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Donnerstag, 26. Juni 2003, 2:00 Uhr

VIP-Karten statt Geld für die Kommune

CDU und FDP erteilen zwielichtigen Geschäften "Persilschein"

Olaf Harning | So offen können Seilschaften wohl selten agieren. Trotz zahlreicher Skandale um die Geschäftsgebahren der Norderstedter Stadtwerke erteilte die CDU der Werksleitung nun den berühmten "Persilschein". Im Hauptausschuß der Stadtvertretung beschlossen die Werksleiter Volker Hallwachs nahestehenden ChristdemokratInnen, dass irgendwie doch alles in Ordnung war. Hallwachs selber reichte noch einmal einen "Offenen Brief" nach, in dem er die Enthüllungen seines seltsamen Treibens als "Rufmord" ausmacht.

Man braucht eigentlich nicht mehr viel schreiben, die Vorwürfe gegen die Stadtwerke sind weithin bekannt und machten norddeutschlandweit Schlagzeilen. Auf Kosten der Allgemeinheit gaben die Stadtwerke tausende Euros für VIP-Karten in der AOL-Arena aus, bauten angesichts ihrer fragwürdigen Tochterunternehmen "wilhlem.tel" und "noa4" ein undurchsichtiges Geflecht von Finanzströmen innerhalb des Unternehmens auf und irgendwie fanden sich nach und nach immer mehr Familienmitglieder des Werksleiters in recht einträglichen Positionen wieder. Alles haarscharf am Rande der Legalität, möglicherweise aber auch justiziabel, wie die Kieler Staatsanwaltschaft meint: Sie ermittelt weiter. Volker Hallwachs indes ficht dies nicht an. Er beklagt sich mit Schreiben vom 25. Juni erneut über eine "Rufmordkampagne" und stützt sich darin maßgeblich auf den Bericht eines unabhängigen, weiteren Prüfers, der vom Landesrechnungshof in Marsch gesetzt worden war. Gut möglich, dass die Stadtwerke mit ihren Entscheidungen kein geltendes Recht verletzt haben. Sicher ist jedoch, dass zumindest so ziemlich alle gängigen Regeln des "guten Geschmacks" verletzt wurden, die üblicherweise für Unternehmenspolitik gelten. Sohnemann Peter (im übrigen bekennender HSV-Fan und damit möglicherweise einer der Nutznießer der VIP-Lounges) wird in verantwortlicher Position die Gastronomie im ARRIBA-Freizeitbad übertragen, ein weiterer Verwandter erhält lukrative Arbeit - mietfreies Wohnen, Dienstwagen und hoher Verdienst inbegriffen. In Schwaben bemüht man für solcherlei Vetternwirtschaft im weiten Bereich zwischen Legalität und Korruption das schöne Wort "Gschmäckle". Für die CDU scheint dieses Gschmäckle inzwischen gewohnt genug, um nach kurzer Beratung alles beim Alten zu belassen, während die Ausschussmitglieder von Bürgerpartei, SPD und GALiN ihren Ohren nicht trauten. Jürgen Lange etwa hegte erregt Zweifel am "Entlastungszeugen", dem unabhängigen Wirtschaftsprüfer, der im übrigen seit neun Jahren für die Stadtwerke tätig sei. Er habe, so Lange, eine völlig andere Aufgabe, als das Rechnungsprüfungsamt. Seine Feststellung, die Wirtschaftlichkeit der Stadtwerke seien in Ordnung, würde keinesfalls die Frage klären, ob Gesetze eingehalten wurden. Und Anette Reinders von der Grün Alternativen Liste ergänzt: "Die Wirtschaftlichkeit der Stadtwerke rechtfertigt keine Rechtsverstöße." Zeitgleich mit dem Persilschein für Hallwachs hob der Hauptausschuß einen Beschluß vom 7. Dezember letzten Jahres auf, der damals mit anderen politischen Mehrheiten eine Reihe von Verstößen feststellte und Kontrollmaßnahmen festlegte. Genau diese Kontrollmaßnahmen sind jedoch nie angegangen worden, die Seilschaften scheinen stabil: "Bürgermeister Grote ist sieben Monate lang nicht tätig geworden", kritisiert etwa die Grünen-Stadtvertreterin Maren Plaschnick. Nur konsequent daher ein weiterer Beschluß der CDU: In Zukunft soll es nun dieserlei Kontrollen auch gar nicht mehr geben, sie seien zu teuer. Volker Hallwachs im Glück: Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Rathaus fest im Sattel sitzend, kann er freien Herzens zum Gegenangriff übergehen und beendet seinen Offenen Brief mit harten Vorwürfen: "Was ist mit Ihnen, Herr Hormann (Chefredakteur der "Norderstedter Zeitung", Anmerkung des Autors), Herr Lange, Frau Algier, Frau Reinders, Frau Plaschnick, wenn sich herausstellt, dass Sie vorverurteilt haben und an der Verbreitung von Un- bzw. Halbwahrheiten beteiligt waren - und damit Schuld tragen an dem den Stadtwerken zugefügten nicht wieder gutzumachenden Schaden?"

Veröffentlicht in Kommunalpolitik mit den Schlagworten Anette Reinders, CDU, GALiN, Norderstedt, SPD, Stadtwerke