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Donnerstag, 5. Juni 2003, 2:00 Uhr

Stadtwerke antworten patzig

Von Einsicht keine Spur - scharfe Kritik von der GALiN

Von Olaf Harning | Rund eine Woche nach den jüngsten Enthüllungen über die Geschäftsgebaren der Norderstedter Stadtwerke und ihrer kaufmännischen Leitung unter Volker Hallwachs antwortet das öffentliche Unternehmen mit einer patzigen Presseerklärung. Ohne mit einem Wort auf die erhobenen Vorwürfe einzugehen, macht man sich über den ungewohnten Enthüllungsjournalismus der Norderstedter Zeitung (NZ) lustig - auf niedrigstem Niveau.

In Form eines nachgestellten Telefongespräches versucht die Werksleitung einige der in den Vordergrund gestellten Vorwürfe lächerlich zu machen. Eine Kostprobe frei erfundener Äußerungen der NZ-Journalisten: "Aber wenn wir verstehen, dann sind wir fasziniert. Dies sind wir unserer Berufsehre schuldig. Und von Slivovitz, das können Sie uns glauben, davon verstehen wir etwas! Slivovitz gehört gesoffen und in keinen Saunatopf, wie es uns der Badmanager weismachen will." Einige Zeilen später enden die erdichteten Gesprächsfetzen der Journalisten mit den Worten: "Das, was wir machen, nennen wir modernen Journalismus. Lafontaine hat ihn als "Schweinejournalismus" bezeichnet. Wir bemühen uns."

In erschreckend niedrigem Niveau bemühen sich Hallwachs und seine Mitstreiter also, genau diejenigen des "schmutzigen" Journalismus zu bezichtigen, die die schweren Vorwürfe des Rechnungsprüfungsamtes gegenüber der Werksleitung veröffentlichen. Eine alte Taktik - nicht erst Profi-Talkshow-Gast Oskar Lafontaine, vor allem Franz-Josef Strauß war es mit seinen Haßtiraden gegen den "Spiegel", der jeden - meist berechtigten - Angriff der Journaille mit massiven Beleidigungen und der Rede von "Schweinejournalismus" bedachte, ganz nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. Gegen die schweren Vorwürfe, denen sich die Stadtwerke ausgesetzt sehen, dürfte solcherlei Patzigkeit indes wenig Wert haben. So hängen sich die Beschuldigten dann auch mit Inbrunst an dem einzigen weniger schwerwiegenden Vorwurf auf, die Sauna des ARRIBA-Bades mit teurem Slivovitz betrieben zu haben, ein zugegeben eher belustigender Umstand. Weniger - um nicht zu sagen: gar nichts - hört man derweil von der Unternehmensleitung über hunderttausende Mark, die womöglich ohne haltbare Grundlage über den Fußballern des 1. SC Norderstedt verschüttet wurden, oder mit denen man seit Jahren die Tochtergesellschaft wilhelm.tel aus Töpfen füttert, die ansonsten den kommunalen Finanzen zugutekommen könnten. Ganz zu schweigen von den 2,56 Millionen Mark (!), mit denen in 2001 dem vielbelächelten kommunalen Fernsehsender noa4 unter seine schwächlichen Arme gegriffen wurde.

Der sprichwörtliche See ruht allerdings immer dann ganz besonders still, wenn es um dubiose Zahlungen, "Gefallen" oder exklusive "Events" geht, die nur noch sehr schwer vom Vorwurf der Vorteilsnahme, Begünstigung und "Korruption" freizuhalten sind. So soll Direktor Hallwachs schon vor Jahren niemand geringerem als Sohnemann Peter Hallwachs ohne Ausschreibung das Betreiben der ARRIBA-Gastronomie überlassen haben. Kaum verwunderlich, dass man das auf diese Weise ins "Hallwachsche Familienunternehmen" assimilierte "Siesta im ARRIBA" dann auch vielschichtig nutzte: Nicht weniger als 381700 Mark stellte Peter Hallwachs den unter väterlicher Leitung stehenden Stadtwerken alleine 2001 für Bewirtung in Rechnung. Auch einen Cousin ließ Hallwachs-Senior laut Norderstedter Zeitung mehr als weich fallen: Seit dem 15. Juni 2000 soll der Mann für stattliche 9500 Mark netto monatlich Mitarbeiter der Stadtwerke sein und überdies mindestens 18 Monate mietfrei, bzw. auf Kosten des städtischen Unternehmens gewohnt haben - der ebenfalls "kostenneutrale" Dienstwagen versteht sich dabei von selbst.

Während die Norderstedter CDU die erneuten Skandalmeldungen mit offensivem Schweigen beantwortet und Bürgermeister Hans-Joachim Grote (CDU) gar darüber nachdenkt, ob denn die auf seine Order angewiesenen Prüfer des Rechnungsprüfungsamtes in den nächsten Jahren noch zum Einsatz kommen sollen, üben sich die übrigen Parteien der Stadtvertretung in Empörung. Zwischen "ungeschickt" und "skandalös" bewegten sich die ersten Kommentare aus SPD, Bürgerpartei, FDP und GALiN. Während alleine die Christdemokratie weiterhin an der geplanten Umwandlung der Stadtwerke in eine Aktiengesellschaft bastelt, distanziert sich die übrige Kommunalpolitik mehr und mehr von dem Vorhaben. Vor allem die Grün Alternative Liste übte erneut scharfe Kritik an Stadtwerke-Führung und Privatisierungsplänen. Für die GALiN-Fraktion erinnerte etwa Maren Plaschnick den Bürgermeister vor einigen Tagen an seine Verantwortung für die Vorgänge. Hintergrund: Er ist sowohl Dienstvorgesetzter der Werksleitung, als auch Aufsichtsratsvorsitzender der wilhelm.tel GmbH. Indirekt forderte Plaschnick in einer Presseerklärung sogar die Freisetzung der Unternehmensführung: "Allerdings ist die Hoffnung, nun würden von den Verantwortlichen endlich Konsequenzen gezogen, doch sehr gering". Tatsächlich scheinen Hallwachs & Friends auch die jüngsten Vorwürfe wieder aussitzen zu wollen, was nicht zuletzt durch die peinliche Presseerklärung zum Thema dokumentiert wird. Bleibt abzuwarten, ob die Taktik auch in diesem Jahr ausreicht, um politisch zu überleben. Noch jedenfalls ist keiner der Köpfe gerollt, der es für richtig hält, dass die Norderstedter Stadtwerke und das ARRIBA-Bad für mehr als 70.000 Mark VIP-Plätze in der Hamburger AOL-Arena buchten.