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Sonntag, 29. Mai 2005, 2:00 Uhr

Besime Özdemir in der Türkei verhört

Abschiebeflug: "Eine Frau wurde liegend transportiert ..."

Von Olaf Harning | Nach dem Überfall auf die kurdische Familie Özdemir durch Ausländerbehörde und Polizei ist Besime Özdemir - Mutter der Familie - mit ihren drei kleinen Kindern direkt vom Flughafen Düsseldorf nach Istanbul abgeschoben worden. Dort wurde sie dann erst einmal 9 Stunden verhört ...

Erst um zwei Uhr morgens sind die Deportierten von den türkischen Behörden (zunächst) freigelassen worden, Frau Özdemir ist nun völlig mittellos und zunächst bei Familienangehörigen untergekommen. Nach - allerdings veralteten - Informationen des Info Archivs ist der 16jährige Sohn der Özdemirs nach der nächtlichen Abholung der Familie weiter untergetaucht, sein Vater sitzt in Rendsburger Abschiebehaft. Am frühen Mittwochmorgen weckte ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde in Begleitung diverser PolizistInnen die Familie und teilte ihr die sofortige Abschiebung mit. Zuvor hatte dieselbe Behörde der Anwältin der Özdemirs erklärt, es sei keine Abschiebung geplant. Während der Vater darauf hin verzweifelt zu einem Messer griff und sich verbarrikadierte, wurde die mittlerweile zusammengebrochene Mutter in ein Auto geschleppt und gemeinsam mit ihren Kleinkindern zum Flughafen Düsseldorf gefahren. Mit ihnen sind dann 15 weitere Familien aus dem Bundesgebiet und einige Alleinstehende deportiert worden, darunter eine Frau, die liegend transportiert wurde, weil sie eigentlich am selben Tag operiert werden sollte.

Frau Özdemir selber ist während ihrer Abschiebung von mindestens einem Amtsarzt sediert, also mit Medikamenten ruhiggestellt worden, obwohl dieBundesärztekammer erst Anfang Mai bekräftigt hatte, dass ÄrztInnen sich nicht an Abschiebungen kranker Menschen beteiligen dürfen. Die Familie war 1999 nach Deutschland gekommen, nachdem sie von türkischen "Sicherheitskräften" unter Druck gesetzt, bedroht, geschlagen und misshandelt wurde. In der Folgezeit erlitt Besime Özdemir mehrere Krankenhausaufenthalte wegen Panikattacken, Krampf- und Ohnmachtsanfällen, auf deren Auftreten sie keinen Einfluss hat, die aber naturgemäß in Stresssituationen auftreten. Mehrmals wurden diese Anfälle durch das intensive Bemühen der Ausländerbehörde, Frau Özdemir zur Konsulatsvorführung zwecks Passbeschaffung zu bewegen, ausgelöst. In einem Fall brach sie bereits auf dem Weg zum Landesamt in Neumünster zusammen und musste für mehrere Tage ins Krankenhaus eingewiesen werden.

Im März letzten Jahres wurde der 40jährigen, viermaligen Mutter bescheinigt, dass "aus amtsärztlich-psychiatrischer Sicht nicht mehr von Flugreisetauglichkeit ausgegangen werden kann.Ambulante Psychotherapie. Psychopharmakotherapie und möglicherweise gelegentliche stationäre Aufenthalte, um ein Flugreisetauglichkeit ggf. wieder herzustellen, wird einen Zeitraum von 2-3 Jahren benötigen." Ungeachtet dessen wurde Frau Özdemir weiterhin zur Vorbereitung der Abschiebung aufgefordert, beim türkischen Konsulat vorzusprechen. Um ihre Mitwirkungspflicht zu erfüllen, ist die Familie trotz ihrer Angst vor dem türkischen Behörden im April diesen Jahres der Aufforderung nachgekommen und ließ sich dem türkischen Generalkonsulat vorführen - mit ärztlicher Begleitung und Behandlung, da es Frau Özdemir auch dieses Mal sehr schlecht ging. In der Zwischenzeit wurde ein ärztliches Gutachten erstellt (liegt dem Flüchtlingsrat vor), aus dem eindeutig hervorgeht, das Frau Özdemir dringend eine Therapie benötigt. Die Kostenübernahme wurde vom Sozialamt Norderstedt bereits bewilligt.

Die Kinder der Familie gingen bis auf die jüngste Tochter zur Schule, sind dort erfolgreich und gut integriert. Der älteste Sohn hätte im nächsten Jahr seinen Hauptschulabschluss gemacht.

Veröffentlicht in Flucht und Migration mit den Schlagworten Abschiebung, Ausländerbehörde, Norderstedt, Polizei