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Freitag, 4. Mai 2012, 15:46 Uhr

Die Kanzlerin war da

... Occupy auch

Gespielte Massenfestnahme der Occupy-AktivistInnen

Occupy-AktivistInnen vor einem Polizeibus: Gespielte Massenfestnahme (Foto: Occupy)

Infoarchiv Norderstedt | Die Kanzlerin kam, sah und sprach ... zu rund 2.000 NorderstedterInnen vor der Stadtpark-Bühne. Neben CDU-Mitgliedern und christdemokratischem Wählerklientel waren auch viele NorderstedterInnen gekommen, die "einfach mal die Kanzlerin sehen" wollten. Proteste von Occupy-AktivistInnen wurden hektisch unterbunden, die Grünen machten mit einem Transparent auf sich aufmerksam.

Schon Stunden vor der Ankunft Angela Merkels wimmelte es in Harksheide vor Polizei und zivilen Sicherheitsleuten, auch auf dem TuRa-Sportplatz am Exerzierplatz streunten Einsatzkräfte umher und besahen sich auffällige Fahrräder. Der Grund für die Präsenz ausgerechnet hier: Kurz nach 18 Uhr landete die Kanzlerin mit einem Hubschrauber der Luftwaffe im Stadion derörtlichen Kicker, schüttelte einigen verdutzten Jugendspielern die Hand und wurde dann weiter in den Stadtpark gefahren.

Dort hatten sich bei bestem Wetter bereits an die 2.000 ZuhörerInnen versammelt (die Union sprach sogar von knapp 3.000), um den CDU-Spitzenkandidaten zur Landtagswahl Jost de Jager, die örtliche Direktkandidatin der Union Katja Rathje-Hoffmann, vor allem aber die Kanzlerin zu sehen, mit der erstmals überhaupt eine Regierungschefin Norderstedt besucht. Nach einem - sagen wir mal: in jedem Sinne konservativen - Vorprogramm aus Goombay Dance Band und CDU-Kreisgeschäftsführer Uwe Voss kam die Regierungschefin dann auch unter musikalischem Getöse auf die Bühne und spulte routiniert ihr Programm ab.

Unterbrochen wurde Angela Merkel jedoch von etwa zwei Dutzend AktivistInnen der Occupy-Bewegung, die sich zwischen die ZuhörerInnen gemischt hatten und schließlich mit Guy Fawkes-Masken und Megaphonen auf sich aufmerksam machten. Die ProtestlerInnen warfen der Bundeskanzlerin unter anderem vor, nichts gegen Ausbeutung und Finanzspekulation zu tun, eine "Marionette der Wirtschaft" zu sein und eine "Politik der Ausgrenzung" zu betreiben.

 

Der von den Occupy-AktivistInnen verlesene Text im Ganzen:

  • Operation Garten Eden! Frau Merkel, Die Occupy Bewegung begrüßt sie! Wir empören uns über Ihre profitable und ausbeuterische Politik. Wir wehren uns gegen die Enteigung des Volkes durch Bankenrettung und Fiskalpakt. Ihre neokolonialistische und militaristische unsoziale Marktwirtschaft kotzt uns an.
  • Lebensmittelspekulationen und Treibstoffgewinnung durch Nahrung sind Mord. Wir fordern ein nachhaltiges und ethisches Wirtschaften. Wir fordern ein Einhalten der Menschenrechte auch in Deutschland Sie sind eine Marionette der Wirtschaft und nicht eine Dienerin des Volkes.
  • Wir wollen keine weitere Überwachung, sondern eine transparente Politik. Multikulti sei grandios gescheitert, behaupten Sie Wir sagen: Die Kultur der Ausgrenzung scheitert jeden Tag! Frau Merkel, schaffen Sie nicht die Demokratie ab, schaffen Sie Ihre Regierung ab und verzichten Sie auf Ihre Rente.
Occupy-AktivistInnen und Polizeibeamte vor dem Stadtpark-Zaun

Occupy-AktivistInnen und Polizeibeamte vor dem Stadtpark-Zaun (Foto: Occupy)

Den größten Teil ihres Textes mussten die Occupy-Mitglieder jedoch am Rande der Bühne, bzw. in einiger Entfernung verlesen, da sie nach einer "Schreck-Minute" von CDU-Mitgliedern und Polizeibeamten abgedrängt wurden. Obwohl die gesamte Aktion friedlich ablief, reagierten zwei Beamte über und brachten einen Demonstranten recht unsanft zu Boden. Interessant dabei: Die ProtestlerInnen wurden am Ende des Stadtparks verwiesen, weil der Eigentümer von seinem "Hausrecht" Gebrauch machte - also die Stadtpark Norderstedt GmbH. Ein erster Vorgeschmack darauf, was die Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes für demokratische Prozesse bedeutet. Auch vor dem Gelände diskutierte "Occupy Norderstedt" noch lange mit BesucherInnen der Wahlkampfveranstaltung und erhielten am Ende auch von etlichen CDU-Mitgliedern Verständnis für ihre Aktion.

Katrin Schmieder und MitstreiterInnen mit Transparent

Katrin Schmieder (links oben) mit Transparent (Foto: Grüne)

Neben der Kritik von "ganz links" machten vor der Stadtpark-Bühne auch Mitglieder der Grünen um Direktkandidatin Katrin Schmieder auf sich aufmerksam: Während der Rede Merkels entfalteten sie ein Transparent mit der Aufschrift "Milliarden aus dem Fenster werfen? Kita-Plätze statt Betreuungsgeld" und protestierten auf diese Weise gegen die "Herd-Prämie" der rechtskonservativen Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU). Schmieder & Co bekamen es dabei zwar nicht mit der Staatsgewalt zu tun, immerhin aber mit Mitgliedern der Jungen Union, die das Transparent mit Plakaten für Katja Rathje-Hoffmann zu überdecken suchten.

