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Donnerstag, 19. Mai 2011, 14:46 Uhr

Norderstedt: Steuererhöhungen beschlossen

Ungewohnte Mehrheiten in der Stadtvertretung

Nachtragshaushalt, Foto: Infoarchiv

Nachtragshaushalt, Foto: Infoarchiv

Infoarchiv Norderstedt | Am vergangenen Dienstag war der in der Stadtvertretung der Tag der Wahrheit. Lange hatten große Teile der Kommunalpolitik die Entscheidung, wie den Haushaltslöchern Norderstedts entgegenzutreten sei, vor sich hergeschoben. Am Ende wurde dem Vorschlag der Verwaltung nach Steuererhöhungen auf breiter Ebene mehrheitlich zugestimmt.

Im Ergebnis heißt das:

  • Änderungen der Hebesätze für Grundsteuer A von bisher 250 % auf nunmehr 300%
  • Grundsteuer B von bisher 260 % auf nunmehr 410 %
  • Gewerbesteuer von bisher 390 % auf nunmehr 420 %.

Diesem Beschluss waren mehrere Vorschläge der Verwaltung und Gespräche zwischen den Fraktionsspitzen - einschließlich der finanzpolitischen Sprecher der jeweiligen Fraktionen - vorausgegangen (wir berichteten). Offenbar erst kurz vor der Sitzung der Stadtvertretung kristallisierte sich heraus, wie sich die einzelnen Fraktionen entscheiden würden. Es bahnte sich eine ungewöhnliche Konstellation der Befürworter der Verwaltungsvorlage an. Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote fasste in seiner Rede noch einmal die zentralen Punkte des 2. Nachtrages zum Haushalt 2011 zusammen: Die weggebrochenen Gewerbesteuereinnahmen, die Erhöhung der Kreisumlage und die bereits feststehenden und zu erwartenden Zusatzkosten bei der Kinderbetreuung und dem Gesamtbereich der Bildung. Die Ansätze für die Gewerbesteuer mussten für die nächsten Jahre um 2 Millionen Euro nach unten korrigiert werden. Die Erhöhung der Kreisumlage schlägt mit einer Gesamtbelastung von 16 Millionen Euro bis 2014 zu Buche. Zusammen mit einigen anderen Minder- bzw. Mehraufwänden ergibt sich demnach eine Deckungslücke von fast 20 Millionen Euro für den Zeitraum 2011 bis 2014. Die Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz bis 2013 wird mit Investitionen von 8 Millionen Euro und jährlichen Betriebskosten von fast 2 Millionen Euro veranschlagt. Zusätzlich. Die geplanten Verbesserungen in der Schulkindbetreuung werden nach ersten Schätzungen zu Mehraufwendungen bei den Betriebskosten von 700 000 Euro führen, einmalige Investitionen nicht mitgerechnet. Das Problem bei der ganzen Sache ist, dass es sich bei der vorliegenden Sachlage um ein strukturelles Defizit handelt. Selbst die Streichung einzelner Projekte (über die allerdings trotzdem weiter nachgedacht werden müsste) würde dieses Monat für Monat, Jahr für Jahr bestehende Defizit nicht auflösen. Deswegen verfiel man auf die Idee der Steuererhöhungen. Um eine einseitige Belastung einzelner Bevölkerungsgruppen zu vermeiden, schlug die Verwaltung (nach einem ersten Gespräch mit den Fraktionen) nun die erwähnten Steuererhöhungen auf breiter Front vor. Dabei verminderte sie die zuerst geplante Erhöhung der Grundsteuer B (die von allen zu zahlen ist, ob Mieter oder Eigentümer) von 460 % auf 410 %. Unterm Strich wird die Steuererhöhung zu einem ausgeglichenen Haushalt sowie zu Mehreinnahmen von ca. 1,7 Millionen Euro führen. Die FDP verweigerte jegliche Veränderung bei der Gewerbsteuer. Die wenig schlüssigen Argumente dagegen (verschlechterte Wettbewerbsfähigkeit Norderstedts, zu große Belastung für Gewerbetreibende) machten wieder einmal deutlich, dass es sich bei der FDP um eine Klientelpartei handelt. Die SPD sprach sich für eine moderatere Anhebung der Grundsteuer B und für eine stärkere Anhebung der Grundsteuer A (für landwirtschaftliche Betriebe) aus. Zwar wäre damit die Belastung z.B. für einkommensschwache Haushalte geringer ausgefallen, aber das strukturelle Finanzproblem wäre damit keinesfalls behoben. Die SPD sah über den Ausgleich des Haushaltes 2011 hinaus keine direkte Notwendigkeit auch noch Mehreinnahmen zu generieren. Vorschläge, woher das Geld für die zu erwartenden, von allen Fraktionen gewollten, Mehrausgaben kommen soll, blieb sie schuldig. Maren Plaschnick, Fraktionsvorsitzende der GALiN, widerlegte die FDP-Argumentation gegen die Erhöhung der Gewerbesteuer und wies darauf hin, dass diese Steuer bei der Entscheidung für eine Unternehmensansiedlung nur eine untergeordnete Rolle spiele und die Firmen in Norderstedt auf eine wesentlich bessere Infrastruktur als in Nachbargemeinden zurückgreifen könnten. Der Fraktionsvorsitzende der Partei DIE LINKE, Miro Berbig, machte in seinen Ausführungen deutlich, dass die anderen Fraktionen nicht so „bedröppelt“ dreinschauen bräuchten, schließlich sei die Wirtschaftskrise und deren Folgen allen bekannt und im Grunde eine Kapitalismuskrise. Er forderte die Fraktionen von CDU, SPD und FDP auf über ihre Parteistrukturen Einfluss auf die Handlungsweise der Regierungen in Bund und Land zu nehmen. Denn eine wirkliche tragfähige und anhaltende Entlastung der Kommunen ließe sich nur über eine Neustrukturierung der Gemeindefinanzierung erreichen. Die CDU ließ über ihren Fraktionsvorsitzenden Günther Nicolai wortreich erklären, dass es keine andere Möglichkeit als die vorgeschlagenen Steuererhöhungen gäbe. Interessante Randnotiz: Bei der Abstimmung über den SPD-Antrag enthielt sich deren finanzpolitischer Sprecher, Wolfgang Schmidt, der Stimme. In der abschließenden Abstimmung über die Verwaltungsvorlage stimmte er gar mit der CDU, der GALiN (bis auf Stadtvertreter Harald Hattendorf) und DER LINKEN für die vorgeschlagenen Steuererhöhungen. Außerdem wurde die Verwaltung mit diesem Beschluss aufgefordert, „alle Möglichkeiten zur Reduzierung bzw. Begrenzung der Aufwendungen“ zu prüfen.

