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Donnerstag, 19. Februar 2015, 8:09 Uhr

So wählte Hamburg-Nord

Infoarchiv Norderstedt | Während sich Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und GRÜNEN-Chefin Katharina Fegebank nach den Bürgerschaftswahlen vom vergangenen Sonntag bereits auf Koalitionsverhandlungen verständigt haben, reichen wir Wahlergebnisse und auch ein paar Wahlgründe aus Hamburgs Norden nach.

Zunächst aber noch einmal das amtliche Endergebnis für die Hansestadt. Bei erdrutschartigen Verlusten der CDU und einem Minus von 2,7 Prozent für die bislang alleinregierenden SozialdemokratInnen, konnten die Linken deutlich, Grüne und FDP leicht hinzugewinnen. Auf Anhieb in die Bürgerschaft kam die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD), die einen Stimmenanteil von 6,1 Prozent der Stimmen erreichte.

Partei 2015 Sitze  
2011 +/-
SPD 45,7     58 48,4       - 2,7
CDU 15,9 20 21,9 - 6,0
B90/GRÜNE 12,3 15 11,2 + 1,1
DIE LINKE   8,5 11   6,4 + 2,1
FDP   7,4 9   6,7 + 0,7
AfD   6,1 8   -- + 6,1
PIRATEN   1,6     2,1 - 0,5
DIE PARTEI   0,9     0,7 + 0,2
Neue Liberale       0,5     -- + 0,5
ÖDP   0,4     0,3 + 0,1
Rentner   0,3     0,5 - 0,2
NPD   0,3     0,9 - 0,6
HHBL   0,2     -- + 0,2
Sonstige       1,0 - 1,0

Während die Wahlbeteiligung hamburgweit erneut zurückging und mit nur noch 56,6 Prozent einen historischen Tiefstand erreichte, sind in Teilen von Hamburg-Nord sogar mehr Menschen zur Wahl gegangen. Die eigentliche Dramatik dieser Entwicklung: Je ärmer die Stadtteile, desto niedriger die Wahlbeteiligung. Während etwa im eher wohlhabenden Wahlkreis 10 Fuhlsbüttel, Alsterdorf, Langenhorn fast 64 Prozent der Menschen an die Urnen gingen, waren es in Jenfeld keine 30 Prozent.

Im gesamten Bezirk Hamburg-Nord schnitten CDU und SPD etwas schwächer ab, als im gesamten Stadtgebiet und auch DIE LINKE kam hier nur auf 8,2 statt 8,5 Prozent der Stimmen. Nutznießerin davon waren vor allem Bündnis 90/Die Grünen, die aber im Bezirk traditionell etwas stärker sind, vor allem im noch zentrumsnahen Bereich. Mit 14,1 Prozent konnten die Grünen ihren Stimmenanteil auch hier nochmals ausbauen und rangieren nun auf Augenhöhe mit der Union. Während es die AfD im Norden nur knapp über die 5-Prozent-Hürde schaffte, erreichte die weitgehend gescheiterte FDP-Abspaltung "Neue Liberale" hier immerhin 0,7 Prozent der Stimmen - fast so viel, wie die Satire-Truppe von "DIE PARTEI".

Bezirk Hamburg-Nord

Partei 2015 2011 +/-
SPD 44,8      48,5        - 3,7
CDU 15,6 19,9 - 4,3
B90/GRÜNE 14,1 13,4 + 0,7
DIE LINKE   8,2   6,0 + 2,2
FDP   7,7   6,8 + 0,9
AfD   5,1   -- + 5,1
PIRATEN   1,7   2,0 - 0,5
DIE PARTEI   0,9   0,7 + 0,2
Neue Liberale      0,7   -- + 0,7
ÖDP   0,4   0,3 + 0,1
Rentner   0,3   0,4 - 0,1
HHBL   0,2   -- + 0,2
NPD   0,2   0,6 - 0,4
Sonstige     1,2 - 1,2

Im äußersten Norden der Hansestadt hingegen dominiert weiter die SPD, die hier sogar ihre absolute Mehrheit halten konnte. Zwar gewannen Grüne und Linke auch in den Stadtteilen Alsterdorf, Fuhlsbüttel und Langenhorn dazu, blieben hier aber deutlich hinter ihrem Landesergebnis zurück. Die AfD hingegen erreichte sogar 6,4 Prozent.

