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Mittwoch, 15. Mai 2013, 21:54 Uhr

Im Wohnzimmer des Bürgermeisters

"Rathaus nicht der richtige Ort ..."

Rathaus Kaltenkirchen

Das Kaltenkirchener Rathaus - (k)ein Ort für kritische Kunst? (Foto: wikipedia, staro1)

Olaf Harning | Darf ein Bürgermeister bestimmen, welcher Künstler welche Bilder in "seinem" Rathaus zeigt? Und: Ist es überhaupt "sein" Rathaus? In Kaltenkirchen hat Hanno Krause (CDU) darauf einfache Antworten - er unterband eine bereits terminierte Kunstausstellung, weil auf einigen Bildern stilisierte Nacktheiten zu sehen sind.

Dabei hatte der Verwaltungschef die insgesamt zwei Ausstellungen sogar angebahnt, als er den Maler und Glaskünstler Uwe Fossemer im Januar diesen Jahres auf einer plattdeutschen Lesung traf. Sogar über Termine wurde man sich einig, im Mai sollten seine Bilder im Rathaus zu sehen sein, im Advent die (noch) nicht abgesagte Ausstellung der Glasmal-Kunst folgen. Dann allerdings eine Kehrtwende, die nicht nur der Künstler selbst als Zensur bewertet: "Nach eingehender Betrachtung Ihrer Werke", schreibt Krause ohne Kenntnis darüber, welche Bilder Fossemer überhaupt ausstellen will, "bin ich zu der Einsicht gelangt, dass das Rathaus für die Ausstellung einiger Ihrer Exponate nicht der geeignete Ort ist." Immerhin schlug der Bürgermeister vor, stattdessen eine Werkschau im Bürgerhaus oder der Volkshochschule durchzuführen, doch der Schaden war bereits angerichtet.

Kommentar

Rein formell befindet sich Kaltenkirchens Bürgermeister Hanno Krause wohl auf der sicheren Seite. Die simple Ablehnung eines Nutzungsantrags oder auch die Absage einer Veranstaltung ist alltägliches Verwaltungshandeln und Krause ist oberster Dienstherr in der Stadt. Statthaft aber ist sein Verhalten damit noch lange nicht.

 

Aus der Entscheidung, die Bilder von Uwe Fossemer nur zensiert zeigen zu wollen, atmet nicht nur die Prüderie der 50er Jahre, sondern auch eine grundfalsche Sicht auf die Aufgaben eines Verwaltungschefs. Die Bürger sind souverän genug, ein Bild, das ihnen nicht gefällt, kopfschüttelnd zu ertragen. Das tut ihnen nicht weh. Schmerzen verursacht hingegen der Gedanke, dass sich Künstler oder auch Vereine künftig fragen, was sie im Rathaus zeigen, mit was sie für sich werben dürfen, um den Bürgermeister nicht zu vergrätzen. Das Wesen der Zensur wirkt nicht offen, sondern in vorauseilendem Gehorsam.

 

Olaf Harning

Während Fossemer für sich Artikel 5 Grundgesetz in Anspruch nimmt und wegen der Absage vor Kenntnis der konkret für das Rathaus ausgewählten Bilder von "Funktionärsgehabe der DDR" spricht, stellte Krause gegenüber der Norderstedter Zeitung fest: "(...) ich muss als Bürgermeister entscheiden, ob ich den Besuchern des Rathauses diese Bilder zumuten darf". Wer beispielsweise seinen Pass verlängern wolle, habe Anspruch darauf, nicht von Bildern mit Phallussymbolen belästigt zu werden. Kein Wunder, dass auch ein für den 23. April angesetztes Gespräch der Kontrahenten kein Ergebnis brachte. Krause forderte, missliebige Bilder aussortieren zu können, Fossemer sperrte sich gegen jede Form der Einflussnahme und wiederholte seinen Zensur-Vorwurf. "Kunst", so der in Itzstedt lebende Maler, "hat sich an die freiheitlich demokratische Grundordnung zu halten und an nichts anderes." Den Vorschlag, die Zensur-Frage im Rahmen einer öffentlichen Podiumsdiskussion zu erörtern, schlug der Bürgermeister aus.

Der 1942 in Kaltenkirchen geborene Uwe Fossemer arbeitet als freier Künstler, führt aber auch Auftragsarbeiten aus. In der Region gestaltete er unter anderem Fenster im Norderstedter Schulzentrum Süd, der Kirche in Nahe und eine Skultur auf dem Gelände der Kisdorfer Schule. Seine Bilder haben dabei oft politische Bezüge und manches Mal auch eine Botschaft. So erinnert er mit dem Bild "Braunes Gewürm giert nach roter Figur" an den Naziterror und bildet dabei unter anderem einen nackten Hintern ab - offenbar eines der Bilder, die Krause den Rathaus-BesucherInnen nicht zumuten will.

Mit seiner Sicht der Dinge ist Krause übrigens in "bester Gesellschaft": So sollte im Juli 2001 die Wanderausstellung "Deportation Class - Gegen das Geschäft mit Abschiebungen" im Norderstedter Rathaus gezeigt werden, ein entsprechender Nutzungsantrag war ohne Probleme genehmigt worden. Am 16. Juli auch tatsächlich aufgebaut, waren die Stellwände nur einen Tag später jedoch verschwunden, bzw. wie sich später herausstellte, in die eher abgelegenen Räume der örtlichen Volkshochschule im 3. Stock verbracht worden. Von den Veranstalterinnen, einer lokalen Frauen-Antifa-Gruppe, darauf angesprochen, behauptete der damalige Pressesprecher Kai Jörg Evers zunächst, die Nutzungsordnung der Stadt verbiete politische Ausstellungen im Foyer des Rathauses. Wenig später dann die wahre Begründung: Der in der Ausstellung attackierte Lufthansa-Konzern sei ein wichtiger Kooperationspartner der Stadt, Bürgermeister Hans-Joachim Grote (CDU), sein Stellvertreter Harald Freter (SPD) und Volkshochschul-Chef Werner Hutterer hätten deshalb gemeinsam beschlossen, die Ausstellung an einen unauffälligeren Ort zu bringen. Henstedt-Ulzburgs "ewiger" Bürgermeister Volker Dornquast (CDU), heute Abgeordneter im Kieler Landtag, weitete seine "Inhaltskontrolle" sogar auf das örtliche Bürgerhaus aus, als er Anfang der 90er Jahre eine angemeldete Versammlung der Antifa kurzerhand untersagte und die Polizei rief. Die etwa 30 linksgerichteten Jugendlichen mussten ihr Treffen am Ende außerhalb des Gebäudes abhalten - bei allerdings "besten äußeren Bedingungen".

 

Veröffentlicht in Kultur mit den Schlagworten Hanno Krause, Itzstedt, Kaltenkirchen, Malerei, Uwe Fossemer