+ + + ARCHIVIERTER INHALT + + +

Diese Seite kommt aus unserem Archiv und enthält möglicherweise Informationen, die nicht mehr aktuell sind. Bitte beachten Sie das Veröffentlichungsdatum dieser Seite.

Sonntag, 19. Oktober 2014, 9:44 Uhr

Die GALiN ist Geschichte

Wählergemeinschaft "liquidiert"

Die GALiN-Fraktion 2008 vor der "Regentrude" auf dem Rathausmarkt

Da war die Welt noch in Ordnung: Die GALiN-Fraktion im Frühjahr 2008 vor der "Regentrude" auf dem Rathausmarkt. V.l.: Harald Hattendorf, Frank Grzybowski, Maren Plaschnick, Anette Reinders, Dagmar Gutzeit, Klaus Rädiker, Ariane Last (Foto: GALiN).

Infoarchiv Norderstedt | Gut zwölf Jahre lang hat sie die Karten der Norderstedter Politik mitgemischt und vor allem diejenigen kritisch begleitet, die gar nicht so gerne begleitet werden. Jetzt hat sich die Grüne Alternative Liste in Norderstedt (GALiN) aufgelöst.

Maren Plaschnick und Dirk Bruster, im Hintergrund grüne Sonnenschirme.

Zwei mit Ecken und Kanten: Maren Plaschnick und der ehemalige CDU-Politiker Dirk Bruster am Rande der Landesgartenschau-Eröffnung 2011 (Foto: W.S.).

"Der Igel kann stachelig sein. Aber er hat auch eine weiche und empfindsame Seite." So beschrieb Maren Plaschnick, Sprecherin des siebten und letzten Führungs-Trios der GALiN, zuletzt das Wappentier der Initiative - den Igel. Und wohl auch ein wenig sich selbst. Im November 2002 war Plaschnick von der SPD zur gerade erst gegründeten Wählergemeinschaft gestoßen, wurde neben der heutigen Zweiten Stadträtin Anette Reinders und Brita Pfeiler die dritte Stadtvertreterin der neuen politischen Kraft. "Es ist ein richtiger Aufbruchprozess und ich genieße ihn", sagte sie damals. "Am schönsten finde ich, dass hier wieder eigenständiges Denken gefragt ist."

Genau das hatte sie bei den Sozialdemokraten zuletzt vermisst, zu deren Fraktion sie 1991 gestoßen war. Vor allem im Stadtwerkeausschuss hatte Plaschnick sich zuvor ausgebremst gefühlt, weil ihre Partei die umstrittenen Geschäftspraktiken des damaligen Werkleiters Volker Hallwachs (siehe u.a. hier) eher deckte, als sie zu kritisieren. Erst in der GALiN fand sie MitstreiterInnen, die ihren kritischen Blick auf die Stadtwerke teilten, das Unternehmen aber zugleich in städtischem Besitz halten wollten - die 2003 eingeleitete Teilprivatisierung hätte die Kontrolle deutlich erschwert. Am Ende warb die vor allem von Aktiven der GALiN getragene Initiative "Pro Eigenbetrieb Stadtwerke" mit 9.800 Unterschriften so viel Unterstützung ein, dass die Pläne zur Umwandlung der Stadtwerke in eine GmbH in der Schublade landeten, bevor ein Bürgerbegehren überhaupt notwendig wurde.

Kurzchronik der Grünen Alternativen Liste in Norderstedt (GALiN):

 

  • Im Herbst 2001 treten Anette Reinders und Brita Pfeiler mit einer Handvoll UnterstützerInnen aus der grünen Bundespartei aus. Hauptgrund: Die Zustimmung der Grünen zum Militäreinsatz in Afghanistan. Ihre Sitze in der Stadtvertretung behalten sie.
  • Im Juni 2002 gründen sie eine eigene Wählergemeinschaft, die Grüne Alternative Liste in Norderstedt.
  • November 2002: Maren Plaschnick verlässt die SPD und wird dritte GALiN-Stadtvertreterin.
  • Bei den Kommunalwahlen im März 2003 erreicht die GALiN 8,0 Prozent der Stimmen. Trotz einer absoluten Mehrheit der CDU (50,8 Prozent) kann die Wählergemeinschaft sozial- und bidungspolitische Akzente setzen.
  • Im Oktober 2003 scheitert die Umwandlung der Stadtwerke in eine GmbH. Unter Federführung der GALiN hatte die Initiative "Pro Eigenbetrieb Stadtwerke" rund 10.000 Unterschriften gegen die Teilprivatisierung gesammelt.
  • Mai 2008: Der größte und letzte Wahlerfolg der GALiN: 12,3 % der Norderstedterinnen wählen "tiefgrün".
  • Dezember 2010: Die bisherige Fraktionsvorsitzende der GALiN, Anette Reinders, wird haupamtliche Stadträtin und übernimmt das Sozialressort.
  • September 2011: Bündnis 90/Die Grünen gründet einen Ortsverband in Norderstedt. Die GALiN ist uneins, wie sie reagieren soll.
  • Herbst 2012: Die Wählergemeinschaft feiert ihr 10jähriges Bestehen.
  • März 2013: Nach internen Querelen und mehreren Austritten entscheidet die GALiN, nicht zu den Kommunalwahlen im Mai anzutreten.
  • Mai 2013: B90/Grüne erzielen mit 13,7 Prozent das bislang beste "grüne" Ergebnis der Stadtgeschichte.

