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Dienstag, 24. Januar 2006, 1:00 Uhr
Hochbahn provoziert den Kälte-Tod
-10 Grad: Hochbahn-Mitarbeiter setzen Obdachlose an "die frische Luft"!
Von Olaf Harning | Ganz Europa spricht von der Kältewelle, überall sorgen sich die Menschen bei Temperaturen unter -10 Grad um Obdachlose und Randständige. Nur der Hamburger Hochbahn sind die Betroffenen offenbar egal. Nach dem Motto "sind ja nur Schwarzfahrer", werfen Bedienstete des städtischen Verkehrsbetriebes rund um die Uhr randständige Personen aus Fahrgastzügen und Bahnhöfen, beispielsweise heute Vormittag am Bahnhof Ohlsdorf. Der mögliche Tod der Betroffenen wird bewusst in Kauf genommen.
Die Hochbahn ist in dieser Frage kein unbeschriebenes Blatt: Auch im Winter 1997/1998, als das Quecksilber in Hamburg tagelang minus 20 Grad zeigte und selbst die sonst ebenfalls unterkühlte Deutsche Bahn alle Türen für Obdachlose öffnete, blieb der Stadt-Konzern hart. Und erst im Dezember berichtete das Infoarchiv über den regelmäßigen Rausschmiss Randständiger aus dem Bahnhof Norderstedt-Mitte. Damals erklärte Hochbahn-Pressesprecher Andreas Ernst, die betreffenden Mitarbeiter seien entweder im Umgang mit hilflosen Personen geschult oder verhielten sich zumindest korrekt. Ernst: "Hilflos zurückgelassen wird von uns aber grundsätzlich niemand." Dem widersprach schon im Dezember die Darstellung des Norderstedters Dirk Antony Fee, der gleich mehrfach am späten Abend den Rauswurf von Betroffenen beobachtet hatte, die ohne jede Hilfe der Kälte überlassen wurden. Nicht einmal ein Hinweis auf die Nahe Obdachlosenunterkunft der Stadt wurde gegeben. Dass diese Ignoranz keine Grenzen kennt, mussten zwei NorderstedterInnen am heutigen Mittwoch erleben. Bernd Trares und Nicola Bentin (Namen auf Wunsch verändert) fuhren gegen halb elf am Vormittag mit der U1 Richtung Stadt, als drei blau uniformierte Hochbahn-Mitarbeiter einen dösenden und offenbar hilflosen Mann aufforderten, an der nächsten Haltestelle auszusteigen. Als Trares und Bentin die Männer darauf aufmerksam machten, dass zu diesem Zeitpunkt etwa minus 10 Grad herrschten und dem Betroffenen Erfrierungen drohten, kam es zu einem kurzen und ergebnislosen Wortgefecht. Doch damit nicht genug: Als alle Beteiligten schließlich am Bahnhof Ohlsdorf ausstiegen und Trares dem Betroffenen eine Fahrkarte kaufen wollte, wurden er und seine Begleiterin von den Uniformierten zurückgehalten und erst einmal gründlich "kontrolliert". Bentin: "Die haben vorher überhaupt keine Fahrkarten sehen wollen, von niemandem in den Waggons. Das war reine Schikane!". Erst nach penibler "Inaugenscheinnahme" der natürlich gültigen Tickets konnten die beiden NorderstedterInnen sich schließlich um den wahrscheinlich obdachlosen Mann kümmern, der aber mittlerweile verschwunden war. Trares empört: "Wir können nur hoffen, dass er irgendeinen Unterschlupf gefunden hat. Wenn ihm jetzt etwas passiert, zeige ich die Hochbahn-Leute an." Ohnehin würde sie juristische Schritte prüfen. Schon im Dezember hatte Hinz & Kunzt-Sozialarbeiter Stefan Karrenbauer dem Info Archiv mitgeteilt, dass die Zahl der Kälte-Toten weit höher liege, als die offiziellen Zahlen vermuten lassen. Viele Menschen mit Erfrierungen werden noch lebend geborgen und sterben dann erst Tage später an den Folgen. Diese Toten werden dann in der Regel nicht "mitgezählt" oder machen zumindest keine Schlagzeilen. Außerdem würde den Obdachlosen im Winter immer erst dann ernsthaft Hilfe zuteil, "wenn mal wieder einer erfroren ist. In Deutschland sind alleine in den letzten Tagen 5 Menschen erfroren, darunter ein Obdachloser in Süddeutschland. Wann es in Hamburg wieder einen Randständigen "erwischt" scheint nur eine Frage der Zeit. Die Betroffenheit wird dann groß sein und vielleicht spendet ja auch die Hochbahn einige Euro, "damit so etwas nie wieder passiert".