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Samstag, 17. April 2004, 2:00 Uhr

Die Fahrscheine bitte - oder auch nicht

Großkontrolle in Garstedt - immerhin 12 % ohne überteuertes HVV-Ticket

Olaf Harning | Man kennt die unangenehme Situation mittlerweile: Kaum aus der U-Bahn ausgestiegen, erblickt man eine Kette Uniformierter, die niemanden unkontrolliert aus dem Bahnhof lassen. Einmal davon abgesehen, dass dieses razzienähnliche Vorgehen des HVV auf viele Fahrgäste erschreckend wirkt und nicht selten Ablehnung hervorruft, wird man hierdurch unausweichlich genötigt, den eigenen Fahrschein vorzuzeigen.
Jede(r) Achte konnte dies vergangene Woche im Norderstedter Bahnhof Garstedt indes nicht, zwölf Prozent aller kontrollierten Fahrgäste hatten zuvor auf die hoffnungslos überteuerten Fahrscheine verzichtet und die günstigere Variante gewählt. 40 Euro sollen die Betroffenen nun an den HVV zahlen, manche der fast 150 "SchwarzfahrerInnen" dürften nun gar juristische Probleme bekommen: Diejenigen, die bereits zum dritten Mal ohne Ticket erwischt wurden, werden von den Hamburger Verkehrs-Betrieben ohne Sinn und Verstand angezeigt, somit den Gerichten ausgeliefert. Das ganze bei inzwischen 4,45 Euro für eine einzige Tageskarte und 2,30 Euro für eine durchschnittliche Strecke ohne Richtungswechsel.
In ganz Deutschland werden pro Jahr gar 150.000 SchwarzfahrerInnen von den jeweiligen Verkehrsbetrieben angezeigt, auch für die Kriminalstatistiken ist diese Form der "Kriminalität" ein Segen: Jeder Schwarzfahrer ist ein "gelöster Kriminalfall". So erklärt sich unter anderem, dass die Zahl der Straftaten in Hamburg zwar zunahm, die sogenannte Aufklärungsquote jedoch auf 43,7 % anstieg. Im gesamten Bereich des HVV wurde 2003 eine gegenüber dem Vorjahr um 30,1 % höhere Zahl an SchwarzfahrerInnen registriert - freilich klare Folge der wirtschaftlichen Not der Menschen. 12 691 Anzeigen wegen "Leistungserschleichung" brachte der HVV im vergangenen Jahr zur Anzeige, mehr als 110.000 Menschen wurden mit 40 Euro zur Kasse gebeten.
Einige der erwischten "ErschleicherInnen" können sich jedoch immer wieder elegant aus der Affäre ziehen: So ist es natürlich durchaus möglich, keinen Ausweis bei sich zu tragen und für den Ernstfall falsche Daten auswendig zu lernen. Dabei sollten zumindest die jeweiligen Adressen tatsächlich existieren. Nachteil bei dieser Methode: Wird man erwischt, droht neben der Leistungserschleichung eine Anzeige wegen Betrugs. Um diese Gefahr zu minimieren, sollen einige Betroffene selbsterstellte Dokumente bei sich führen, die auf die falschen Daten ausgestellt sind. Darüber hinaus spricht sich natürlich schnell herum, wenn ein Automat defekt ist. Unter Berufung auf diesen Automaten dürfen dann die hier abfahrenden Verkehrsmittel auch ohne Fahrschein genutzt werden. FahrscheininhaberInnen wiederum können einiges tun, um fahrscheinlose MitbürgerInnen vor den Kontrolleuren zu schützen. Vor allem ist hierbei das Zeitschinden zu nennen. Wer sagt denn, dass man nicht auch mal 5 Minuten brauchen kann, um den eigenen Fahrschein zu finden ? In diesem Zeitraum steht der jeweilige Kontrollbeamte nicht zur Verfügung, um SchwarzfahrerInnen auszumachen. Wird jemand doch erwischt, empfiehlt es sich, umfassende Diskussionen zum Thema loszutreten. Weitere Informationen unter www.nulltarif.tk.
Wer sich für den Fall der Fälle nachhaltig rüsten will, kann auch ein ganzes Buch zum Thema lesen. Unter www.schwarzfahren.de wird unter anderem das Buch "Schwarzfahren" von Gerald Hubmayr angeboten. Einige Stichworte aus seinem Inhalt: Kontrollgang, Zahl der Organe und Einsatzzeiten, Werdegang der Kontrollors, Brauchtum; ein Sittengemälde des Kontrolltums, Vorgehen nach dem Ertapptwerden, Schwarzfahrer im Gruppenverband, Ertappungshäufigkeit, Wechselbeziehung zwischen Schwarzfahrer und Transportgesellschaft, Zivilkontrollor und äußeres Erscheinungsbild, Ausweisfälschung, Klebebandtechnik, Waschmaschinenbleichverfahren, Das Er-kommt-ich-bleibe-Experiment, Verweilen in Automatennähe, Wechselunvermögen, Tanz-auf dem-Vulkan-Methode, Pseudonyme und Scheinadressen, Geburtstags- und Nikolausamnestie, Kampf- und Bittschriften, Brieftechnik, Operation Muskelspiel, Schwarzfahrerversicherungen, Großaktionen und Gegenstrategie.

Lesen, lesen, lesen. Dann klappt´s auch mit dem Kontrolleur !

Veröffentlicht in Soziales mit den Schlagworten Norderstedt