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Freitag, 4. März 2005, 1:00 Uhr
Gehaltserhöhung für Rechtsverstöße
CDU und FDP segnen Gebaren des Stadtwerke-Direktors ab
Flyer des "Bündnis für eine Soziale Stadt": Nach einer Einstweiligen Verfügung durch Volker Hallwachs durften 500 von insgesamt 4.500 Exemplaren nicht mehr verteilt werden.
Von Olaf Harning | In einer wenig überraschenden Entscheidung haben die Mitglieder von CDU und FDP im Hauptausschuss der Stadt Norderstedt die Geschäfsgebaren von Stadtwerke-Direktor Volker Hallwachs Anfang Februar abgesegnet. Damit sitzt Hallwachs wieder fest im Sattel der hundertprozentigen Stadttochter, darf die Kosten seiner juristischen Abenteuer nun auch noch auf die Bürger der Stadt abwälzen und freut sich über eine Gehaltserhöhung.
Einen "Persilschein" nennt das GALiN-Sprecherin Maren Plaschnick, die bereits mehrfach scharfe Kritik an der Politik des umstrittenen Stadtwerke-Direktors geübt hatte und als Expertin in Sachen Kommunalfinanzen gilt. Auch SPD-Mann Jürgen Lange kritisierte den Beschluss und befürchtet entgegen den Aussagen von Rainer Schlichtkrull (CDU) durchaus einen wirtschaftlichen Schaden für die Stadt. Ein kurzer Rückblick: Nachdem die Stadtwerke bereits seit Jahren relativ ungestört (und Direktor Hallwachs im Wesentlichen unkontrolliert) wirtschaften konnten, stellte das städtische Rechnungsprüfungsamt (RPA) bei einer Prüfung der Unterlagen für das Jahr 2000 diverse Missstände fest. Nach ersten Berichten der "Norderstedter Zeitung" Mitte 2002 führte die Kieler Staatsanwaltschaft im November des Jahres eine großangelegte Razzia bei den Stadtwerken, Volker Hallwachs persönlich sowie vielen seiner Geschäftskontakten durch und leitete neun Ermittlungsverfahren ein. Eben jene Verfahren sind inzwischen, teils gegen Geldbuße, eingestellt worden. Wie das Infoarchiv in einem Artikel schon im Juni 2003 befürchtete, sind die Methoden des Stadtwerke-Direktors zwar durchweg zwielichtig, mitunter auch rechtsbrüchig - damit aber nicht unbedingt justiziabel. Obwohl Bürgermeister Hans-Joachim Grote (CDU) als Intimus des Stadtwerke-Direktors gilt, leitete er aufgrund der schweren Vorwürfe schließlich die Untersuchung der Geschäftsunterlagen des Jahres 2001 an, wiederum durch das Rechnungsprüfungsamt.
Die "Lex-Hallwachs": Alte Freundschaft rostet nicht
Genau gegen diesen Beschluss bemühte sich der mit einem bemerkenswerten Selbstbewusstsein ausgestattete "Direx", juristisch vorzugehen. Gegen jede Vernunft und vor allem: gegen jeden Sachverstand legte er Rechtsmittel ein, über die dann noch nicht einmal entschieden wurde: Die Verwaltungsrichter in Schleswig stellten bereits im Vorfeld klar, dass die Stadtwerke als Stadttochter schlicht nicht das Recht haben, gegen die Stadt selber, und damit gegen ihre Besitzerin, vorzugehen. Das Rechnungsprüfungsamt wurde in der Folge für das Jahr 2001 aktiv und deckte erneut zahlreiche Missstände auf, für die Hallwachs mal direkt, mal indirekt verantwortlich zeichnete. Sein peinlicher, juristischer Vorstoß hatte ohne jeden Sinn mehrere tausend Euro Kosten produziert. Doch wo ein derart in Ungereimtheiten und Skandale verstrickter Geschäftsführer in jedem seriösen Privatunternehmen und beinahe jeder Kommune seinen Hut nehmen müsste, halten in Norderstedt offenbar Seilschaften stand: Noch 2003 hoben die städtischen Gremien - seit März des Jahres mit absoluter Mehrheit der CDU ausgestattet - die Beschlüsse über die verschärfte Kontrolle der Stadtwerke auf. Und nachdem die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Hallwachs sowie ARRIBA-Chef Ruud Swaen (45) Ende 2004 gegen eine Geldbuße von 1.000, bzw. 6.000 Euro eingestellt hatte, folgte jetzt der Beschluss, dass die Stadtwerke (ergo alle NorderstedterInnen) auch für die juristischen Abenteuer ihres Direktors aufkommen müssen. CDU-Fraktionschef Rainer Schlichtkrull gefällt das offensichtlich. Er resümiert in der "Norderstedter Zeitung": "Die Mängel sind inzwischen abgearbeitet. Daher macht es keinen Sinn, an überholten Beschlüssen festzuhalten". Das RPA habe die Stadtwerke nun eineinhalb Jahre lang bei Auftragsvergaben begleitet und aus eigenen Stücken vorerst auf weitere Kontrollen verzichtet. Die Stadtwerke arbeiteten demnach "rechtlich einwandfrei". Überdies hätten sich die schweren Vorwürfe "Bestechung, Untreue, Bestechlichkeit und Betrug" in Luft aufgelöst.
