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Donnerstag, 14. Juni 2012, 11:09 Uhr

Entschuldigung von Geschäftsführer Knapp

Jobcenter: Hinterbliebene sollen umziehen

Olaf Harning | Schlimmer Schnitzer des Segeberger Jobcenters, aber auch eine angemessene Entschuldigung: Eine Sachbearbeiterin in Kaltenkirchen hatte den frühen Tod des arbeitslosen Familienvaters Peter P. zum Anlass genommen, die Witwe und ihre 5- und 7jährigen Kinder zum Umzug aufzufordern - noch vor der Beerdigung des Mannes. Grund: Sie seien ja nun eine Person weniger, die Miete daher nicht mehr angemessen.


 

So hart die Verfehlung, so vehement die Entschuldigung kurze Zeit später: Unmittelbar nachdem Jobcenter-Geschäftsführer Michael Knapp durch eine Presseerklärung des LINKEN-Politikers Hans-Werner Machemehl und eine entsprechende Nachfrage des Infoarchivs von dem Fall erfahren hatte, setzte er sich mit den Hinterbliebenen in Verbindung, überbrachte einen Blumenstrauß und entschuldigte sich in aller Form.

Hintergrund des Fauxpas ist die Tatsache, dass sich die laut Sozialgesetzbuch "angemessenen Unterkunftskosten" von Bedürftigen nach der Zahl der Personen in ihrer "Bedarfsgemeinschaft" berechnen. Zieht ein erwachsenes Kind oder auch einer der Partner aus oder wird ein neues Kind geboren, sinken bzw. steigen auch die gewährten Kosten der Unterkunft. Laut Jürgen Hoffmann, Leiter der Leistungsabteilung im Jobcenter Segeberg, gibt es aber für den Tod von LeistungsempfängerInnen keine spezielle Regelung - weder im Kreis noch im Bund. Soll heißen: Rein theoretisch sinkt mit dem Ableben automatisch und unmittelbar die Größe der Bedarfsgemeinschaft und ihr Anspruch auf die bisherigen Unterkunftskosten.

Im Normalfall jedoch hat sich in Segeberg für solche - ja eher seltenen - Fälle eine Art "dezentes Herantasten" an die Betroffenen etabliert: Man lässt die Hinterbliebenen erst einmal für sieben, acht Wochen in Ruhe und kommt dann vorsichtig über mögliche Änderungen ins Gespräch. Da die Situation für Betroffene aber auch dann noch eine erhebliche Härte darstellt, wollen Hoffmann und Knapp jetzt mit dem Kreis über eine dauerhafte, humane Regelung bei Todesfällen von LeistungsbezieherInnen sprechen. Das scheint nach dem aktuellen Ausrutscher ebenso angebracht, wie die Bitte an die SachbearbeiterInnen des Jobcenters, vor Verschicken ihrer meist äußerst "nachdrücklichen" Anschreiben generell eine Minute über den Einzelfall nachzudenken.

Ganz erspart bleibt der Familie P. der Umzug übrigens nicht. Zwar wird den Hinterbliebenen jetzt erst einmal Zeit gegeben, den Verlust zu realisieren, "irgendwann aber" - sagt Jürgen Hoffmann gegenüber dem Infoarchiv - "müssen wir da ran". So will es das Gesetz.