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Donnerstag, 22. März 2007, 1:00 Uhr

Alle Räder standen still

Interview mit Heiner Erling (TRANSNET) zum geplanten Verkauf der AKN

Info Archiv Norderstedt | Am 10. September 2006 war Heiner Erling, zuständiger Sekretär der Eisenbahner-Gewerkschaft TRANSNET, in Norderstedt zu Gast, als verschiedene sozialpolitische Gruppen im Rahmen des Alternativen Kinos den britischen Film The Navigators im Spectrum-Kino zeigten. Darin geht es um die katastrophalen Folgen der Privatisierung von "British Rail" in den 80er Jahren in England. Jetzt könnte eine ähnliche Situation hierzulande eintreten: Während der Bund die Bahn AG verkaufen will, haben Schleswig-Holstein und Hamburg Interesse an der Veräußerung der erfolgreichen AKN-Eisenbahn AG. Wir sprachen mit Heiner Erling über die Bestrebungen der Länder, die Befürchtungen der AKN-Eisenbahner und den Verlauf der gestrigen Betriebsversammlung im "Casino" der AKN Kaltenkirchen.

Info Archiv: Bei der AKN brennt der Baum, wie ist der Stand?

Heiner Erling: Es gibt seit längerer Zeit Diskussionen in Schleswig-Holstein, ob Anteile verkauft werden sollen. Schon Heide Simonis ließ dazu ein Gutachten erstellen, das seinerzeit aussagte: Grundsätzlich ja! Jetzt ist Hamburg auf die Idee gekommen, seine Anteile an die Hochbahn abzugeben, damit haben wir jetzt zwei Anteile, die auf dem Markt sind. Und da schreit die Hochbahn: Hier, wir wollen die Anteile haben.
Gerade bei der Hochbahn stellt sich uns allerdings die Frage, ob es nicht eher die BeNEX ist, die Interesse an einer Übernahme hat. BeNEX ist Tochter der Hochbahn und hält bereits Beteiligungen an verschiedenen anderen Bahnlinien, die AKN würde da hervorragend ins Bild passen. Der Hit daran ist, dass die BeNEX nur 51% Beteiligung der Hochbahn haben wird, und da gibt es dann weltweit Interesse an den übrigen 49%. Diese privaten Interessenten hätten dann natürlich das Ziel, mit der AKN richtig Geld zu verdienen. Da sagen wir: Die AKN ist - so wie sie heute dasteht - eine Erfolgsgeschichte, die auch zuletzt wieder unglaublich viel Geld in Bahnhöfe und Streckennetz gesteckt hat.

Info Archiv: Erfolgsgeschichte? Die Norderstedter Zeitung berichtet von hohen Verlusten der AKN?

Heiner Erling: Wie schon gesagt: Die AKN hat erst kürzlich massiv ins Streckennetz investiert, es ausgebaut. Da gibt es eigentlich 75% Zuschüsse vom Land. Von den 15-18 Millionen Euro Defizit der AKN sind alleine 13 Millionen Euro Zinsen für Investitionen in das Streckennetz, die eigentlich das Land tragen müsste. Da findet eine Umwälzung von Verbindlichkeiten des Landes auf die AKN statt. Höchstens 5 Millionen beträgt der eigene Verlust - ein Wert, der gemessen an anderen Eisenbahn-Gesellschaften niedrig ausfällt.

Info Archiv Derzeit kann keine Bahnlinie ohne Zuschüsse auskommen?

Heiner Erling: So ist das.

Info Archiv: Was ist nun gestern passiert, warum fuhr die AKN nicht?

Heiner Erling: Damit alle die Möglichkeit hatten, an der gestrigen Betriebsversammlung teilzunehmen, wurde erstmals in dieser Form der Betrieb der AKN eingestellt. Da hat die Betriebsleitung schließlich nachgegeben. Während die verantwortliche Politik der Versammlung ferngeblieben ist, war der Aufsichtsratsvorsitzende Knut Riedel vor Ort und hat deutlich gemacht, dass es zwar einen entsprechenden Prüfauftrag gibt, dass aber noch keine Entscheidung gefallen ist. Merkwürdig ist aber folgender Vorgang: Ausgerechnet die Hochbahn ist mit einem weiteren Gutachten betraut worden, obwohl die Hochbahn selber Kaufinteresse hat ... das ist schon sehr seltsam.