Wahlkreis 10 Fuhlsbüttel, Alsterdorf, Langenhorn

Partei 2015  2011 +/-
 SPD 49,2 51,6 - 2,4
 CDU 15,8 21.4 - 5,6
 B90/GRÜNE 11,0 10,0 + 1,0
 DIE LINKE   6,9   5,7 + 1,2
 FDP   6,7   6,2 + 0,5
 AfD   6,4   -- + 6,4
 PIRATEN   1,5   1,9 - 0,4
 DIE PARTEI   0,7   0,4 + 0,3
 Neue Liberale      0,4       --         + 0,4
 RENTNER   0,4   0,5 - 0,1
 NPD   0,4   0,8 - 0,4
 ÖDP   0,3   0,3  
 HHBL   0,3   -- + 0,3
 Sonstige   --   1,2 -  1,2

Während die SPD ihre besten Ergebnisse in Langenhorn und hier vor allem in und bei der traditionell sozialdemokratisch geprägten Fritz-Schumacher-Siedlung (bis zu 65 Prozent) feierte, konnte die CDU in Teilen Alsterdorfs (bis 21%) und in Hummelsbüttel noch immerhin um die 20 Prozent der Wähler begeistern. Dafür blieb sie in Langenhorn gleich in mehreren Wahllokalen "einstellig" - ein historisches Debakel. Bündnis 90/Die Grünen feierten vor allem in Alsterdorf, wo die Partei meist zweistellig abschnitt und bis zu 18 Prozent der Stimmen erzielte. Stadtauswärts wurde es dann eher hellgrün - mit Ausnahme des Wahllokals an der Tangstedter Landstraße 300. Hier erreichten SPD, Grüne und Linke zusammen 76,7 Prozent Zustimmung.

DIE LINKE erarbeitete sich derweil erste erkennbare Hochburgen im Fuhlsbütteler Maienweg und im Quartier Käkenflur/Essener Straße, wo die Partei der "Roten Dora" um die zehn Prozent erreichte. Die FDP hingegen schnitt in der Fläche schwach ab, überschritt die 10-Prozent-Marke dafür aber in großen Teilen Alsterdorfs und am Erdkampsweg gleich deutlich - Spitzenwert: 14,7% in der Wilhelm-Metzger-Straße. Ähnliches und zugleich das Gegenteil gilt für die AfD, die in Alsterdorf unf Fuhlsbüttel schwach abschnitt, in Langenhorn jedoch über dem Landes- und Wahlkreisschnitt lag.

Die erfolgreichsten EinzelkandidatInnen der Parteien im Wahlkreis 10: Gulfam Malik (SPD - 34.357 Stimmen), Dorothee Martin (SPD - 16.532), Richard Seelmäcker (CDU, 12.773), Tobias Lücke (CDU - 8.543), Katharina Fegebank (Grüne - 16.782), Ulrike Sparr (Grüne - 7.920), Rachid Messaoudi (DIE LINKE - 4.967), Robert Bläsing (FDP - 4.939) und der ehemalige Schill-Politiker Bodo Theodor Adolphi (AfD - 6.757).

Kompetenzen

Festmachen lässt sich der Wahlausgang derweil vor allem an den Kompetenzen, die den Parteien zugeschrieben werden. Während die CDU hier fast überall Verluste hinnehmen musste und sogar in Kernkompetenzen wie der "Kriminalitätsbekämpfung" weit hinter der SPD rangiert, kann sich die SPD zwar über weiter hohe Werte freuen, muss partiell aber schwindendes Vertrauen zur Kenntnis nehmen. So sehen "nur" noch 51 Prozent der HamburgerInnen die Schaffung von Sozialem Wohnraum bei der SPD gut aufgehoben - fünf Prozent weniger als 2011. In der Frage "sozialer Gerechtigkeit" trauen der Partei nur noch 45 Prozent (minus sieben) über den Weg. Auffällig: Bei denselben Themen und fast im gleichen Ausmaß nahm das Vertrauen gegenüber den Linken zu, die beim Thema "soziale Gerechtigkeit" inzwischen 18 Prozent erreicht haben und auch bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums auf 13 Prozent stiegen - der zweitbeste Parteienwert bei diesem Thema. Die Grünen punkten weiter mit ihrer absoluten Kernkompetenz "Umweltpolitik" (59 Prozent).

Mit Kompetenzzuschreibungen nicht erklären lassen sich jedoch die Wahlerfolge von FDP und AfD. Beiden Parteien wird bei der Lösung von Problemen, aber auch ganz grundsätzlich so gut wie nichts zugetraut. Dennoch schnitten beide Parteien unerwartet gut ab. Bei der AfD ergab eine Erhebung von infratest dimap als wahlentscheidenden Grund vor allem "Enttäuschung" über andere oder früher gewählte Parteien. Ausschlaggebend für die Wahl der Rechtspopulisten war oft Ausländerfeindlichkeit, aber auch die Themen Bildung und Verkehr spielten eine Rolle. Bei der FDP waren offenbar Alter und Tätigkeit von Bedeutung: Die (Neo-)Liberalen schnitten vor allem bei Selbstständigen (14 Prozent) und Rentnern (9), sowie ganz allgemein bei über 70jährigen (11) stark ab.