Auch in den Folgejahren gelang es der kleinen GALiN-Fraktion, in Stadtvertretung und Ausschüssen Akzente zu setzen. Die größte Gestaltungskraft entfaltete die Wählergemeinschaft dabei im sozial- und bildungspolitischen Bereich: So setzte sie den Ausbau von Kita-Plätzen durch, verhinderte auch den "Kita-Gutschein" und war maßgeblich daran beteiligt, dass sich die Versorgung von Flüchtlingen oder auch Obdachlosen in der Stadt verbesserte. Den meisten Wirbel hingegen verursachten weiterhin Themen, wie die Kritik an der Arbeit der Stadtwerke oder die (am Ende vergebliche) Ablehnung der Landesgartenschau. Dabei blieb die GALiN gegenüber offiziellen Verlautbarungen aus Verwaltung oder Stadtwerkeleitung stets skeptisch, verließ sich lieber auf das eigene Gespür und die Einschätzung politischer Partner. Obwohl die Wählergemeinschaft über dieses kritische Hinterfragen gelegentlich die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten übersah, war es wohl vor allem diese Skepsis, die sie auszeichnete.

12 Jahre später ist die GALiN nun Geschichte, wurde von ihrem letzten Vorstand - Frank Grzybowski, Klaus Rädiker und eben Maren Plaschnick - "liquidiert", wie es im Vereinsrecht heißt. Nicht dem politischen Gegner, auch nicht fehlenden Inhalten war es geschuldet, dass der Wählergemeinschaft am Ende die Puste ausging, sondern dem Wiedererstarken der "Mutterpartei" Bündnis 90/Die Grünen. Die war Ende 2011 wieder als eigenständiger Ortsverband auf der Bildfläche erschienen und forderte ihren Platz im politischen Geschehen ein. Auch nach monatelangen Diskussionen konnte sich die GALiN nicht darauf verständigen, ob man mit oder gegen die Grünen agieren sollte und brach auseinander. Mehrere der 20 Mitglieder verließen die Wählergemeinschaft, die verbliebenen Aktiven konnten eine Kandidatur neben und gegen die Grünen nicht wuppen.

Während für das politische Norderstedt nun ruhigere - soll heißen: langweiligere - Zeiten anbrechen, können sich neun Norderstedter Vereine ein letztes Mal über die GALiN freuen: Immerhin 9.000 Euro, die sich zuletzt in den Kassen der Wählergemeinschaft angesammelt hatten, werden satzungsgemäß an sie verteilt, unter den Empfängern: die Ortsgruppen des NABU und des BUND. Anschließend ist die GALiN nurmehr in den Geschichtsbüchern der Stadt zu finden.

2 Kommentare zu diesem Artikel

21.10.2014, 11:59 Uhr Gert LeiteritzBilduntrschrift zum Artikel

Sie schreiben u.a. vom "abgetauchten Dirk Bruster", das kann eigentlich nicht so stehen bleiben... Dirk Bruster ist nicht abgetaucht sondern nimmet nach wie vor am Geschehen in Norderstedt teil, wenn auch nicht aus der Position als Aktiver in Norderstedt Marketing und in der CDU. Ich bin nach wie vor mit ihm sehr gut befreundet und kann so manche lebhafte Diskussion mit ihm über Norderstedt und seine Steuerer führen...Dirk Bruster hat immer noch den Draht zum Bürger. Das ist das eigentliche Übel: die meisten der Kollegen Stadtvertreter aus allen Fraktionen sind dem Bürger völlig entrückt, davon war zuletzt auch die GaLin betroffen, Maren Plaschnik stand da ja auch weitestgehend allein.... Trotzdem, der durchaus positive Nachruf auf die GaLin ist ok, auch wenn nicht alles so richtig dargestellt ist...

Nachtrag Infoarchiv: Den Bilduntertitel haben wir mittlerweile geändert!

20.10.2014, 10:08 Uhr Maren PlaschnickEigenbetrieb Stadtwerke - auch dank GALiN!

Danke für den Bericht zur Auflösung der GALiN. Das erfolgreiche Bürgerbegehren gegen die Privatisierung der Stadtwerke brachte allerdings 10.003 Stimmen, die damals dem Stellvertretenden Bürgermeister Dr. Harald Freter übergeben wurden. Jede Stimme zählte ... ;-)