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Montag, 5. Mai 2008, 2:00 Uhr
Die Forderung nach einer "Schule für Alle"
Wege aus der bildungspolitischen Sackgasse
Von Edda Lechner | Wo liegen die inhaltlichen und organisatorischen Unterschiede der beiden Schularten und welche Auswirkungen haben sie auf zukünftige Bildungschancen? Die Norderstedter Kinder- und Jugendbeiräte haben bereits im vergangenen Jahr die Kernpunkte des neuen Schulgesetzes analysiert. Das stellen wir im Folgenden in verkürzter Form dar.
Die Regionalschule:
Sie vereint die bisherigen Haupt- und Realschulen mit dem Ziel, allgemeines und berufsorientiertes Wissen weiterzugeben. Die Regionalschule beginnt mit einer einheitlichen Orientierungsstufe, in der SchülerInnen gemeinsam in den Klassen unterrichtet werden. Mit jeder Zeugnisvergabe wird der Leistungsstand einer/s jeden festgestellt. Danach wird entschieden, welcher Abschluss angestrebt und praktisch, in welcher Klasse das Kind zukünftig unterrichtet wird. Ab der siebten Klasse wird zumindest in den Hauptfächern getrennt unterrichtet. Die Regionalschule schließt nach der neunten Klasse mit einem Hauptschulabschluss oder nach der zehnten Klasse mit dem mittleren Schulabschluss ab. In beiden Fällen ist eine Prüfung zu bestehen.
Bedeutende Neuerung dieser Zwitter-Schule gegenüber der bisherigen Haupt- und Realschule ist, dass eine Entscheidung über den angestrebten Schulabschluss nicht mehr nach der vierten Klasse getroffen werden muss, sondern frühestens ab der sechsten, aber auch im späteren Verlauf noch geändert werden kann. Außerdem ist es möglich, mit einem guten Hauptschulabschluss ein weiteres Jahr zur Schule zu gehen und den mittleren Schulabschluss durch ein zehntes Schuljahr nachzuholen. Ein Sitzenbleiben ist prinzipiell nicht mehr möglich. Die SchülerInnen können also darauf hoffen, dass sie durch eine flexible Übergangsphase jederzeit mit verbesserten Leistungen den Klassenzug ?nach oben? wechseln können, müssen aber auch damit rechnen, dass dieser Wechsel bei mangelnden Leistungen ?Nach unten? umgekehrt geschieht.
Die Gemeinschaftsschule:
Die daneben vorgesehen Gemeinschaftsschulen entsprechen in weiten Teilen einer heutigen Gesamtschule. An ihr werden im Unterschied zur Regionalschule die Schüler aller drei Bildungsgänge beschult. Auch hier sind die Übergänge von einem ins andere Schulsystem fließend. Im Vordergrund soll bei dieser Schulart die individuelle Förderung stehen, dafür sollen besondere Förderprogramme eingerichtet werden. Erst nach einem qualifizierten Realschulabschluss sind die Schüler dieser Schulart berechtigt, die gymnasiale Oberstufe zu besuchen, die sich aber örtlich an derselben Schule befindet. Das Abitur erlangt man mit einer zentralen Prüfung nach Abschluss des dreizehnten Schuljahrs (drei Jahre nach Realschulabschluss).
Das Gymnasium:
Die (bisherigen) Gymnasien bleiben als besondere Schulart bestehen. Um sie zu besuchen, benötigt man eine gymnasiale Schulempfehlung. Zu den größten Veränderungen dieser Schulart gehört, dass das Abitur zukünftig nach dem zwölften Schuljahr gemacht werden muss. Um diese Verkürzung kompensieren zu können, wird vermutlich verpflichtender Nachmittagsunterricht angeboten werden müssen. Das Lernziel der Gymnasien bleibt ab der Oberstufe das akademische Arbeiten, dafür wählen die SchülerInnen ein sogenanntes ?Profil?, das aus mindestens drei Fächern besteht und durch profilergänzende Fächer auf ?grundlegendem Niveau? erweitert wird.
Wer die Wahl hat?
Schulen und Schulträger müssen beantragen, welche der zwei, bzw. drei Schulformen sie zukünftig haben wollen. Sie können sich hierbei zusammenschließen. Die Mindestgröße für die Regionalschule beträgt 240 SchülerInnen, die Gemeinschaftsschule soll nicht unter 300 Kinder aufweisen. Ein Tatbestand, der schon zu einiger Konkurrenz unter den Schulen, ihren Schulleitern und den Eltern geführt hat. Um die erforderlichen Lernziele zu erreichen, sollen Fördergruppen und -klassen eingerichtet und/oder Ganztagsangebote gemacht werden. Letztere sind jedoch nicht verpflichtend. Kleinere Schulen werden von der Landesregierung als unrentabel eingeschätzt und haben keine Existenzberechtigung mehr.
