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Mittwoch, 29. Juni 2005, 2:00 Uhr

Familie komplett

Im Fall Özdemir hat die Unmenschlichkeit gesiegt

Von Olaf Harning | Nachdem Ausländerbehörde und Polizei bereits in der Nacht zum 25. Mai die gewaltsame Abholung von Mutter Besime Özdemir und ihren drei Töchtern durchgeführt- und die vier Frauen wenig später in den Flieger nach Istanbul gesetzt hatten, vollendeten die verantwortlichen Behörden-Mitarbeiter Bonus und Matthießen den "Fall" am Freitag pflichtgemäß.
Sowohl Vater Akif Özdemir, der wegen Widerstandshandlungen am 25. Mai zuvor in Rendsburger Abschiebehaft saß, als auch sein 16jähriger Sohn Hadin wurden gegen ihren Willen außer Landes gebracht - eine Art "Familienzusammenführung" im Segeberger Stil. Zuvor hatten der Schleswig-Holsteinische Flüchtlingsrat, verschiedene Hilfsorganisationen, die Schleswig-Holsteinische Ärztekammer, aber auch Hadins Mitschüler, seine Lehrerin, der Schulleiter und der Fussball-Verein Eintracht Norderstedt die Abschiebung der Familie, bzw. des 16jährigen Jungen zum Teil scharf kritisiert.
Ausländerbehörden-Mitarbeiter Bonus indes sagte gegenüber dem Info Archiv, die Verantwortlichen hätten alles in ihrer Macht stehende getan, eine humane Abschiebung" zu gewährleisten. Zuletzt sei selbst die lückenlose Begleitung durch Ärzte sowohl bei den Özdemirs, als auch bei weiteren kurdischen Familien im Düsseldorfer Flieger organisiert worden. Dabei umging allerdings zumindest der begleitende Arzt des Kieler Landesamtes für Ausländerangelegenheiten die geltende https://www.frsh.de/behoe/erl_14_03_05.htm
" target="_blank">Weisungslage im Nordland, die im Einklang mit Beschlüssen der Bundesärztekammer die Unterstützung unfreiwilliger Ausreisen durch Ärzte ausschließt. Doch wo ein Wille ist, da ist auch ein Arzt. Und der habe - so Herr Bonus weiter - sehr sensibel auf die Situation reagiert.
Der Flüchtlingsrat kritisierte noch am Wochenende die Abschiebung von Herrn Özdemir und seines Sohnes resigniert. Trotz zahlreicher Eingaben und Bittschreiben verschiedener Institutionen wurden beide außer Landes gebracht. "Damit", so Fanny Dethloff (Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche), "hat die Ausländerbehörde sogar verhindert, dass sich die Härtefallkommission ausreichend mit der Abschiebung beschäftigen konnte."
Nächtliche Abholungen sind im benachbarten Hamburg an der Tagesordnung. Unter Umgehung so ziemlich aller Persönlichkeitsrechte und des Grundgesetzes werden die Menschen - Männer, Frauen und Kinder - aus dem Schlaf gerissen und deportiert. Insbesondere kurdische Menschen waren zuletzt Opfer dieses Vorgehens. Besime Özdemir und ihre Töchter wurden am 25. Mai gemeinsam mit weiteren Familien aus dem gesamten Bundesgebiet abgeschoben. Erst am gestrigen Dienstag waren es wiederum bundesweit knapp 70 KurdInnen, die gewaltsam abgeschoben wurden. Nur am Rande sei erwähnt, dass türkische Armee- und Polizeikräfte in den letzten Tagen mehrfach friedliche Demonstrationen mit Panzer- (!) und Gewehrfeuer, sowie massiven Knüppeleinsätzen aufgelöst haben - etwa im angeblich sicheren Diyarbakir. Bei den Gewalttaten der türkischen Sicherheitskräfte kam ein Mann ums Leben, dutzende Menschen wurden teils schwer verletzt, viele "verschwanden". Das kurdische Frauenbüro CENI fordert daher neben einem Stopp der Militäraktionen in Kurdistan auch einen Abschiebestopp für KurdInnen in Deutschland.