4 Kommentare zu diesem Artikel

08.05.2012, 9:27 Uhr t.luftwaffe / privatisierung

touché :)

deshalb lese ich so gerne hier. weil hier noch zusammenhänge erkannt werden und sich dann die zeit genommen wird, diese bei bedarf in den kommentaren darzulegen. weiter so!

07.05.2012, 17:14 Uhr Markus BertramFrau Merkel im Stadpark Norderstedt

Ich habe mir diese Veranstaltung mal angetan. Was will man mit so etwas eigentlich außer wachsender Politikverdrossenheit bewirkt werden? Die dämliche Goombay Danceband, das ganze Rahmenprogramm so schlecht wie in einem US Wahlkampf. Nur Floskeln, dämliche Geschwätz und Phrasendrescherei... Hätte ich gut und gern drauf verzichten können. Die Dame die dann aufgetreten ist sah ganz anders aus als die Dame auf den Postern und Handzetteln. Fotoshop macht´s möglich. Auch in der Hinsicht werden wir Bürger also verarscht.

Wir Bürger haben mit unseren Steuergeldern das Abenteuer Landesgartenschau und nun den Stadtpark mit seinen ganzen unabsehbaren Folgekosten finanziert. Die Stadtwerke, also wir Kunden der Stadtwerke, müssen das bezahlen. Ob wir wollen oder nicht.

07.05.2012, 14:35 Uhr Infoarchiv NorderstedtLuftwaffe und Kommerzialisierung

Eines zur Beruhigung vorweg: Die Luftwaffe ist von uns NICHT kursiv gesetzt, weil ihre Nutzung durch die Kanzlerin in irgendeiner Form anstößig wäre. Wir - die Redakteure des Infoarchivs - gehen mit kursiver oder auch fetter Schrift sehr unterschiedlich um, in diesem Fall wurde lediglich der Name einer Institution kursiv hervorgehoben - eben der Luftwaffe.

Nun zur Kommerzialisierung: Die Bewirtschaftung des Norderstedter Stadtparks ist seit Eröffnung der Landesgartenschau einer Gesellschaft, konkret der Stadtpark Norderstedt GmbH, übertragen. Dabei ist es erstmal gleichgültig, ob diese Gesellschaft privatwirtschaftlich oder öffentlich verfasst ist, das Gelände wurde mit diesem Schritt einem Verwertungsinteresse unterworfen, das bei anderen Parks der Stadt nicht existiert. Der Stadtpark - so absurd das bei Nicht-Betriebswirten auch anmutet - soll Einnahmen erzielen.

Richtig ist, dass das Gelände nach herrschender Rechtsprechung wohl weiterhin als öffentlicher Raum zu betrachten ist, dass hier also auch weiter das Grundrecht auf Meinungs- und auch Versammlungsfreiheit existieren dürfte - freilich in den Grenzen der umstrittenen Öffnungszeiten des Parks. Soweit wir die Ereignisse um den Kanzlerinnen-Besuch kennen, ist genau das aber von der Eigentümerin (der GmbH) und der Polizei ignoriert worden, vermutlich weil der Stadtpark in der öffentlichen Wahrnehmung selbstverständlich "privatisiert", bzw. kommerzialisiert worden ist.

Ein gutes Beispiel für die Wirkung solcher "Entwidmungen", also der förmlichen Privatisierung öffentlicher Flächen, ist auch der Norderstedter Rathausmarkt: Obwohl unstreitig öffentlicher Raum und sogar mit Schildern ausgestattet auf denen "Kunst im öffentlichen Raum" zu lesen ist, bemühte sich die Stadtverwaltung bereits mehrfach, Gebühren für politischen Kundgebungen auf dem Platz einzufordern. Natürlich ohne Erfolg und vermutlich auch ohne böse Absicht, aber die faktische Wirkung der Privatisierung - Grundrechte samt Rechtsprechung hin oder her - ist dadurch klar erkennbar.

06.05.2012, 20:01 Uhr AnonymousStichwort Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes

Soweit ich informiert bin ist die Stadtpark Norderstedt GmbH eine Gesellschaft der Stadt Norderstedt, also in (zumindest mehrheitlich) öffentlicher Hand. Wie das Bundesverfassungsgericht im Fall des Frankfurter Flughafens klargestellt hat, gilt auch hier das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Es ist also irreführend, wenn sie andeuten der öffentliche Raum sei "kommerzialisiert" (=privatisiert? eben nicht). Eine Gefahr für den "demokratischen Prozess" kann ich insofern hier nicht erkennen.
Ebensowenig verstehe ich wieso sie kursiv herausstellen, dass die Kanzlerin mit einem Luftwaffenhubschrauber anreist, was eine völlige Selbstverständlichkeit darstellt.
Schade, dass sie (vielleicht aufgrund persönlicher Verbundenheit?) nicht etwas mehr auf die Objektivität der Berichterstattung acht geben.

Verstehen sie mich nicht falsch: Inhaltlich ist den Anliegen der Occupy Aktivisten natürlich nichts entgegenzusetzen. Diskutieren könnte man aber darüber ob es hilfreich ist sich zu maskieren.. und auch das "Human Mic" sollte meiner Meinung nach überdacht werden (warum nicht mehr Transparente etc.?), denn dieses monotone nachplappern kann wahrlich niemanden begeistern.