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Sonntag, 30. Oktober 2005, 2:00 Uhr

Clement und die "Parasiten"

IG BAU Hamburg-Nord kritisiert "NS-Jargon" des Wirtschaftsministers

Info Archiv Norderstedt | In der 32seitigen Broschüre "Vorrang für die Anständigen - Gegen Missbrauch, "Abzocke" und Selbstbedienung im Sozialstaat" listete Clements Ministerium bereits Ende August reihenweise "Einzelfälle" auf, die LeserInnen den Eindruck vermitteln sollen, dass vor allem massenhafter Missbrauch zu einer Kostenexplosion bei den sogenannten "Leistungszentren" geführt hätte und nicht - wie tatsächlich der Fall - ein handwerklich extrem schwaches Gesetz, das von Beginn an auf der Grundlage falscher Zahlen konzipiert worden ist. Während einige dieser angeblichen "Missbrauchs-Fälle" sogar von der aktuellen Rechtsprechung legitimiert werden, stellen andere absolute Einzelfälle dar. Doch von der zweifelhaften Glaubwürdigkeit der Broschüre einmal abgesehen, ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit sowie der scheidende Wirtschaftsminister höchstselbst die ersten bürgerlichen Institutionen nach 1945, die für eine Personengruppe den Begriff "Parasiten" einführen.
Vor allem diesen Umstand griff jetzt der IG BAU-Ortsverband Hamburg-Nord auf, der neben den nördlichen Hamburger Stadtteilen auch das Stadtgebiet Norderstedts betreut. In scharfem Ton kritisierten die fünf Vorstandsmitglieder der örtlichen Basis den "Nazi-Jargon" von Clement und forderten die SPD in Norderstedt, sowie die sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten Christian Carstensen und Franz Thönnes direkt auf, sich von ihrem Parteikollegen zu distanzieren, ihn "politisch zu isolieren":
"Wolfgang Clement hat mit seiner Erklärung die Plattform demokratischer Politik verlassen und nationalsozialistisches Vokabular in die Debatte eingeführt." Im Hinblick auf die anhaltende Massenarbeitslosigkeit nennt die IG BAU den früheren Nordrhein-Westfälischen Ministerpräsidenten "so etwas wie Robin Hood - nur umgekehrt". Clement nehme von den Armen und gebe den Reichen. Anschließend würde er die Armen beschimpfen und ihnen "Missbrauch" vorwerfen. Dahinter vermuten die GewerkschafterInnen kühle Taktik: "Die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung und ihres Ministers Clement ist in jeder Hinsicht gescheitert. Doch statt Irrtümer zu korrigieren und Fehler einzugestehen, greift Clement nun auf die wohl älteste Methode zurück, um den eigenen Ruf zu retten: Er sucht sich die Schwächsten und macht sie zu Sündenböcken."
Abschließend weist die IG BAU die Begrifflichkeit des "Parasiten" nachdrücklich zurück und stellt dagegen Clement selbst in den Ruf, unberechtigte Gelder zu beziehen: Wer derart am Arbeitsmarkt "versagt" hätte, gleichzeitig aber alleine 2.000 Euro Pension für drei Jahre als Bundesminister beziehe, so die Gewerkschaft, könne kaum andere des Missbrauchs bezichtigen. Eine Reaktion der örtlichen SPD liegt der IG BAU bislang nicht vor. Dafür wurde Wolfgang Clement inzwischen von Arbeitsloseninitiativen und der Linkspartei der Volksverhetzung bezichtigt und angezeigt.

Veröffentlicht in Soziales mit den Schlagworten Bundestag, Hamburg-Nord, IG BAU, Norderstedt, SPD