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Dienstag, 6. November 2012, 22:39 Uhr

Heftiger Streit um Jugendamt-Gutachten

Hartwieg unter Druck

Infoarchiv Norderstedt | Im Streit über das Segeberger Kreisjugendamt und den Fall eines im Juni verwahrlost aufgefundenen Jungen, sind erste Rücktrittsforderungen gegen Landrätin Jutta Hartwieg (SPD) laut geworden. Dabei sind inzwischen mehr Fehlinformationen als Fakten in Umlauf.

Portrait der Landrätin Jutta Hartwieg

Jutta Hartwieg (Foto: Kreis Segeberg)

So empören sich dieser Tage KommunalpolitikerInnen von CDUFDP und Grüne darüber, dass ihnen ein Gutachten über den Fall der insgesamt achtköpfigen Familie aus Bad Segeberg nur mit zahlreichen geschwärzten Passagen zur Verfügung gestellt wurde. Während die Landtagsabgeordnete Katja Rathje-Hoffmann (CDU) dies sogar als "Zensur" wertet, will der Hauptausschuss-Vorsitzende Henning Wulf (ebenfalls CDU) durch den Vorgang den letzten Rest Vertrauen in die Landrätin verloren haben. Auch Grünen-Politiker Jürgen Kaldewey ist über die Situation not amused und fordert "personelle Konsequenzen" beim Jugendamt. Nach Rücksprache mit dem Landesdatenschutzbeauftragten will Hartwieg das vollständige Papier nun auch den Mitgliedern des Hauptausschusses übergeben.

Tatsächlich war das Gutachten kürzlich ungeschwärzt sämtlichen Mitgliedern des fachlich zuständigen Jugendhilfeausschusses zur Verfügung gestellt worden. Insgesamt 47 Angehörige von Parteien und sozialen Trägern sollen das Papier vollständig erhalten haben - mit dem allerdings putzigen Hinweis, nicht mit (Partei-)KollegInnen über die bei ihnen geschwärzten Stellen zu sprechen. Ungeschickt vielleicht - von "Zensur" allerdings keine Spur. Umso skandalöser ist es in den Augen der Landrätin, dass das Gutachten vor wenigen Tagen vollständig an die Presse weitergeleitet wurde, die sich nun teils begierig auf intime Details einer gescheiterten Familie stürzt. In einer persönlichen Presseerklärung weist Hartwieg den Vorwurf entschieden zurück, Informationen aus taktischen Gründen zurückzuhalten. Vielmehr sei es die Pflicht der Verwaltung, gesetzliche Vorgaben zum Daten- und Persönlichkeitsschutz zu beachten: "Wir müssen Menschen schützen, denen wir helfen wollen (...). Ausfluss aller demokratischen Prinzipien ist es, die Würde des Menschen zu respektieren und zu schützen."

In dem Gutachten finden sich offenbar Hinweise darauf, dass die betreffende Familie bereits frühzeitig wegen Gewalttaten gegen die Kinder aktenkundig geworden ist. Die Kritiker der Landrätin folgern daraus, das Jugendamt habe die zuletzt in der Familie verbliebenden drei Kinder nicht rechtzeitig in seine Obhut genommen. Dabei übersehen sie allerdings mehr oder weniger bewusst, dass das Elternpaar juristisch gegen den Sorgerechtsentzug vorgegangen ist und das Oberverwaltungsgericht (OVG) den zuvor vom Amtsgericht beschlossenen Entzug in Teilen aufgehoben hatte. Genau jenes Gericht übrigens, das sich kürzlich per Pressemitteilung in den Fall einmischte und kaum verhüllt Vorwürfe gegen das Kreisjugendamt erhob.

Derweil sehen SPD und DIE LINKE in der Auseinandersetzung eher eine "Schmierenkomödie" mit dem eigentlichen Ziel, die Landrätin zu beschädigen oder gar zum Rücktritt zu treiben. So hat die CDU laut LINKEN-Fraktionschef Heinz-Michael Kittler noch anlässlich der letzten Haushaltsberatungen zusätzliche Stellen im Jugendamt abgelehnt, obwohl die Behörde ihren Aufgaben mit dem vorhandenen Personal kaum mehr gerecht werden konnte. Ein Zitat aus den damaligen Ausschussunterlagen: "Angesichts dramatischer Fallzahlsteigerungen in den letzten Jahren kann Hilfeplanung jedoch teils nicht mehr mit der erforderlichen Qualität betrieben werden. Vergleichbares gilt bereits für die Bedarfsfeststellung und für das Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte des Fachdienstes, die im Hinblick auf die Hilfeentscheidung die Bedarfsfeststellung zu bewerten haben." Einige Monate später befreite die Polizei eines der drei noch bei der Familie verbliebenen Kinder aus einem verwahrlosten Kellerverschlag.

Die Kreispolitik debattiert also so etwas, wie die "Chronik eines angekündigten Scheiterns" - und möglicherweise kocht so mancher sein ganz persönliches Süppchen über dem täglichen Elend, mit dem die MitarbeiterInnen des Jugendamts konfrontiert sind.