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Montag, 22. Dezember 2014, 15:58 Uhr

"Quantitativ erforderliche Aufgabenerledigung"

Der Finanzkontrolle Schwarzarbeit fehlen tausende Stellen

Eine Kolonne Betonbauer beim Betonieren einer Sohle ...

Das Bauhauptgewerbe ist nur eine von 16 Branchen, in denen der Zoll für die Kontrolle von Mindestlöhnen zuständig ist. Ab dem 1. Januar muss die Finanzkontrolle Schwarzarbeit nun auch den bundesweiten, gesetzlichen Mindestlohn überwachen (Foto: Infoarchiv).

Olaf Harning | „Damit nicht die Anständigen die Rechnung für die Unanständigen zahlen“. Unter diesem Motto lud Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble am 4. Juni zu einem Festakt in sein Berliner Ministerium, um das 10-jährige Bestehen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) zu feiern.

Zöllner und Arbeiter im Gänsemarsch auf einer Baustelle

Großkontrolle der Finanzkontrolle Schwarzarbeit: Eine halbe Million Beschäftigte und 64000 Arbeitgeber befragte der Zoll alleine 2013. Ein Großteil des kriminellen Lohndumpings blieb aber unentdeckt (Foto: IG BAU).

Zum 1. Januar 2004 waren die bis dahin getrennt operierenden Einheiten aus dem Bereich der Bundesanstalt für Arbeit und des Zolls unter dem Dach der Zollverwaltung zusammengeführt worden, um Kräfte zu bündeln und die Bekämpfung der Schwarzarbeit zu intensivieren. Mit 7000 Kontrolleuren, so verkündete der damalige Finanzminister Hans Eichel (SPD), sollte die FKS dafür sorgen, dass Sozialversicherungsbeiträge abgeführt und Steuern überall dort gezahlt werden, wo Menschen arbeiten –und zwar in der gesetzlich vorgesehenen Höhe. Doch auch zehn Jahre später ist diese Personalstärke noch nicht erreicht, obwohl der Zoll wegen der wachsenden Zahl von Branchenmindestlöhnen und der Arbeitnehmerfreizügigkeit für Angehörige ost- und südosteuropäischer Staaten immer mehr Beschäftigte kontrollieren muss.

Exakt 6481 Mitarbeiter waren am 31. Dezember 2013 für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit tätig – gerade mal eine Handvoll mehr, als zum Start des Projektes. Und die Aufgaben des Zolls wachsen beständig weiter: Schon ab dem 1. Januar 2015 soll die FKS nun auch den bundesweiten, gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro überwachen. Derweil plant Brüssel mit der Lockerung von Beschränkungen für sogenannte „Ein-Personen-Gesellschaften“, eine weitreichende Deregulierung von Arbeitsmigration und die Eröffnung völlig neuer Spielarten von Scheinselbstständigkeit. Dennoch sieht das für den Zoll zuständige Bundesministerium für Finanzen nur wenig Handlungsbedarf: Um gerade einmal 1600 Stellen soll die FKS in den kommenden Jahren wachsen, genau genommen bis zum Jahr 2019. Mit dieser Personaldecke, meint Sprecherin Friederike Tiesenhausen, sei „die qualitativ und quantitativ erforderliche Aufgabenerledigung“ der FKS und auch eine „effektive Mindestlohnkontrolle“ gesichert.

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Vier Millionen Menschen fallen bereits jetzt unter Branchenmindestlöhne“, widerspricht da Ruprecht Hammerschmidt für die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), „jetzt kommen durch den bundesweiten Mindestlohn noch einmal fünf Millionen dazu.“ Da sei selbst mit dem geplanten Stellenzuwachs keine vernünftige Kontrolldichte zu erreichen. Die IG BAU fordert deshalb mindestens 10000 Zöllner für die FKS. Und auch die dem Beamtenbund angehörige Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft BDZ schlägt Alarm, zumal schon jetzt 600 Stellen bei der Schwarzarbeits-Bekämpfung unbesetzt sind: „Alleine die Ausbildung zusätzlicher Kräfte“, sagt der BDZ-Vorsitzende Dieter Dewes gegenüber dem Infoarchiv, „dauert zwei bis drei Jahre.“ Um die FKS dennoch um jährlich 320 Beschäftigte aufzustocken, müsse der Zoll Personal aus anderen, ebenfalls knapp besetzten Bereichen abziehen. Dass die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen Schwarzarbeit zuletzt zurückgegangen ist, überrascht ihn nicht: „Die Zahlen sind rückläufig“, sagt er, „weil wir nicht kontrollieren.

Veröffentlicht in Arbeit & Kapital mit den Schlagworten Finanzkontrolle Schwarzarbeit, IG BAU, Lohndumping