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Sonntag, 25. Juni 2006, 2:00 Uhr

Der Bock als Gärtner

Muskelmänner als Billig-Polizei

Von Olaf Harning | Bis zu zwölf "Revierwagen" sollen laut Firmenboss Thomas PützUdo Nagel verlauten ließ. Auch für Fahndungen will man die privaten Sicherheitsleute einsetzen, die sollen "Auge und Ohr der Polizei" sein.
Die regionalen Verträge gehen auf eine Vereinbarung zurück, den im Januar Landespolizeidirektor Wolfgang Pistol (!) und Björn Wackerhagen, Vorsitzender der "Landesgruppe Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen", unterzeichneten. Schleswig-Holstein folgt damit den Bundesländern Hamburg, Sachsen und ausgerechnet den rot-rot regierten Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, die solche Vereinbarungen bereits länger kennen. Noch bis vor kurzem war die Übertragung von Polizeiaufgaben an private Dienste unmöglich, das Gewaltmonopol des Staates sollte, auch als Lehre aus den militanten Nazi-Organisationen der Weimarer Republik, nie wieder aus der Hand gegeben werden. Seit aber das Geschäft mit der "Sicherheit" zweistellige Wachstumsraten aufweist und die Polizei durch Personalmangel und die Konzentration auf völlig überzogene Einsätze bei Demonstrationen und Großveranstaltungen nicht mehr alle Aufgaben wahrnehmen kann, werden die gesetzlichen Barrieren schrittweise unterlaufen und ausgedünnt. Eine Methode dabei: Die sogenannten "PPPs" - "Public Private Partnerships", bei denen beispielsweise die Stadt Hamburg hoheitliche Aufgaben quasi in eigener Regie hält, aber ihre Durchführung auslagert. Auf diese Weise wird derzeit sogar die Privatisierung von Gefängnissen (!) ernsthaft diskutiert.
An der Universität Hamburg hat sich seit 1999 zu solchen Zwecken die Forschungsstelle Sicherheitsgewerbe (FORSI) eingenistet, die unter einem wissenschaftlichen Deckmäntelchen ausschließlich daran arbeitet, die bestehenden Schranken für private Sicherheit einzureißen. Partner und Geldgeber in diesem Kampf: Sicherheitsunternehmen wie die Securitas, die netter Weise gleich die ersten drei Jahre der Forschungsstelle finanziert hat. Die wissenschaftliche Tiefe des Institutes lässt sich dabei nur schaudernd erahnen: Fast zwangsläufig muss man an den alten Witz von Otto Waalkes denken. Es hat sich herausgestellt, dass Rauchen doch nicht gesundheitsschädlich ist - gezeichnet Dr. Marlboro.
Zwar sind Pütz-Security wie Polizei Segeberg bemüht, zu betonen, dass das staatliche Gewaltmonopol nicht angetastet werde. So recht glauben tut dies indes niemand, überall im Lande, wo private Sicherheitsdienste tätig wurden, war es mit der "Sicherheit" nicht mehr weit her, musste man auf Klagen und vor allem Prügelopfer nicht lange warten. Auch Pütz-Security wurde bereits mehrfach vorgeworfen, Unschuldige verprügelt zu haben (Color-Line-Arena) oder auch an rassistischen Übergriffen beteiligt gewesen zu sein (Flüchtlings-Wohnschiff Bibby-Altona). Das, obwohl der Kaltenkirchener Familienbetrieb unbestreitbar zu den seriösesten seiner Branche gehört und die höchste Zertifizierung für seine Aufgaben aufweisen kann.
Vielleicht kein Wunder: Die Security-Männer werden entweder gar nicht oder verdammt schlecht ausgebildet und vor allem "unterirdisch" bezahlt. Da nützt es auch wenig, dass Pütz für seinen Polizei-Vertrag Tariftreue nachweisen musste, wie man in der Polizeidirektion Segeberg betont. Die Tariflöhne für Sicherheitsleute liegen derzeit deutlich unter 10 Euro pro Stunde, laut Dienstleistungsgewerkschaft ver.di arbeiten die Betroffenen aber oft auch für sechs, sieben Euro. Für noch etwas weniger Lohn bewachen seit einigen Monaten auch Mitarbeiter einer ostdeutschen Sicherheitsfirma das Hamburger Polizeipräsidium (!). Gleich am ersten Tag der dortigen Privatisierung von Sicherheit klagte die Gewerkschaft der Polizei, dass überwiegend kahlgeschorene und aggressive junge Männer ihren Dienst antraten. Nazi-Skins als Polizei-Ersatz? Da freut sich die NPD.
Die Mitarbeiter von Pütz-Security werden künftig durch einen Aufkleber darauf aufmerksam machen, dass sie "Partner der Landespolizei Schleswig-Holstein" sind. Und was passiert, wenn die Sicherheitsleute einmal über die Stränge schlagen? Schon bei der Polizei verhindert der sogenannte Korpsgeist, dass Übergriffe aufgeklärt werden, dass Fehlverhalten geahndet wird. Wenn Firma Pütz nun Gewalttaten gegen junge Sprayer oder ausländische Disko-Gänger angelastet werden, wie stringent wird dann die Segeberger Polizeidirektion gegen ihre "Partner" ermitteln? Sicherheit, die begeistert.