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Mittwoch, 13. Juli 2005, 2:00 Uhr

Frau von Zuhälter misshandelt

Illegales Bordell in Norderstedt aufgeflogen - fast alle Frauen wurden abgeschoben

Von Astrid Jodeit | "Jetzt ist sie in Sicherheit", ließ sich ein Sprecher der Kripo Norderstedt in der NZ zitieren. Und tatsächlich hatte die Frau aus gleich zwei Gründen "Glück": Zum einen, weil ihre Hilferufe unbeteiligte ZeugInnen zum Handeln gebracht hatten. Etwas das bei häuslicher Gewalt, aber auch bei Übergriffen im öffentlichen Raum längst nicht die Regel ist. Zum anderen hatte die Frau Glück, einen gesicherten Aufenthaltsstatus vorzeigen zu können. Wäre dies nicht der Fall, würde ihre Rettung aus den Händen ihres Mißhandlers nämlich nicht nur Schutz und Sicherheit bedeuten, sondern die sofortige Abschiebung. Dies bekamen die vier anderen Frauen zu spüren, die ebenfalls in dem Bordell in Glashütte unter miesesten Bedingungen beschäftigt waren: sie sollen sofort abgeschoben werden.
60% der Sexarbeiterinnen in Deutschland sind Migrantinnen. Eine Vielzahl von ihnen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. Diese Situation bedeutet für die Betroffenen vor allem eine totale Rechtlosigkeit, welche gerade im Bereich der Sexarbeit besondere Risiken für Leib und Leben birgt. Beratungsstellen für in der Sexarbeit tätige Migratinnen, berichten zunehmend, dass Gewaltverbrechen, Erpressungen und Sexualdelikte bei den Behörden nicht zur Anzeige gebracht werden, da die Frauen ihre Ausweisung fürchten. Zeigt eine Frau mit prekärem Aufenthaltsstatus ihren Peiniger an, kommt es immer wieder vor, dass sie abgeschoben wird, bevor ihr "Fall" vor Gericht kommt.
Auch ohne illegalen Status ist die Beschäftigung im Sexgewerbe aus arbeitsrechtlicher Sicht eine prekäre Angelegenheit. Seit Jahren bemüht sich die Hurenbewegeung (nicht nur) in der Bundesrepublik um eine Legalisierung der Prostitution. Dabei wird von vielen Seiten kritisch angemerkt, dass das vielfach unter der Überschrift "Legalisierung" kommentierte und seit Januar 2002 geltende Prostitutionsgesetz vor allem an der Situation der Prostitutionsmigratinnen komplett vorbeigeht. Die neue Gesetzgebung erzielt mit Instrumenten wie Steuerzahlungen und Sozialversicherung vor allem eine "gläserne Prostitution". Die Gewährung von für andere Berufe selbstverständliche Bürgerrechte, die jahrelang eingefordert werden, werden mit diesem Gesetz nur eingeschränkt zugesichert und kommen Frauen ohne Aufenthaltsstatus nicht zugute.
Folge davon sind katastrophale Gewalt- und Abhängigkeitsverhältnisse, wie sie auch in dem aktuellen "Fall" in Norderstedt sichtbar werden. Der mißhandelten Frau wurden vom Zuhälter Paß, Bargeld und Handy abgenommen, um scheinbar eine Flucht, oder einen Kontakt nach draußen zu unterbinden. Aber es sind nicht nur ihre Zuhälter und Kunden, vor denen sich die migrantischen Sexarbeiterinnen fürchten. Sie leben in ständiger Angst vor Razzien. Bei Polizeikontrollen werden Prostituierte häufig diskriminierend behandelt, alles wird durchsucht bis hin zur Leibesvisitation, das Geld wird beschlagnahmt, sie werden erkennungsdienstlich behandelt, es werden Fotos gemacht und oft werden keine DolmetscherInnen zur Verfügung gestellt. Anschließend werden die Frauen abgeschoben.
In einer Stellungnahme der Initiative Hydra, die sich seit Jahren für die Belange von Arbeitsmigratinnen in der Prostitution einsetzt, heißt es: "Die fehlende Grundlage für die Arbeitsmigration und die gleichzeitige Nachfrage nach Arbeitskräften in der Prostitution, schaffen einen eklatanten Widerspruch zwischen offizieller Politik der Zielländer und der tagtäglichen Praxis. Gerade der halblegale Charakter dieser Tätigkeit, in Verbindung mit dem Fehlen jeglicher arbeitsrechtlicher Standards, schafft ausbeuterische Arbeitsbedingungen (...). Repressive Maßnahmen scheinen für den Staat am verlockendsten, obgleich sie offensichtlich kontraproduktiv für die gesundheitlichen, rechtlichen sowie sozialen Anliegen der migrierten Sexarbeiterinnen sind."

Veröffentlicht in Frauen/Feminismus mit den Schlagworten Norderstedt, Polizei