Info Archiv: Wieviele Beschäftigte haben sich an der Betriebsversammlung beteiligt?

Heiner Erling: 300 Beschäftigte waren da. Die Stimmung war aufgeregt, aber diszipliniert. Knut Riedel hat sehr deutlich gesagt, dass er keinerlei Entscheidung zustimmen wird, die einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen bedeutet.

Info Archiv: Ist das zu glauben?

Heiner Erling: Wir haben ihn darauf festgelegt. Wenn ein Vertreter des Landes das auf einer großen Versammlung sagt, dann haben wir schon ein gewisses Vertrauen. Unser Ziel ist jetzt, die AKN auch bei einem Verkauf so zu erhalten, wie sie ist. Wirtschaftsminister Austermann hat übrigens dem BR-Vorsitzenden Thomas Bartossek gesagt, es sei doch etwas völlig normales, dass ein Aktienpaket verkauft wird.

Info Archiv: Ist denn damit zu rechnen, dass das Land Schleswig-Holstein nach einem Verkauf der AKN finanziell besser fährt?

Heiner Erling: Ein "neues" Unternehmen müsste vom Land mit einem Verkehrsvertrag ausgestattet werden, in dem auch die öffentlichen Zuschüsse geregelt werden. Außerdem müssten ohnehin die Zinsen - etwa für die jüngsten Investitionen - getragen werden, auch alte Pensionslasten würden weiter vom Land gezahlt. Der Verkauf wäre also letztlich allenfalls ein Nullsummenspiel, das Vermögen aber ist dann weg, das Land kann kaum mehr Einfluss auf die Verkehrspolitik der AKN nehmen. Man muss beachten, dass die AKN heute der größte Eigenbetrieb des Landes ist.

Info Archiv: Wie geht es bei Betriebsrat und Gewerkschaft TRANSNET weiter?

Heiner Erling: Wir werden politische Gespräche führen u.a. auch mit dem Hamburger Stadtentwicklungssenator Axel Gedaschko. Wir wollen wissen, welche Intentionen die Hochbahn hat. Es gibt jede Menge Gerüchte darüber, wer sich bei der Hochbahn-Tochter BeNEX beteiligen will. Laut Knut Riedel soll das aktuelle Prüfungsverfahren bis zum Sommer abgeschlossen sein, danach geht es in die Phase der politischen Beschlussfassungen. Uns ist klar, dass sich ein Verkauf letztlich nicht verhindern lässt, nur selbstbewusst begleiten. Neben dem drohenden Verkauf stellt sich zur Zeit das Problem, dass der AKN-Vorstand die laufenden Tarifverhandlungen in Frage stellt ... nach dem Motto: Unter diesen Umständen können wir keine Tariferhöhungen beschließen. Angesichts der Verkaufsabsichten fordern wir in den Verhandlungen natürlich auch eine umfassende Beschäftigungs- sicherungsklausel.

Info Archiv: Wie hoch ist der Organisationsgrad bei der AKN und wie läuft die Zusammenarbeit mit der ebenfalls im Betrieb aktiven Gewerkschaft der Lokomotivführer (GdL)?

Heiner Erling: Wir haben einen TRANSNET-Organisationsgrad von etwa 50% bei der AKN. Mit der GdL arbeiten wir in dieser Sache eng zusammen.

Info Archiv: Gibt es eine Art Terminplan für die nächsten Schritte?

Heiner Erling: Herr Riedel sagt, dass das Prüfungsverfahren bis zum Sommer abgeschlossen ist, dann geht es in die Phase der politischen Beschlussfassungen. Man muss dabei beachten, dass Hamburg und Schleswig-Holstein ihre AKN-Anteile nur gemeinsam verkaufen können. Weitere Aktionen sind noch nicht geplant, die Stimmung ist gestern tatsächlich etwas beschwichtigt worden.

Info Archiv: Herr Erling, wir bedanken uns für dieses Interview!

Das Interview führte Olaf Harning.

Heiner Erling am Apparat

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