Einstweilige Verfügung abgeschmettert
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Das Landgericht Hamburg hat den Antrag der Anwälte der Agentur Thomas Will (ATW) und ihres Inhabers, Thomas Will, auf eine einstweilige Verfügung gegen einen Artikel des Infoarchiv Norderstedts abgelehnt. |
Das Infoarchiv hatte auf seiner Homepage (www.infoarchiv-norderstedt.org) etwa ein halbes Jahr lang unter der Überschrift "Nazi-Devotionalien auf Moorbek-Flohmarkt" einen Artikel veröffentlicht, in dem über einen Stand auf dem Moorbek-Flohmarkt am 5. November berichtet wurde. An diesem Stand waren zahlreiche Devotionalien in Form von Büchern aus dem Dritten Reich angeboten worden, so z.B. der "Illustrierte Beobachter" (Propagandazeitschrift der NSDAP) oder auch die "Lieder vom Reich" (NS-Verherrlichende Lieder, Hrsg. 1935). In dem Artikel heißt es dazu u.a., der Flohmarktbetreiber, die Norderstedter "Agentur Thomas Will (ATW)", habe unter Berufung auf die Polizei, nichts gegen den Stand unternommen, "schließlich sei ja 'alles legal'". Außerdem hätte "nicht das gesamte Material des Stand-Betreibers [...] aus der betreffenden Zeit" gestammt und "im Fernsehen gäbe es täglich 'viel schlimmeres' zu sehen."
Die Anwälte Wills - unter anderem der ehemalige CDU-Stadtrat Dr. Heinz Bischoff - hatten den Domain-Inhaber der Info Archiv - Homepage im März zunächst aufgefordert, den Artikel vom Netz zu nehmen, eine Erklärung zu unterschreiben, in der er sich verpflichtet, den Artikel nicht wieder zu veröffentlichen, sowie die Anwaltskosten in Höhe von ca. 750 DM zu bezahlen.
Nachdem das Archiv den Artikel darauf hin von der Homepage genommen und erklärt hatte, ihn der "nochmaligen Wahrheitsüberprüfung" zu unterziehen, haben die Anwälte Wills ca. sechs Wochen später beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung zu erwirken versucht. In ihrer Antrags-Begründung argumentierten die Anwälte bezüglich des Artikels, "diese Behauptung" sei "rechtswidrig", "geeignet [Thomas Will] in seiner persönlichen Ehre zu verletzen und unwahr", ihr Mandant sehe sich durch den Artikel in die "Ecke von Unterstützern" nationalsozialistischer Umtriebe gestellt.
In der Antragserwiderung seitens des Infoarchivs wurde dem entgegengestellt, Will habe nicht gesagt, welche "konkreten Angaben unwahr" seien, vielmehr gäbe es Zeugen, die bestätigen konnten, daß Will die ihm zugeschrieben Aussagen tatsächlich gemacht habe. Außerdem sei eine kritische Berichterstattung über den Vorfall legitim, da die auf dem Stand angebotenen Bücher keineswegs harmlos gewesen seien. Trotzdem stelle der Artikel Will nicht in die "Ecke von Unterstützern" schließlich werde darauf hingewiesen, daß er "künftig einen so ausgerichteten Stand nicht mehr zulassen werde".
Das Gericht sah dann auch keinen Grund, den Artikel zu beanstanden. So wies es in seinem Urteil vom 16. Mai darauf hin, daß Will in einer eidesstattlichen Versicherung zwar bestreite, die "Behauptung" aufgestellt zu haben. Er sei jedoch nicht weiter darauf eingegangen, welche der zahlreichen Behauptungen des Artikels er denn nicht aufgestellt hätte. Zudem habe eine Zeuge des Archivs "nachvollziehbar und in sich stimmig" "eindeutig bestätigt", daß Thomas Will die betreffenden Sätze geäußert habe. Das Argument Wills, er werde durch den Artikel, in die "Ecke von Unterstützern" (nationalsozialistischer Umtriebe) gestellt, teilte das Gericht nicht, schließlich habe es lediglich geheißen, "dass sie [ATW bzw. Thomas Will] zunächst nicht viel gegen den Nazi-Stand einzuwenden gehabt hätten". Zudem hätte sich Thomas Will auf Nachfrage "zurückhaltender gegeben und versprochen [...], dass er einen so ausgerichteten Stand auf den von ihm betreuten Flohmärkten nicht mehr zulassen werde." Daraus werde deutlich, so das Gericht in seiner Begründung weiter, dass er "keineswegs als ein unbelehrbarer Unterstützer nationalsozialistischer Umtriebe gekennzeichnet worden ist." Außerdem, schließt das Hamburger Landgericht seine Urteilsbegründung ab, "handelt es sich erkennbar um eine Wertung, [...] die auf der Grundlage des [...] Geschehensablaufs als eine zulässige Meinungsäußerung über gesellschaftspolitisch relevante Vorgänge gerechtfertigt erscheint".
In einer ersten Reaktion äußerten sich MitarbeiterInnen des Info Archivs befriedigt über den abgeschmetterten Antrag. "Auf Zensurversuche", so ein Sprecher, "reagieren wir sensibel. Wir lassen uns von niemandem wahrheitsgemäße Texte von der Homepage klagen, nur weil jemandem der Inhalt nicht gefällt." Das Urteil des Landgerichts hätte erwartungsgemäß das Recht der freien Meinungsäußerung höher als die womöglich auch geschäftlichen Interessen Thomas Wills gesetzt. Allerdings zeigte man sich im Info Archiv besorgt über die zum Teil unklare Rechtslage in Bezug auf das Presserecht für Internet-Publikationen. An dieser Stelle gäbe es noch Klärungsbedarf.
Quelle: Infoarchiv Norderstedt