Der Stadtwerke-Skandal: Verfehlungen ohne Folgen
Nicht- (und schon gar nicht in Luft) aufgelöst haben sich jedoch die zahllosen Merkwürdigkeiten, die in den Vorjahren unter dem Dach der Stadtwerke und der Verantwortlichkeit ihres Direktors stattfanden. Das Rechnungsprüfungsamt führte unter anderem auf, dass alleine in 2001 - die Kosten von wilhelm.tel erneut nicht korrekt weiterberechnet wurden, also letztlich die Norderstedter Strom- und Wasserkunden belasten, - einzelne Stadtwerke-MitarbeiterInnen erstaunlich hohe "Zulagen" und "Aufwandsentschädigungen" erhielten, - insgesamt 160 Computer-Arbeitsplätze für 74 kaufmännische Angestellte unterhalten wurden, - 2,56 Millionen Mark an das externe TV-Unternehmen Noa4 gezahlt worden sind, was "kritisch zu betrachten" sei, - die Stadtwerke die Oberliga-Mannschaft des 1. SC Norderstedt mit fast 450.000 Mark förderte, während andere Vereine und Mannschaften lediglich 500 Mark erhielten, (Hallwachs hatte sich in zeitlichem Zusammenhang um den Vorsitz des 1. SCN beworben) - für mehr als 70.000 Mark VIP-Plätze in der AOL-Arena gebucht wurden ... und vieles mehr. Daraufhin verstieg sich die "Norderstedter Zeitung" in einem Artikel vom 31. Mai 2003 zu der provokanten Überschrift "Stadtwerke: Sliwowitz, Sekt und Manipulationen". Unter dieser Headline wurde berichtet, dass neben der Frau eines befreundeten Architekten (im ARRIBA) und Sohnemann Peter Hallwachs (als Gastronom im ARRIBA) auch ein Cousin des Stadtwerke-Bosses seit dem 15. Juni 2000 beim Unternehmen beschäftigt war: Für 9.500 Mark netto monatlich samt kostenfreiem Dienstwagen und kostenloser Dienstwohnung bis einschließlich 2001. Peter Hallwachs wurde indes auch andernorts lukrativ in Szene gesetzt: Hinter der Tribüne des damaligen Fussball-Oberligisten 1. SC Norderstedt baute die Stadtwerke-Tochter ARRIBA ein VIP-Zelt auf, führte dort "Events" durch und vermietete es ansonsten an "Konzessionsinhaber" beim 1. SCN. Natürlich reiner Zufall, dass die wiederum Peter Hallwachs als Nachunternehmer engagierten. Am 31. Januar hat der Norderstedter Hauptausschuss auf Antrag der CDU eine "abschließende Bewertung der Berichte des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) 2000/2001 und des Berichtes des Landesrechnungshofes 1997/2002 zur Prüfung der Stadtwerke Norderstedt" beschlossen, die Hallwachs nachhaltig im Amt und in seiner umstrittenen Tätigkeit bestätigt. Der Antrag wurde abgestimmt, obwohl Bürgermeister Hans-Joachim Grote sich bis dato geweigert hatte, einen schriftlichen Bericht zum Thema abzugeben. Die CDU-Fraktion - hier vor allem Rainer Schlichtkrull und Günther Nicolai - berufen sich in ihrer Argumentation vor allem auf das Urteil des Landesrechnungshofes, der Stadt sei durch die Vorkommnisse "kein erkennbarer Schaden" entstanden. Dabei verschweigen sie jedoch sehr bewußt, dass im selben Dokument und sogar auf derselben Seite von zahlreichen "Rechtsverstößen und Unregelmäßigkeiten" bei den Stadtwerken die Rede ist.
