+ + + ARCHIVIERTER INHALT + + +

Diese Seite kommt aus unserem Archiv und enthält möglicherweise Informationen, die nicht mehr aktuell sind. Bitte beachten Sie das Veröffentlichungsdatum dieser Seite.

Montag, 13. September 2004, 2:00 Uhr

Hamburg organisiert "Sammelabschiebungen"

Deportationen und Proteste am Flughafen Fuhlsbüttel

Info Archiv | Rund 30 AntirassistInnen haben am frühen Montagmorgen in den Terminals des Hamburger Flughafens gegen eine "Sammelabschiebung" von insgesamt 17 Flüchtlingen in mehrere afrikanische Diktaturen und Armutsländer protestiert. Nach Informationen des Hamburger Innensenators Udo Nagel sind dabei die Länder Burkina Faso, Benin und Togo angeflogen worden.

Der Hamburger Flüchtlingsrat wirft Nagel und der Hamburger Ausländerbehörde in diesem Zusammenhang vor, immer häufiger "irgendwohin" abzuschieben, ohne die tatsächliche Herkunft der Betroffenen zu beachten. Nagel feiert die Deportationen indes als "großen Erfolg im Kampf gegen Kriminalität und illegale Einwanderung". Die Sammelabschiebung hat alleine schon deshalb wegweisenden Charakter, weil sie einen der ersten "europäischen" Deportations-Flüge darstellte, an dem neben den deutschen Bundesländern Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern auch Belgien und die Schweiz beteiligt waren. Der Flug nach früheren Verlautbarungen des Senats 140.000 EUR gekostet. Den beteiligten Bundesländern und Staaten war die Abschiebung immerhin 8.235 EUR pro betroffener Person wert.

Laut Conny Gunßer (Hamburger Flüchtlingsrat) und Martin Link (Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein) demonstrierten ab ca. 7 Uhr mehr als 30 AntirassistInnen aus Hamburg und Schleswig-Holstein gegen die Sammelabschiebung. Mit Transparenten, Reden, Sprechchören, einem Theaterstück und Flugblättern wurden die Passagiere und das Flughafenpersonal informiert, auf die menschenrechtswidrige Abschiebeaktion hingewiesen und zum Protest aufgefordert.

Hintergrund der neuen "Abschiebetaktik" der Behörden ist der wachsende Widerstand, der Ausländer- und Justizbehörden ausgerechnet aus Reihen des Flugpersonals entgegenweht. Beinahe regelmäßig müssen mittlerweile Abschiebungen erfolglos abgebrochen werden, nachdem die Betroffenen Panik oder Gegenwehr zeigten und die jeweiligen PilotInnen sich daraufhin aus Sicherheitsgründen weigerten, die Flüchtlinge gegen deren Willen zu transportieren. Gleich mehrere Airlines weigerten sich nach öffentlichen Protesten zwischenzeitlich sogar gänzlich, Deportations-Flüge durchzuführen.

Der Hamburger Flüchtlingsrat zum Ablauf der Sammelabschiebung: "Ab 8.30 Uhr wurde auf einem von der Aussichtsterrasse einsehbaren Teil des Flughafens ein Charterflugzeug der Linie AERO FLIGHT mit den abzuschiebenden Flüchtlingen "beladen". Zubringerflugzeug war eine Maschine von Lions Air. Pünktlich um 9 Uhr fuhr die AERO FLIGHT-Maschine aufs Rollfeld, wo sie um 9.10 Uhr abhob - wie aus Journalistenkreisen zu erfahren war, flog sie zunächst nach Coutounou / Benin. Wahrscheinlich geht es von dort weiter nach Togo. Ein Flüchtling aus Burkina Faso, der auch für den Flug vorgesehen war und dessen Anwalt erst am Freitag von dem Flugtermin erfuhr, wurde nach einem OVG-Beschluss am selben Tag freigelassen."

Der Flüchtlingsrat übte unterdessen auch scharfe Kritik an der "Arbeit" eines mit den Flüchtlingen reisenden Arztes. Die Ausländerbehörde hatte ihn zur Durchführung der Deportation neben verschiedenen Sicherheitsbeamten mit nach Afrika geschickt, um während des Fluges auftretende Verletzungen zu behandeln, bzw. Selbstverletzungen zu verhindern. Martin Link kritisierte daraufhin nachdrücklich, dass "der laut Nagel am Flug teilnehmende Arzt (...) mit seiner Beteiligung offensichtlich gegen die Beschlusslage des Deutschen Ärztetages vom 21.5.2004 in Bremen (verstößt), der die ärztliche Kollaboration bei Flugabschiebungen deutlich ablehnt."