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Sonntag, 13. August 2006, 2:00 Uhr
Fahrräder im Abseits
Schlechte Noten für Norderstedt, Hamburg bundesweites Schlusslicht in Sachen Fahrradverkehr
Von Olaf Harning | Der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) schlägt Alarm: In den vergangenen Jahren hat sich der Zustand der Fahrradwege in Norderstedt drastisch verschlechtert, die Stadt belegte im bundesweiten Fahrrad-Klima-Test nur den 85. von 93 Plätzen der Städte unter 100.000 EinwohnerInnen. Noch schwerer tut sich Nachbarin Hamburg: Im Ranking der Großstädte auf dem letzten von 28 Plätzen, warten seit Anfang des Jahres alleine für den Bezirk Hamburg-Nord fast 1,6 Millionen Euro vergeblich auf ihren Einsatz für ramponierte Fuß- und Radwege in Langenhorn, Fuhlsbüttel oder Ohlsdorf.
Schon im November letzten Jahres hatte der ADFC Norderstedt aufgeschreckt berichtet, dass die Stadt beim sogenannten Fahrrad-Klimatest von ADFC und BUND für Städten unter 100.000 EinwohnerInnen nur den 85. Platz belegt hatte. 26.330 RadlerInnen aus insgesamt 142 Orten hatten sich daran beteiligt, 93 Städte wurden schließlich bewertet. In Norderstedt kritisierten die ZweiradfahrerInnen unter anderem Hindernisse auf Radwegen, allgemein schlechte Wege und eine unmäßig hohe Zahl von Fahrraddiebstählen und gaben ihrer Stadt dafür die Durchschnittsnote 3,96. Auch die städtische Arbeitsgruppe Lärmminderungsplanung hat - so der ADFC - bereits festgestellt, dass die Grundversorgung für den Radverkehr fehle, zumindest aber seit Jahren vernachlässigt werde. Rolf Jungbluth vom ADFC Norderstedt fordert daher, kurzfristig mindestens eine Million Euro für den Radverkehr in der Stadt auszugeben, um den "Investitionsstau" der vergangenen Jahre zu beheben. Dieses Geld solle unter anderem für eine reine Fahrrad-Straße, etwa vom Rathaus zum geplanten Landesgartenschau-Gelände, ausgegeben werden, aber auch für vermehrte Radwegstreifen, Radfahrerampeln und die Umrüstung von Straßen zu Tempo-30-Zonen mit Radler-Nutzung.
Letzteres wird vor allem für die zweirädrig bislang nur schwierig zu befahrene Ochsenzoller Straße empfohlen. An die Adresse des Herold-Centers stellt der ADFC ebenfalls Forderungen: Mehr überdachte Stellplätze sollen geschaffen werden. Der ADFC greift mit seinen aktuellen Forderungen eine Debatte in der benachbarten Hansestadt auf, die hier um den katastrophalen Zustand der Radwege entbrannt ist. Unter anderem das Hamburger Abendblatt hatte hier auf Missstände hingewiesen und berichtet, dass seit Monaten fast 7 Millionen Euro für Rad- und Fußwegebau bereitstehende Mittel von Bezirken schlicht nicht abgerufen werden. Alleine Hamburg-Nord stehen in diesem Zusammenhang fast 1,6 Millionen Euro zur Verfügung, die sofort verbaut werden könnten. Gegenüber dem Abendblatt kündigte Bezirksamtsleiter Matthias Frommann mittlerweile immerhin an, das Geld bald abzurufen. So oder so: Wenn Norderstedt von seinen RadlerInnen schon schlecht bewertet wurde, gilt das erst recht für Hamburg: Im Fahrrad-Klima-Test für 28 deutsche Großstädte belegte Hamburg nicht nur den allerletzten Platz, sondern erhielt auch die katastrophale Durchschnittsnote 4,44 für seine (Nicht-)Bemühungen um den Radverkehr, in 8 von 22 Kategorien erhielt die Hansestadt gar die Note 5,0 oder schlechter.