Millionenverluste bei wilhelm.tel
Während Hallwachs also tatsächlich kaum einen der zahllosen Vorwürfe entkräften konnte, steht auch sein "Lebenswerk" (Hallwachs im Originalton auf Noa4) - die Stadtwerke-Tochter wilhelm.tel - nach wie vor in der Kritik. Während Hallwachs und Bürgermeister Grote nicht müde werden, die finanzielle Kehrtwende des Unternehmens in die Gewinnzone zu betonen, wirken die Zahlen insgesamt betrachtet doch weiterhin ernüchternd. Ohne Zweifel erfreuen sich die Leistungen des Telekommunikationsunternehmens in der Stadt steigender Beliebtheit. Man mag auch den offiziellen Zahlen Glauben schenken, die für das Jahr 2004 erstmals einen Gewinn von 780.000 Euro ausweisen und über 59% der NorderstedterInnen in der Kundendatei verzeichnen. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei wilhelm.tel auch weiterhin um das wohl defizitärste Projekt im Einflussbereich des Norderstedter Kommunalhaushaltes. Nach Meinung des ehemaligen Baustadtrates Jürgen Meßfeldt (72, CDU) sind wilhelm.tel und der "Fernsehsender" Noa4 "Norderstedts Fässer ohne Boden". Zu den offiziellen Millionenverlusten des städtischen Kommunikationsunternehmens aus den Vorjahren müssten laut Meßfeldt alleine für das Jahr 2002 4,15 Millionen Minus zu den schon offiziell 3,5 Millionen Euro Verlust hinzugefügt werden, insgesamt seien für das städtische Glasfasernetz "annähernd 100 Millionen Euro verpulvert" worden. Während Volker Hallwachs stets betont, das Netz würde vornehmlich die Verkehrsampeln steuern und diene den Heizkraft- und Wasserwerken, nannte der ehemalige zweite Bürgermeister diese Darstellung bereits im Oktober 2003 einen "dreisten Verdummungsversuch". Vielmehr sei der wichtigste Nutzer der Glasfaserkabel wilhelm.tel. Kein Wunder, dass Hallwachs auf Kritik wenig erfreut reagiert: Als im März 2004 tausende Broschüren der Initiative "Bündnis für eine Soziale Stadt" anlässlich des Bürgermeister-Wahlkampfes in Norderstedt verteilt werden, lässt der Stadtwerke-Chef die Verbreitung kurzerhand durch eine "Einstweilige Verfügung" stoppen. Grund: Ein Zahlendreher bei einer Jahreszahl, das Wort "Vetternwirtschaft" in Verbindung mit dem Stadtwerke-Logo und die Nichtabgrenzung von städtischem Haushalt und Stadtwerke-Finanzen. Zur großen Freude des Bündnisses waren zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits 4.500 der 5.000 Exemplare verteilt.
Ausweitung von Seilschaften?
Auch im benachbarten Henstedt-Ulzburg hat sich der Stadtwerke-Direktor mit seiner ungewöhnlichen Politik bereits hinreichend Feinde gemacht. Anfang Dezember letzten Jahres verkündete Hallwachs die Ausweitung des Unternehmens-Angebotes auf die Nachbargemeinde und ergänzte, bereits im März 2005 würden die ersten Gewerbebetriebe "am Netz" sein. Ende Dezember dann die erstaunliche Antwort zahlreicher GemeindevertreterInnen von CDU und SPD: Keinesfalls sei dies beschlossene Sache. Offenbar waren die verantwortlichen, politischen Gremien der Großgemeinde weder von Hallwachs selber, noch von ihrem Bürgermeister Volker Dornquast (CDU) über das Lebenswerk des Stadtwerke-Direktors und dessen Pläne informiert worden. Nur die Wählergemeinschaft WHU sprang für Hallwachs in die Bresche, während er polemisierte: "Quatsch" sei die Forderung nach einer öffentlichen Ausschreibung. Er könne nach dem Telekommunikationsgesetz und entsprechender Genehmigung Kabel legen, wo immer er wolle. Auch wenn er damit wohl recht hat: Ausgerechnet für das städtische Kommunikationsunternehmen scheint selbige ein Fremdwort zu sein.
Lohnerhöhung für Rechtsverstöße
Volker Hallwachs hat trotz struktureller Rechtsverstöße und einer wahren Kette peinlicher Skandale den Wirbel um seinen Person im wahrsten Sinne des Wortes ausgesessen. Selbstverständlich erhielt und erhält er aufgrund seiner "außerordentlichen Leistungen" sowie der "angewachsenen Aufgabenpalette" nun auch endlich mehr Gehalt: Seit dem 1. Januar und nach dem 1. Oktober diesen Jahres werden seine "Leistungen" - so ist zu hören - mit fast 40.000 Euro zusätzlich vergütet.