DIE LINKE: Integrierte Gemeinschaftsschule statt Regionalschule
DIE LINKE im Kreis Segeberg hatte für den 18. März in Norderstedt zu einer Wahl-Veranstaltung eingeladen, die das neue Schulsystem zum Thema hatte: "Integrierte Gemeinschaftsschule statt Regionalschule". In dem zuvor verteilten Flyer nannten sie die Regionalschule einen Weg in die Sackgasse, weil diese das Aussortieren der Kinder weiter betreibe und nun zur neuen "Restschule" werde. Eltern versuchten zunehmend, ihre Kinder an den Gymnasien unterzubringen, weil mit den beiden anderen (Haupt- und mittleren Schul-) Abschlüssen keine beruflichen Erfolgsaussichten bestünden. Grundsätzlich betont DIE LINKE noch einmal, dass nur die integrierte Gemeinschaftsschule das dreigliedrige Schulsystem wirkungsvoll beenden könne. Sie fördere individuelle Begabungen und Fähigkeiten und könne die in den PISA-Studien zutage getretenen sozialen Ungleichheiten überwinden. Die Forderung nach einer integrierten "Schule für alle" steht übrigens uneingeschränkt in den verschiedenen Wahlprogrammen der 15 Kreise in Schleswig-Holstein, ergänzt durch konkrete Vorstellungen.
Die Referenten Heiko Winckel-Rienhoff und Volker Murawski (beide Grundschullehrer, im GEW-Vorstand der Kreise Segeberg und Stormarn und Kandidaten), sowie der für die Stadtvertretung in Norderstedter aufgestellte Spitzenkandidat Miro Berbig konnten sehr konkret über die Probleme berichten, die Eltern, SchülerInnen und Lehrer in den Orten des Kreises Segeberg und in der 80.000 Einwohner zählenden Stadt mit dem neuen Schulsystem hätten. Dabei ergab sich folgendes Bild:
- Eltern und Lehrer in Schleswig-Holstein wollen mehrheitlich die Gemeinschaftsschulen. Im Bildungsministerium lagen bereits im Dezember 2007 landesweit 95 Anträge auf Einrichtung einer Gemeinschaftsschule vor, nur 39 Anträge auf Einrichtung einer Regionalschule. Ein gemeinsames Lernen und gemeinsame Abschlüsse sind ihnen zunehmend wichtig. Sie wollen nicht, dass ihre Kinder dauernd die Schulart oder den Schulort wechseln müssen und sie wollen, dass ihren Kindern die Chance eines ?noch besseren? Abschlusses offen bleibt. Das kann annähernd nur in der Gemeinschaftsschule erreicht werden.
- Wenn das Land Schleswig-Holstein nicht bereit ist, in die neue Schulart zu investieren, bleibt jede Verbesserung auf der Strecke. Für das neue System werden mehr Lehrpersonal und vor allem Sozialarbeiter gebraucht, eine bessere Ausstattung der bisherigen und Schaffung neuer Schulräume für Sport-, Werken und Fördermaßnahmen (hier ist vor allem auch die Kommune gefragt!), eine Senkung der Schülerzahl in den Klassen und weniger Arbeitsstunden für die LehrerInnen. Sonst wird das Neue zu einer Farce und alle bleibt am Lehrpersonal hängen. Schon jetzt ist die Anforderung an einen Lehrer, die unterschiedlichsten Kinder (mit verschiedenem Bildungsstand, behindert, mit Migrationshintergrund) zu integrieren und sozial zusammenzuführen, kaum zu bewältigen.
- Ohne eine Verpflichtung zur Einführung von Nachmittagsunterricht natürlich mit Versorgung und Ernährung der Kinder auf Kosten des Schul- und Bildungsetats der Landesregierung und/oder örtlicher Kommunen ? kann dauerhaft keine Verbesserung der Lernsituation erreicht werden.
- Was muss mensch überhaupt sinnvollerweise lernen, war die abschließende Frage, die auf der Veranstaltung gestellt wurde. Es mangelt laut PISA-Studie in Deutschland vor allem daran, zu lernen wie man lernt, auch mit wenig Wissen Zusammenhänge zu erkennen und soziale Kompetenzen zu erlernen. Es wächst ? auch in den neuen Schulen des Kreises ? das Interesse an alternativen theoretischen und praktischen Lerninhalten, die beruflich, politisch und sozial zu gebrauchen sind. Darüber wird auch nach dem Wahlkampf noch viel zu diskutieren sein. Mit allen auf allen Ebenen. Aber vor allem auch bei den LINKEN, die am 25. Mai 2008 in Schleswig-Holstein sicherlich in die Kreis- und Stadtparlamente einziehen werden.