+ + + ARCHIVIERTER INHALT + + +

Diese Seite kommt aus unserem Archiv und enthält möglicherweise Informationen, die nicht mehr aktuell sind. Bitte beachten Sie das Veröffentlichungsdatum dieser Seite.

Donnerstag, 2. September 2004, 2:00 Uhr

Info Archiv fordert Rücktritt von Arbeitsamt-Chef

Presseerklärung zu Hartz IV: "Holger Jung muss zurücktreten!"

Info Archiv | Der Leiter der Agentur hatte zuvor in der "Norderstedter Zeitung" erklärt, dass "die Reform (...) schon jetzt für positive Effekte auf dem Arbeitsmarkt gesorgt" hätte. In einem weiteren Satz sagte Jung außerdem: "Ich kann nur hoffen, dass die Politik hart bleibt und die Reform nicht aufweicht. Hartz IV sorgt in Norderstedt jetzt schon für positive Effekte auf dem Arbeitsmarkt. Manche Betroffenen werden besser gestellt, anderen bietet sie trotz Einschnitte auch neue Möglichkeiten". Welche Möglichkeiten das sein sollen, ließ Holger Jung indes offen.
Das Info Archiv wertet diese Aussagen als "nachweisbar falsch": Schließlich würde es drei Viertel der Betroffenen nach Einfürhung des sogenannten "Arbeitslosengeld II" zum 1. Januar 2005 deutlich schlechter gehen, als bisher: In Ostdeutschlang würden gar 80% der Langzeitarbeitslosen künftig weniger oder überhaupt kein Geld mehr erhalten. Dem gegenüber erwarten nur etwa 16% der Betroffenen mehr Geld durch Hartz IV. Daneben - so das Info Archiv - droht vielen der Verlust ihrer Wohnung. Lediglich 318 Euro würden künftig langfristig für einen Ein-Personen-Haushalt für angemessen erachtet. Außerdem müsse "mit dem Irrtum aufgeräumt werden", dass "arbeitsfähige SozialhilfeempfängerInnen" durch Hartz IV besser gestellt würden: In Wahrheit liege das Arbeitslosengeld II sogar unterhalb der Sozialhilfe-alt, da zahlreiche Einmalzahlungen jetzt mit weit geringeren Pausch-Beträgen abgegolten würden.
Aber auch Äußerungen Jung?s zur Arbeit der örtlichen Zeitarbeitsfirmen werden scharf kritisiert: Während der Agentur-Leiter die Leih-Branche als "Sprungbrett in die neue Beschäftigung" darstellt, widerspricht das Info Archiv energisch: "Tatsächlich fungieren die Zeitarbeitsfirmen mittlerweile (...) fast ausnahmslos als Lohndrücker, um bisher fest angestellte und abgesicherte Belegschaften durch prekäre Beschäftigte der Zeitarbeit zu ersetzen. (...) Nach Statistiken der Bundesanstalt selber (!) dauern 60% aller Leiharbeitsverhältnisse durchschnittlich nicht einmal drei Monate, in die Entleihbetriebe übernommen wird - in der Realität - beinahe niemand."
Das Info Archiv beschreibt die Zeit- und Leiharbeitsbranche überdies als "mehr als zwielichtig". Immer wieder würden die einschlägigen Unternehmen in puncto Befristungen Gesetze brechen und das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nur wenig beachten. Die Personal Service Agentur "Mikro-Partner", die mit der Norderstedter Agentur zusammenarbeite fiel der Gruppe außerdem durch ein "erschreckendes Menschenbild" auf. Und richtig: auf den Internet-Seiten hatte Mikro-Parnter zumindest im vergangenen Jahr seine "Philosophie" dargestellt. Dazu gehörte unter anderem der Rat an Unternehmen: "20% der Mitarbeiter sind Ihre ?schwierigen Fälle?. Von diesen Mitarbeitern hätten Sie sich vor Jahren trennen sollen. Verschwenden Sie hier nicht Ihre knappen Resourcen und Energien!"
Und so fordert das Norderstedter Infoladen-Projekt auch nicht nur den Rücktritt des örtlichen Amtsleiters, sondern auch die vollständige und ersatzlose Streichung der Hartz-Gesetze I bis IV. Sie würden sich nicht gegen die Arbeitslosigkeit, sondern gegen Arbeitslose richten: "Die sogenannten ?Reformen? der Bundesregierung sind nachweisbar nicht tauglich, um Arbeitslosigkeit zu verringern, Arbeitsplätze zu schaffen oder Betroffene schneller in den ersten Arbeitsmarkt zu8 vermitteln. Tatsächlich (...) ist einzige Wirkung der Gesetze: ?Nur die Reichen werden reicher?. Während das reichste Zehntel der BundesbürgerInnen sein Vermögen kontinuirlich steigern kann (alleine seit 1998 um mehr als 22%), mußte das ärmste Viertel der Menschen im gleichen Zeitraum einen Verlust von 19,4% hinnehmen - die Kluft zwischen Arm und Reich explodiert. Und während die Bundesregierung der Ärmsten der Armen mit Hartz IV noch einmal tief in die Tasche greift, plant sie für 2005 die zeitgleiche, nochmalige Absenkung des Spitzensteuersatzes."

Als weiterführende Quellen nennt das Info Archiv u.a. folgende Links:

Broschüre des isw-Institutes: "Hartz IV: Armut per Gesetz - Weg damit!"
Musterberechnung ALG II bei www.labournet.de
Folienvortrag über ALG II und Sozialgeld von Harald Thomé
ZDF-Informationen zum Thema "Leiharbeit"
"Immer weniger Arbeitsplätze", Artikel des Neuen Deutschland vom 5. August
"Nur die Reichen werden reicher", Artikel aus "Die Zeit" vom 12. August
"Hartz IV zwingt Zehntausende zu Umzug", Artikel aus "Die Welt" vom 27. Juli

Enge Zusammenarbeit: Agentur für Arbeit (rechts) und randstad-Zeitarbeit (andere Straßenseite) residieren in Norderstedt nicht nur örtlich nah beieinander

Veröffentlicht in Soziales mit den Schlagworten Norderstedt