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Dienstag, 2. Juni 2009, 2:00 Uhr

"... warne vor Schwarzmalerei und Panikmache"

Reimer Böge zu den Europawahlen

Info Archiv Norderstedt | Im Vorfeld der Europawahl am 7. Juni stellten wir CDU, SPD, FDP, LINKEN und GRÜNEN im Kreis Segeberg jeweils vier europapolitische Fragen. Davon sind jeweils zwei Fragen sehr kritisch gehalten, zwei weitere ermöglichen den PolitikerInnen, eigene Schwerpunkte zu setzen. Im folgenden die Antworten des Segeberger Europaparlamentariers Reimer Böge:

Info Archiv: Der bisherige Hamburger EU-Parlamentarier Dr. Georg Jarzembowski gilt als einer der "Architekten" des auch in Ihrer Partei umstrittenen Gesetzgebungspaketes "Port Package", und als Befürworter der Dienstleistungsrichtlinie in Urform. Beide europäischen Rechtsakte haben die weitgehende Entregulierung grenzüberschreitender Arbeit zum Ziel. Im Extremfall hätte es die Dienstleistungsrichtlinie beispielsweise ermöglicht, dass ein rumänisches Bauunternehmen für einen Auftrag in Hamburg die eigenen Handwerker mitnimmt, sie hier nach rumänischen Arbeitsbedingungen und Löhnen beschäftigt, und wegen einer Briefkastenniederlassung in Lettland die dort noch niedrigeren Steuern für die so erwirtschafteten Gewinne wählt. Ist das das Europa, das Reimer Böge den Menschen in Schleswig-Holstein näher bringen will?

Reimer Böge: Ich warne hier vor Schwarzmalerei und Panikmache und nehme die Gelegenheit zur Aufklärung gern wahr:

  • Das Europäische Parlament (EP) hat im November 2006 mit Unterstützung der drei größten Fraktionen (Europäische Volkspartei- und Europäische Demokraten, Sozialdemokraten und die Allianz der Liberalen und Demokraten) nach den Regeln des Mitentscheidungsverfahrens die Dienstleistungsrichtlinie in zweiter und letzter Lesung verabschiedet. Das EP hat maßgeblichen Anteil daran, dass der sehr umstrittene Vorschlag der EU-Kommission, die ursprüngliche Bolkestein-RL, in vielen wichtigen Punkten verändert und verbessert wurde. Rat und Kommission haben sich die Beschlüsse des Parlaments zu Eigen gemacht. Der verabschiedete Weg ist akzeptabel und Beweis für die politische Führungskraft des EP. Auf Veranlassung des EP konnten unklare Punkte wie z.B. die Neutralität der Richtlinie in Bezug auf das Arbeitsrecht, Sozialrecht und das Strafrecht geklärt werden. Mehr Rechtssicherheit wird so garantiert. Bei der beschlossenen Liberalisierung des Dienstleistungsmarktes handelt es sich um einen vernünftigen Kompromiss, der den notwendigen Schutzinteressen von Arbeitnehmern und Verbrauchern Rechnung trägt, jedoch auch europäischen Dienstleistern mehr Handlungsfähigkeit gibt. Von Sozialdumping kann bei der erreichten ausgewogenen Balance zwischen der Herstellung eines größeren Dienstleistungsmarktes und dem dazu notwendigen Abbau schikanöser und protektionistischer Barrieren einerseits und den berechtigten Schutzinteressen und nationalen Standards andererseits also nicht die Rede sein!
  • Etwa zwei Drittel der wirtschaftlichen Aktivitäten in der EU sind Dienstleistungen, jedoch nur 20% der grenzübergreifenden Wirtschaftskontakte kommen im Rahmen von Dienstleistungen zustande. Es wird erwartet, dass die Dienstleistungsrichtlinie die Erbringung grenzübergreifender Dienstleistungen enorm fördern wird und rund 600.000 neue Arbeitsplätze in Europa entstehen könnten.

