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Freitag, 17. Februar 2012, 12:16 Uhr

... oder doch nicht?

HSV Ochsenzoll aufgelöst ...

Foto von der Geschäftsstelle des HSV Ochsenzoll-Norderstedt e.V.

Namen sind Schall und Rauch: Die Geschäftsstelle des HSV Ochsenzoll-Norderstedt (Foto: Infoarchiv)

Infoarchiv Norderstedt | Aufbruchstimmung, Trauer und auch ein wenig Ärger schwangen mit, als sich am 6. Februar rund 230 HSV-Mitglieder in der Sportalle auf dem Vereinsgelände an der Ulzburger Straße mehrheitlich für die Auflösung des traditionsreichen HSV Ochsenzoll-Norderstedt e.V. aussprachen. Der Trägerverein für die Paul-Hauenschildt-Sportplätze wurde schon 1928 gegründet - unter anderem von Paul Hauenschild persönlich und damals noch als Sportplatz-Verein Ochsenzoll.

Foto vom Eingang zum HSV-Trainingsgelände

Eingang zu den Paul-Hauenschild-Plätzen, dahinter das HSV-Internat (Foto: Infoarchiv)

Hintergrund der Auflösung und Übertragung der Liegenschaften an den Hamburger Sport-Verein ist der Wegfall der Gemeinnützigkeit für das in der Tat bemerkenswerte Vereinskonstrukt, das zuletzt hinter der Sportanlage stand: Schon seit den 60er Jahren nämlich erwirbt man mit dem Beitritt zum HSV e.V., also zum Hauptverein, auch automatisch die Mitgliedschaft beim HSV Ochsenzoll. Daher vergibt der rein rechtlich dennoch eigenständige Verein seine Anlage ausschließlich an den HSV, der wiederum die Unterhaltskosten des Geländes trägt. Bis 2009 machte das zuständige Finanzamt diese Regelungen mit, dann aber erklärte es, dass der HSV Ochsenzoll-Norderstedt e.V. rückwirkend zum 1. Juli 2005 nicht mehr als gemeinnützig angesehen werden könne. Die Folge dieser offenbar korrekten Entscheidung: Der Verein ist seitdem unbeschränkt gewerbe- und körperschaftssteuerpflichtig und muss eine Anfangsbilanz erstellen, selbst der Nutzungsvertrag zwischen HSV Ochsenzoll und dem Hauptverein ist nun umsatzsteuerpflichtig.

Auszug aus der aktuellen HSV-Vereinszeitung

Auch in der Vereinszeitung des HSV nimmt das Thema breiten Raum ein ... (Foto: Infoarchiv)

Kein Wunder also, dass der Fußball-Bundesligist Handlungsbedarf sah und den Ableger in den letzten Monaten zur Auflösung drängte. Scheiterte dieser Schritt im Dezember noch an der kurioserweise notwendigen Anwesenheit zweier Drittel aller Mitglieder - was zur Zeit über 50.000 Menschen entspräche - war am 6. Februar nur noch eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder erforderlich. Doch auch diese Hürde erwies sich als echte Herausforderung: Im ersten und eigentlich einzigen Wahlgang wurde die Zwei-Drittel-Mehrheit um sieben Stimmen verpasst. Nur weil man nun angeblich einen "Formfehler" fand, konnte die Abstimmung wiederholt- und am Ende doch noch zum "Erfolg" geführt werden: Der HSV Ochsenzoll-Norderstedt e.V. ist Geschichte, 163 der nun nur noch 215 Anwesenden stimmte für die Auflösung und die Übertragung seiner Mittel an den HSV. Oder doch nicht? Holger Criwitz, letzter Vorsitzender des Vereins, kündigte noch am Abend der Abstimmung an, das Zustandekommen des zweiten Wahlganges "juristisch überprüfen zu lassen." Zusammen mit seinen Vorstandskollegen Willi Fischer und Frank Schaube hatte Criwitz während der Mitgliederversammlung noch einmal versucht, gemeinnützige Vereinsmodelle vorzustellen, fand bei den Mitgliedern aber wenig Gehör.

Der Sportplatz-Verein Ochsenzoll wurde am 16. März 1928 von Henry Barrelet, Paul Hauenschild, Emil Martens, Ernst Moss, Henry Krüger, Willo Meyering, Hans Schuhmacher und Dr. Walter Tachau gegründet und ließ 1929/30 ein angekauftes 130.000-Quadratmeter-Gelände und den ebenfalls erworbenen Lindenhof zu Rasensportplätzen umbauen. Die Arbeiten an den 9 Fußball- und 3 Hockeyfeldern wurden überwiegend in Eigenarbeit von HSV-Mitgliedern ausgeführt und 1931 fertiggestellt. Nachdem das Gelände während des Zweiten Weltkrieges von der Post beschlagnahmt und unter anderem zur Unterbringung von Zwangsarbeiten genutzt wurde, folgte nach 1945 die zweite Blüte der Anlage. Die Sportplätze wurden wiederhergestellt, ein modernes Umkleidehaus mit Kabinen und Duschen sowie eine Sporthalle gebaut und neben der ersten Herrenmannschaft rückte die Ausbildung von Nachwuchsspielern immer mehr in den Mittelpunkt der Bemühungen. Bereits 1967 führte dies zum Bau einer Sportschule sowie des HSV-Leistungszentrums mit Hörsälen, Freizeiträumen und Massageeinrichtungen, heute steht hier das HSV-Internat. Aber auch die Profis waren bis vor wenigen Jahren am Ochsenzoll zu Hause und erreichten von hier aus unter anderem das "Wunder von Ochsenzoll": Elf Hamburger standen 1960 in der Meister-Mannschaft des Hamburger Sport-Vereins, davon kamen acht aus der eigenen Jugend und vier spielten sogar seit 1947 zusammen in einem Team. Bleibt abzuwarten, ob die Auflösung des HSV Ochsenzoll-Norderstedt e.V. nur ein steuerrechtlich notwendiger, formeller Akt war, oder auch ein Eingriff in die ruhmreiche Tradition des Trainingsgeländes.

Mehr Informationen über die Paul-Hauenschild-Plätze gibt es bei den HSV-Supporters.