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Donnerstag, 2. April 2009, 19:00 Uhr

Puppe Hoffnung

Theater im Plenarsaal der Norderstedter Rathauses

Infoarchiv Norderstedt | "Puppe Hoffnung" wird von nur drei Schauspielern und einem stummen Mitspieler aufgeführt: Der Puppe namens "Hoffnung" ... . Sie begleitet die Szenen der Hoffnungslosigkeit und der aufkeimenden stärkeren beständigen Hoffnung.

Zu den Szenen und zum Thema

Sobibór

Ein Fünfzehnjähriger gerät als jüdisches Kind mit seiner Familie hinein in die Vernichtungsmaschinerie eines NS-Konzentrationslagers. Das Lager Sobibór war nur 50 Kilometer von seinem polnischen Wohnort entfernt, nahe an der russischen Grenze. Der Junge wurde in Sobibór von seinen Eltern getrennt und war von nun an ganz auf sich gestellt. Im Oktober 1943, einige Monate nach seiner Ankunft im Lager, erlebt er einen blutigen Aufstand der Häftlinge.
Auch heute ist kaum bekannt, dass in einem Vernichtungslager eine Revolte glückte, bei der ungefähr 300 Häftlinge fliehen konnten. Zwar überlebten nur wenige von ihnen bis Kriegsende, doch die gelungene Selbstbefreiung so vieler Häftlinge aus einem Konzentrationslager war einmalig. Und sie bleibt schwer vorstellbar an einem Ort, an dem zuvor 250.000 Menschen, ohne jede Möglichkeit zum Widerstand, ihr Leben verloren hatten.

Neuengamme

"Puppe Hoffnung" bettet die Geschichte des Jungen aus Sobibór ein in Szenen aus dem norddeutschen Konzentrationslager Neuengamme. Das vorrangige Ziel der Vernichtungslager im Osten war, möglichst viele Juden in kurzer Zeit sterben und spurlos verschwinden zu lassen. Dagegen ging es in den Arbeitslagern auf deutschem Boden auch um die Ausnutzung der noch lebenden Arbeitskräfte. Sie waren politische Häftlinge, die meisten aus dem Ausland, aber auch Deutsche waren darunter.
Von den 106.000 Männern und Frauen, die in die Lager von Neuengamme
gebracht wurden, überlebten die Torturen nur weniger als die Hälfte aller Eingelieferten. Das KZ Neuengamme hatte seinen Hauptsitz in Hamburg und seine Außenlager waren auf ganz Norddeutschland verstreut. Drei dieser Lager befanden sich im heutigen Porta Westfalica - in Hausberge, Barkhausen und Lerbeck.

Das Leben im Lager

Der Bühnentext von "Puppe Hoffnung" verknüpft die historischen Fakten mit lyrischen Elementen. Diese lehnen sich organisch an an die Historie von Sobibór und Neuengamme. Sie formen aus den komplexen Sachverhalten eindrucksvolle Bilder, die auch der Alltag zeigen... das Leben im Arbeits- und Vernichtungslager.
Gehungert und gefroren wurde in Sobibór nur selten. Doch für die dort arbeitenden Häftlinge war es ein Existieren zwischen der Bahnhofsrampe, an der sie die Züge entladen mussten, und vor den Türen der Gaskammern. Die Gaskammern erwarteten über kurz oder lang jeden von ihnen. Charakteristisch in den Neuengammer Lagern war die übermäßig schwere körperliche Arbeit. Hergestellt wurden dort Bauziegel oder verschiedene Rüstungsgüter. Die Arbeit, die Unterbringung und die Verpflegung waren darauf ausgerichtet, jedes Leben nach vier oder fünf Monaten zu zerstören. An allen Orten sorgten die SS-Wachen dafür, dass die auf Nummern reduzierten,
oft kahlgeschorenen Häftlingsgestalten trotzdem nicht alle in der selben Lage waren, sondern einander spinnefeind waren... Durch die wohldosierte Vergabe kleiner Privilegien wurden sie dazu gebracht, einander zu bekämpfen: Jeder gegen jeden oder je nach Nationalität, Religions- oder Parteizugehörigkeit in Gruppen gegeneinander. Es reichte, die Häftlinge aus einem Land zu verschonen bei der Einteilung in besonders Kräfte zehrende Arbeitskommandos oder sie zu bevorzugen bei der Essensausgabe - schon war ein Keil zwischen die Häftlinge getrieben. Die Konkurrenz reichte oft bis zum letzten Atemzug. Von seiten der SS war es beabsichtigt, dass jeder Gefangene seiner Werte und Gefühle beraubt wurde und vereinzelt zugrunde ging.

Hoffnung und Widerstand

In den Szenen von "Puppe Hoffnung" wird der Zuschauer mitgenommen in die nach außen hin hermetisch abgeschirmte Welt. Für die Betroffenen, die darin gefangen waren, bestand keine Verbindung mehr zu dem Leben außerhalb oder zu ihrer Zeit davor... Trotz der strikten Regeln, der harten Strafen und der pedantischen Kontrolle aller Vorgänge, boten sich einzelnen Häftlingen doch immer wieder kleine Handlungsspielräume, die sie für sich oder für andere Häftlinge zu nutzen wussten. So gab es Momente, in denen die Hoffnung unvermutet plötzlich auftauchte. Momente, in denen kleine und kleinste Widerstandshandlungen gewagt wurden, wo die Eingesperrten sich der mörderischen Übermacht widersetzen.
In einer Bühnenszene von ?Puppe Hoffnung? weigert sich trotz der Misshandlungen eine junge Frau tagelang, den Namen desjenigen preiszugeben, der ihr einen Apfel schenkte. Ein anderer KZ-Häftling kann in einem unbeobachteten Moment in der Schreibstube der Neuengammer Gestapo einen Blick auf die eingehenden Fernschreiben werfen... . Er nutzt sein Wissen um zu versuchen, das Leben eines anderen Mannes zu retten. Diese waghalsigen Manöver, die jeweils das eigene Leben zusätzlich gefährdeten, blitzen als Hoffnungsschimmer hell auf. Sie gaben auch den anderen Häftlingen, die davon erfuhren,
neuen Lebensmut.

Die Befreiung

In Neuengamme beendete erst das Kriegsende das Elend der Häftlinge. Somit vergingen nach dem Aufstand von Sobibór im Herbst 1943 noch einmal anderthalb Jahre, die viele Menschenleben kosteten. "Puppe Hoffnung" zeigt in seiner letzten Szene das Kriegsende, wie es tatsächlich eine Gruppe von Neuengammer Häftlingen erlebte. Diese siebenköpfige Gruppe deutscher Männer war noch nicht völlig ausgemergelt. Und sie wurde aufgrund "guter Führung begnadigt" und befördert zu Angehörigen der Waffen-SS! Ein absurder Seitenwechsel vom gestreiften "Zebra", wie die Häftlinge ihre Sträflingsmontur verharmlosend nannten, hin zum gestiefelten Schwarz der SS ... natürlich mit der regulären Zuteilung an Zigaretten und mit regelmäßigen Mahlzeiten. Diese sieben ehemaligen Häftlinge wurden, wie viele andere Kampfuntaugliche, eingereiht in das letzte deutsche Aufgebot. Sie sollten helfen, die vorrückenden alliierten Truppen zu stoppen.

Donnerstag, 2. April 2009, 19:00 Uhr, Plenarsaal im Rathaus Norderstedt, Rathausallee 50
Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro
Veröffentlicht in Geschichte