhunderts“, nennt das Jungbluth und auch der Hamburger Radverkehrsexperte Stefan Warda meint: „300 Meter Umweg und eine Ampel – das ist keine Radverkehrsführung“. Er empfiehlt den Radfahrern, vor dem Knoten auf die Fahrbahn zu wechseln, den Kreisel zu durchfahren und erst anschließend wieder den Radweg zu nutzen. Wenig Verständnis für den Ärger hat hingegen Mario Kröska, Fachbereichsleiter Verkehrsflächen und Entwässerung im Norderstedter Rathaus. „Seit 1970 ist kontinuierlich diskutiert worden, wie wir es denn machen wollen, über Jahre hätte man die Pläne anschauen und Einfluss nehmen können, jetzt ist der Knoten fertig.“ Fragen zur Radverkehrsführung will er daher nicht mehr beantworten, nur so viel sagen: „Die Fahrradfahrer können da fahren, das ist alles wunderbar.“ Findet übrigens auch Norderstedts SPD: „Nach über 40jähriger Diskussion“, so Fraktionschef Jürgen Lange, „wurde diese Kreuzung endlich verkehrsgerecht ausgebaut“. Die Sozialdemokraten erinnern allerdings daran, dass die CDU die B432 einst verlegen und quer durchs Stadtgebiet führen wollte.