Im Gegensatz dazu konnte die westfälische Universitätsstadt Münster mit der Gesamtnote 2,05 erneut demonstrieren, dass es auch anders geht, in Schleswig-Holstein erreichte die Landeshauptstadt Kiel nach einigen Bemühungen mittlerweile Platz zwei, bzw. die Note 2,82. Hier wurden zuletzt 7,8 Kilometer reine Fahrradstraßen gebaut, 300 Kilometer Tempo-30-Zonen geschaffen und 125 Einbahnstraßen für den Radverkehr geöffnet. Ergebnis: Der Anteil des Radverkehrs am gesamten Verkehrsaufkommen stieg von 8 Prozent im Jahre 1988 auf nun rund 17 Prozent spektakulär an. Derweil herrscht in der Norderstedter Verwaltung Katzenjammer. Fast schon beleidigt klingt die erste Reaktion in der Norderstedter Zeitung, wo Olaf Nischik, zuständig für den Radverkehr der Stadt, erklärt, dass "die Stadt (...) in den vergangenen Jahren viel für die Radler getan" hätte. Überall, wo Straßen saniert, gebaut oder ausgebaut werden, würden auch die Radwege modernisiert. So erhielten die Ulzburger Straße oder auch die Kreuzung Niendorfer Straße/Ohechaussee aktuell "großzügige Radwege", die Ausgaben für den Radverkehr müssten daher mit dem Straßenbau zusammen betrachtet werden. Noch in diesem Jahr sollen die Radwege am Rugenbarg und an der Segeberger Chaussee östlich der Poppenbüttler Straße saniert werden. Unstrittig ist hingegen die hohe Qualität der Fahrrad- und Wandertrasse entlang der Bahn-Linie zwischen dem Schulzentrum-Nord und U-Bahn Garstedt. Vor allem diesem Weg dürfte die relativ gute lokale Bewertung in den Kategorien "zügiges Radfahren", "Erreichbarkeit des Stadtzentrums" und "Führung abseits von Hauptstraßen" zu verdanken sein, selbst wenn es sich um keine reine Fahrradstraße handelt, wie vom ADFC gefordert.
Die Stadt geht darüber hinaus auch auf die "Problemstrecke" Ochsenzoller Straße zwischen Berliner Allee und Niendorfer Straße ein, wo relativ enge Bebauung und Alleebäume einen Ausbau behindern und eine Einigung zur Zeit unmöglich machen. Hier fordert der ADFC Tempo 30, was laut Stadt wegen der Funktion einer Hauptverkehrsader nicht möglich sei. Bei allem Eigenlob der Stadt und der sicher nicht repräsentativen Aussagekraft des Fahrrad-Klima-Tests bleibt aber eines klar: Platz 85 von 93 ist kein Aushängeschild für eine Stadt, die stets "eine Idee voraus" sein will. Die Bewertungen des Fahrrad-Klima-Tests für Norderstedt im Einzelnen: ">
Norderstedter Einzelergebnisse | ||
---|---|---|
Spaß/Stress beim Fahren | 2,69 | |
Akzeptanz des Radverkehrs i.d. Stadt | 4,02 | |
Fahren alle Bevölkerungsgruppen Rad? | 2,93 | |
Wird für Radverkehr geworben? | 4,34 | |
Sicherheitsgefühl der RadlerInnen | 4,17 | |
Konflikte mit FußgängerInnen | 3,55 | |
Konflikte mit Kfz-FahrerInnen | 4,18 | |
Hindernisse auf Wegen | 4,53 | |
Fahrraddiebstahl | 4,53 | |
Breite der Radwege | 4,41 | |
Abstellanlagen/Stellplätze | 4,56 | |
Führung an Baustellen | 4,89 | |
Fahrradmitnahme im ÖPNV | 3,03 | |
Förderung d. Radverkehrs in jüngster Zeit | 4,28 | |
Problem d. Falschparker auf Radwegen | 4,71 | |
Reinigung der Radwege | 4,56 | |
Ampelschaltungen für RadlerInnen? | 4,19 | |
Erreichbarkeit des Stadtzentrums | 2,68 | |
Zügiges Radfahren | 3,37 | |
Einbahnstraßen geöffnet? | 4,11 | |
Wegweisung für RadlerInnen? | 4,16 | |
Führung abseits von Hauptstraßen | 3,33 |