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Freitag, 27. Mai 2005, 2:00 Uhr

Gewaltsame Abschiebung in Norderstedt ...

Ausländerbehörde, Polizei und SEK bei nächtlichem Überfall im Buchenweg beteiligt

Kein Mensch ist illegal!

Kampagnenlogo "Kein Mensch ist illegal!"

Von Olaf Harning |  Der Flüchtlingsrat protestierte mittlerweile scharf gegen die Abschiebung, die seitens der Behörden - trotz Kenntnis ärztlicher Gutachten über die schwere Erkrankung der Frau - durchgeführt worden ist. Mit der rüden nächtlichen und im Falle dieser Familie völlig unbegründeten Praxis wurde die im Ergebnis vorliegende Trennung der Familie behördlich provoziert. Um 4.00 Uhr nachts wurde Familie Özdemir in ihrer Unterkunft im Norderstedter Buchenweg von Herrn Bonus (Mitarbeiter der Ausländerbehörde) in Begleitung mehrerer Polizeibeamter zum Zwecke einer unangekündigten Abschiebung geweckt. Die in Folge von in der Türkei erlittener Gewalt schwer traumatisierte Mutter, Frau Besime Özdemir, erlitt dabei einen Zusammenbruch. Der daraufhin gerufene Amtsarzt verabreichte Beruhigungsmittel.

Der älteste, 16-jährige Sohn Hadin lief vom Schrecken erfasst weg. Als Frau Özdemir schließlich mit den verbliebenen drei kleinen Kindern abgeführt wurde, leistete ihr Ehemann Akif Özdemir nach Behördenangaben heftigen Widerstand. Der Verzweifelte verbarrikadierte sich anschließend mit einem Messer in der Unterkunft. Der inzwischen vor Ort erschienenen Mitarbeiterin der Migrationsberatung der Diakonie, Gisela Nuguid, verweigerte die Polizei die Möglichkeit mit ihrem ihr gut bekannten Klienten, dem offenbar unter Schock stehenden Herrn Özdemir, zu sprechen. Stattdessen wurde das Sondereinsatzkommando der Polizei (SEK) gerufen, um Herrn Özdemir aus der Unterkunft abzuführen und in Rendsburg in Abschiebungshaft zu nehmen. Die anderen Bewohner der Unterkunft waren total geschockt, viele Frauen haben geweint. Es herrscht seitdem erhebliche Unruhe unter den verbliebenen BewohnerInnen der Flüchtlingsunterkunft. Die Anwältin der Familie zeigte sich überrascht über diese Vorgehensweise, da noch ein Klageverfahren anhängig ist und ein Eilantrag vom Gericht nur deshalb abgelehnt worden sei, weil nach Aussage der Ausländerbehörde eine Abschiebung nicht beabsichtigt sei. Ein sofort eingelegter neuer Eilantrag blieb erfolglos.

Die Abschiebung von Frau Özdemir und ihren drei kleinen Kindern erfolgte inzwischen über den Flughafen Düsseldorf. Gisela Nuguid gelang es dort noch, einen Mitarbeiter des Flughafensozialdienstes zu erreichen und ihn zu veranlassen, der Frau noch ein Handgeld zu übergeben, damit sie zwar in Hausschuhen, aber nicht völlig mittellos auf dem Istanbuler Flughafen ankäme. Der Sohn Hadin Özdemir ist flüchtig und zur Fahndung ausgeschrieben. Der Schüler ist durch gute Leistungen aufgefallen und steht vor dem Schulabschluss im kommenden Jahr. Der Flüchtlingsrat fordert die Behörden auf, anstatt das Kind wegen seiner Angst zu kriminalisieren, ihm stattdessen noch den Schulabschluss zu ermöglichen.