Info Archiv: Ihr ehemaliger Fraktionsvorsitzender im Bundestag, Friedrich Merz, ist von einigen Medien mit dem Posten des deutschen EU-Kommissars in Verbindung gebracht worden. Merz hat erst kürzlich - mitten in der Finanzkrise - sein Buch mit dem Titel "Mehr Kapitalismus wagen" veröffentlicht. Darin vertritt er unter anderem die Ansicht, ausgerechnet Hedgefonds würden "durch ihre Aktivitäten falsche Preisbindungen am Markt" korrigieren und damit "zur Risikobegrenzung an den Finanzmärkten? beitragen. Außerdem leiste "der große Teil der deutschen Unternehmer und der angestellten Manager (...) hervorragende Arbeit". Wie werden die "Merzschen Thesen" an der CDU-Basis diskutiert? Ist Friedrich Merz als Wirtschaftslobbyist mit Sitz in Aufsichtsräten von mindestens fünf deutschen Großkonzernen und Mitinitiator des Arbeitgeber-Vereins "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" trotzdem oder gerade deshalb ein geeigneter Kandidat für die EU-Kommission?

Reimer Böge: Ich kenne Friedrich Merz durch eine jahrelange Zusammenarbeit im Europäischen Parlament sehr gut und kann daher seine Arbeit auch gut beurteilen. Er ist eine starke Persönlichkeit und wäre ohne Zweifel ein großer Gewinn für Europa. Wir brauchen in Europa die richtigen Rahmenbedingungen für Wachstum, Wohlstand und soziale Sicherheit. Diese Rahmenbedingen gewährleistet die Soziale Marktwirtschaft. Sie ist die effektivste und gerechteste Gesellschafts- und Wirtschaftsform. Dafür steht Friedrich Merz, der es unlängst ausdrücklich begrüßte, dass dieses Modell der Sozialen Marktwirtschaft auch im Vertrag von Lissabon seine Verankerung findet.

Info Archiv: Bitte vervollständigen Sie diesen Satz (möglichst kurz): Die Menschen in Segeberg und Hamburg sollen am 7. Juni CDU wählen, weil ...

Reimer Böge:... die CDU die deutsche Europapartei ist. Sie steht sowohl für kluge nationale und europäische Interessenwahrnehmung zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger als auch für Professionalität in europäischen Fragen.

Info Archiv: Was wollen Sie in den nächsten fünf Jahren im Europaparlament bewegen? Nennen Sie bitte ihre wichtigsten drei Themen und Ihre diesbezüglichen Ziele.

Reimer Böge: Meine Arbeit als CDU-Abgeordneter bedeutet für mich, an parlamentarischen Entscheidungen mitzuwirken und politische Entwicklungen in Europa für Schleswig-Holstein in eine erfolgreiche Richtung zu steuern. Meine Erfahrungen in den Ausschüssen für Haushalt, Außenhandel und Agrarpolitik möchte ich gerne weiter in die europäischen Gesetzgebungsprozesse einbringen. Für mich haben dabei insbesondere folgende Themen Priorität: Konsolidierungsphase im EU-Erweiterungsprozess; Verzahnung der inneren und äußeren Sicherheit; soziales und gerechtes Europa mit Wirtschaftswachstum und mehr Arbeitsplätzen; Stabilität des Euro und die Gewährleistung einer gerechten Finanzierung der EU; europäische Klima- und Energiepolitik; wettbewerbsfähige und nachhaltige Landwirtschaft und Fischerei, Bürokratieabbau und eine klare Abgrenzung der Kompetenzen zwischen der EU, den Mitgliedstaaten und Regionen.
Darüber hinaus werde ich in der neuen Legislaturperiode auch weiter konsequent die Interessen der Bürgerinnen und Bürger Schleswig-Holsteins in der Europäischen Union vertreten und die gute Zusammenarbeit mit unserer CDU- geführten Landesregierung fortsetzen.
Weiter werde ich mich im EP für die Durchsetzung des EU-Reformvertrages von Lissabon einsetzen. Gerade aufgrund der Globalisierung und der immer stärkeren internationalen Verflechtungen kommt es auch darauf an, dass Europa nach außen mit einer Stimme spricht. Durch den neuen Vertrag wird die EU demokratischer und handlungsfähiger. Wir haben nicht viel Zeit, Europa für die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Herausforderungen der Globalisierung fit zu machen. Die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise macht das überdeutlich. Entweder wir schaffen es, uns gemeinsam -auch im internationalen Handel- zu positionieren oder andere werden über unsere Anliegen über unsere Köpfe hinweg entscheiden. Dies darf im Interesse der rund 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger der 27 EU-Mitgliedstaaten und auch zukünftiger Generationen nicht geschehen.

Wir bedanken uns für die Antworten!

Daumen hoch! Reimer Böge hofft am 7. Juni auf ein starkes Ergebnis seiner Partei.

Veröffentlicht in Kommunalpolitik mit den Schlagworten Bundestag, CDU, FDP, Schleswig-Holstein, SPD