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Freitag, 20. Januar 2006, 1:00 Uhr

Kenvelo frisst seine Kinder

Beschäftigte haben die Wahl: Arbeitslos oder Norderstedtlos

Von Olaf Harning | Von diesem Schritt sind nach Berichten der Norderstedter Zeitung (NZ) und des Hamburger Abendblattes mehr als 200 Kenvelo-Beschäftigte im Firmensitz an der Oststraße betroffen. Bis zum 30. Juni will das Unternehmen seine Norderstedter Zentrale komplett räumen und nach Nordrhein-Westfalen umziehen. Den MitarbeiterInnen wird die Pistole auf die Brust gesetzt: In einer kurzen Betriebsversammlung soll ihnen dieser Plan mitgeteilt- und das großzügige "Angebot" unterbreitet worden sein, nach Neuss mitzukommen. Andernfalls gehören die Betroffenen ab Sommer diesen Jahres zu den rund 5.000 Arbeitslosen der Region Norderstedt.
In der NZ kritisierte nun auch die ehemalige Betriebsratsvorsitzende Manuela Stubbe (39) das Vorgehen des Managements scharf: "Vor einer Woche hat es eine kurze Betriebsversammlung gegeben. Da haben sie uns informiert - kurz und schmerzlos. Und jetzt hängen wir alle in der Luft. Für viele von uns bedeutet das der Weg in die Langzeitarbeitslosigkeit." Nach dem Insolvenzverfahren 2004 sind nach ihren Aussagen heute überwiegend langjährige und/oder ältere Beschäftigte im Betrieb, die in Norderstedt Fuß gefasst, sich teilweise Häuser gebaut haben: "Die ziehen doch jetzt nicht nach Neuss!" Geschäftsführer Dany Himi (40) wisse das im übrigen sehr gut, er wolle nur die älteren Mitarbeiter loswerden, ist da noch einer der geringeren Vorwürfe.
Dabei hat Stubbe schon einmal anders über ihren Geschäftsführer geredet. Noch im Februar 2004, kurz nach der Insolvenz, sagte sie der Norderstedter Zeitung, Himi sei keinerlei Vorwurf zu machen. Ohne ihn hätte man schon lange schlechter da gestanden. Und zur Stimmung der Beschäftigten: "Die Mitarbeiter stehen zum Unternehmen. Wir sind ein Super-Team und glauben, dass wir den Sprung in die Zukunft schaffen", wurde sie damals zitiert. Bereits wenig später schien diese Eintracht zerbrochen, heute spricht die ehemalige Betriebsratsvorsitzende von "massivem Druck der Geschäftsführung, (auf den Betriebsrat) da hatte natürlich keiner Lust, sich diesen Stress weiter anzutun." Wegen dieses Drucks und wahrscheinlich auch einer Portion Naivität in der Auseinandersetzung mit ihrem Arbeitgeber stehen die Beschäftigten bei Kenvelo heute alleine da, jeder und jede für sich. Einen Betriebsrat gibt es seit dem gesundheitsbedingten Rücktritt von Manuela Stubbe im letzten Jahr nicht mehr. Und nun wird es wohl auch keinen mehr geben.
Kenvelo betreibt in Israel und Europa insgesamt 230 Filialen für "Young-Fashion" und beschäftigt insgesamt bis zu 2.500 Menschen. Der Markenname Jean Pascale entstand 1979, sein "geistiger Vater" war Gustav Langhein, der bereits 1936 sein erstes Modeunternehmen gründete. 1988 wagten seine Söhne den Börsengang mit der Jean Pascale AG, später gehörte die Firma noch zum Wünsche-Konzern und auch zu Marbert. Erst im vergangenen Jahr hatte auch die Mode- und Textilfirma Jil Sander ihre Produktion im benachbarten Ellerau geschlossen und mehr als 160 Arbeitsplätze vernichtet.

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