3 Kommentare zu diesem Artikel

30.05.2011, 0:59 Uhr richard dobersteinPolitischer Genickbruch

Das machen Grüne, Linke und ein Haufen alter konservativer Säcke gemeinsame Sache. Im Fokus und damit Nettozahler für die Haushaltskrise: Norderstedts Mieter und Eigentümer.
Zur Erhöhung gefragt wurde das vermögende Gesindel ohnehin nicht. Also von wegen "breit diskutiert"...

Richtig ist, Kitas und Schulen sollen und müssen ausgebaut werden.
Warum aber spart die Stadtverwaltung nicht endlich bei sich selbst? Warum macht jedes Kaff in diesem Kreis seine eigene Personalverwaltung? Warum hält sich jeder OB, oder der sich dafür hält, einen Stab von Rechtsberatern und Büropersonal?
Wo bleibt die vielgelobte und immer wieder versprochene Kooperation? Koope... äh was?!
Ach, stimmt ja, braucht man jetzt nicht mehr. Geld ist wieder genug da.
So läuft Verwaltungsmodernisierung im 21. Jahrhundert.

20.05.2011, 14:37 Uhr Infoarchiv NorderstedtSparvorschläge her und hellhörig bleiben!

Zum einen hat das Infoarchiv keine Wähler, zum anderen ist "Sparen" immer leicht gesagt.

Neben Großprojekten, wie der Landesgartenschau, für die es in Norderstedt nun einmal eine politische Mehrheit gibt, ist das große Prassen eigentlich lange vorbei. Nachdem Bund und Land den Kommunen in den letzten Jahrzehnten immer mehr Mittel entzogen, bzw. zusätzliche Kosten aufgebürdet haben und es Unternehmen deutlich erleichtert wurde, keine Gewerbesteuern (mehr) zu zahlen, würden die meisten Einsparmöglichkeiten wiederum Belange der BürgerInnen betreffen - also Kürzungen bedeuten. Bleibt also die Frage, ob man lieber "freiwillige" Leistungen der Stadt streicht, oder sie unter dem Nachteil von Steuererhöhungen aufrecht erhält.

Sollte es - wie gesagt: neben Projekten, wie der Gartenschau - noch Punkte geben, an denen Norderstedt prasst ... immer her damit, wir berichten sehr gerne! Bis dahin aber wollen einige NorderstedterInnen den beständigen Ausbau der (Auto-)Verkehrswege, andere den massiven Ausbau der Kinderbetreuung und wieder andere beides und noch viel mehr. Wie aber soll das bezahlt werden? Die schwäbische Hausfrau hilft da nicht recht weiter.

Davon ab: Eine Erhöhung der Grundsteuer um mehr als 50% ist happig und sollte ebenso breit, wie ausdauernd diskutiert werden. Erst recht, wenn die zur Zeit sehr optimischtischen Steuerschätzungen auch tatsächlich eintreffen. Ob wohl Bürgermeister und Parteien die womöglich doch üppig sprudelnden Gewerbesteuer-Einnahmen dann zur Rücknahme, bzw. Senkung zumindest der Grundsteuern nutzen, oder nicht doch eher ein weiteres Projekt starten? Vor allem hier sollten kritische Geister hellhörig sein.

19.05.2011, 16:34 Uhr WaldemarKonsequent unsozial!

Schönes Ding! Das machen sich die Linken und Urgrünen zum Vorreiter für Steuererhöhungen der übelsten Sorte und damit zum Büttel von OB Grote.
Er hat die letzten Jahre schlicht verpennt und gehofft, dass er die vielbeschworenen "Zukunftsaufgaben" schon irgendwie finanziell auf Reihe bekommen wird. Da habt ihr ihm ja prima den A... gerettet.

Um mal mit famous Mutti Merkel zu sprechen:
„Man hätte einfach nur die schwäbische Hausfrau fragen sollen. Sie hätte uns eine Lebensweisheit gesagt: Man kann nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben.“

Also Sparen lautet die Devise und nicht den Leuten, wo immer es geht, die Kohle aus der Tasche zu ziehen.
Aber nun hat Grote ja erstmal wieder genug davon, kann man sich ja schön Zeit lassen mit dem ernsthaften Sparen...

Möchte mal wissen, wie ihr das Euren Wählern erklärt.