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Sonntag, 6. Februar 2005, 1:00 Uhr

Landtagswahl 2005

Endspurt auch in der Region

Info Archiv Norderstedt | Wenige Tage, bevor am 10. Februar auch Armuts-Kanzler Gerhard Schröder in die TRIBÜHNE nach Norderstedt kommt, ist der Wahlkampf in Schleswig-Holstein in die entscheidende Phase getreten. Vor allem die SPD hat in Norderstedt und dem Kreis Segeberg vor allem auf Prominenz gesetzt, während etwa CDU-Kandidat Manfred Ritzek durch nervtötende Dauerpräsenz glänzt.
Die SozialdemokratInnen präsentieren noch in den nächsten Tagen ihren für AGENDA 2010 und Hartz-Gesetze verantwortlichen Kanzler (10. Februar), Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (11. Februar in Henstedt-Ulzburg) und Ministerpräsidentin Heide Simonis (18. Februar, Wochenmarkt Norderstedt-Garstedt), nachdem zuvor bereits der unvermeidliche Franz Müntefering, aber auch Parteisprecher Klaus-Uwe Benneter und Praxisgebühr-Ministerin Ulla Schmidt hier Station machten und den örtlichen Landtagskandidaten Heiner Köncke stützten. Manfred Ritzek stellt sich derweil im Norderstedter Hotel Heuberg (7. Februar), auf dem Tangstedter Reitergut (8. Februar), dem Bürgerhaus Henstedt-Ulzburg und dem Feuerwehrmuseum Norderstedt (9. Februar), in Wakendorf II (10. Februar), im Garstedter Hof (15. Februar) und im Norderstedter Rathaus (17. Februar) für die CDU quasi permanent selbst dar. Unterstützt wird er nur vom Rechtsaußen der Partei und Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, der kurz vor dem Wahltermin in Bad Bramstedt auftreten soll.
Auch die FDP setzt im Kreis eher auf Eigengewächse: Neben dem Direktkandidaten mit dem FDPtypischen Berufsbild "Unternehmensberater" Uwe Matthes ist im Wahlkampf auch der stets schmierige Jungpolitiker Tobias Claßen (18) im Stadtbild präsent und vertritt regional den Schleswig-Holsteinischen Spitzenkandidaten Wolfgang Kubicki. Letzterer war zuletzt nach dem Todessprung Jürgen W. Möllemanns im Juni 2003 peinlich aufgefallen, als er eine "Mord-These" in Umlauf brachte und den Selbstmord Möllemanns in Frage stellte. Damals hatte Kubicki persönlich seinen Parteifreund über bevorstehende Hausdurchsuchungen informiert und hatte Möllemann auch oft inhaltlich gestützt. Nicht zuletzt deshalb wurde Kubicki später mehrfach in rechtsradikalen Hetzblättern wie der "National-Zeitung" zitiert, die von den antisemitischen Parolen des Fallschirmspringers begeistert waren. Die Grünen finden im Großraum Norderstedt allenfalls noch "virtuell" statt, nachdem beinahe alle aktiven KommunalpolitikerInnen vor Jahren aus der Partei austraten und mit der GALiN eine örtliche Linksabspaltung gründeten. Im Wahlkreis Norderstedt tritt dann auch der 37jährige Softwareentwickler Jörg Trapp aus Latendorf an.
Doch neben den nur noch schwerlich zu unterscheidenden Volksparteien buhlen anlässlich der Landtagswahlen 2005 auch zahlreiche kleinere Vereinigungen um WählerInnenstimmen. Im Wahlkreis Norderstedt beispielsweise kann die 65jährige Rentnerin und Ex-Pastorin Edda Lechner als Direktkandidatin für die PDS gewählt werden. Sie setzt sich insbesondere für soziale Einrichtungen, wie das geschlossene Kulturcafé Aurikelstieg und das Soziale Zentrum in Norderstedt sowie die Interessen von SchülerInnen und Eltern ein. Außerdem gibt sie der unzureichenden Finanzierung des Bildungssystems die Hauptschuld an bildungspolitischen Defiziten. Der Grüne Jörg Trapp hingegen stellt hauptsächlich das mögliche Energiesparen im Wohnungsbau in den Mittelpunkt, spricht sich außerdem für eine "Gemeinschaftsschule" aus und bezeichnet das Wahlkampfschlagwort der "Einheitsschule" als Marketingprodukt der CDU. FDP-Mann Uwe Matthes tut das, was Unternehmensberater eben tun: Er redet Steuersenkungen (für Unternehmen) das Wort, fordert mehr Infrastruktur für Unternehmen (u.a. den dritten Autobahnanschluss in Norderstedt) und will mehr Wirtschaftsförderung insgesamt, während Manfred Ritzek Mittelstandsförderung, die Chancen der Metropolregion Hamburg und die Bahnstrecke Kiel-Neumünster-Norderstedt-Fuhlsbüttel-Hamburg in den Mittelpunkt stellt und als klarer Gegner der "Einheitsschule" auftritt. Last but not least spricht Heiner Köncke von der Weiterentwicklung der Ostseekooperation, der Schaffung eines vernünftigen Wohnumfeldes für ältere Menschen und ebenfalls von der "Metropolregion Hamburg". Er bezeichnet das herkömmliche "Aussortieren zehnjähriger Kinder" als "rückständig" und will - ebenso wie die Grünen - eine "Gemeinschaftsschule". In Stormarn kandidiert übrigens der parteilose Unternehmer Klaus-Martin Zettler als fünfter Direktkandidat, während in Segeberg-Ost und Segeberg-West nur die vier großen Parteien KandidatInnen stellen.
Um die Zweitstimmen der Schleswig-HolsteinerInnen bewerben sich indes mit Landeslisten zahlreiche Kleinparteien. Neben SPD, CDU, FDP, und Bündnis 90 / Die Grünen sind dies der Südschleswigsche Wählerverband, die PDS, die GRAUEN, die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), die Deutsche Senioren-Partei (DSP), und die Familien-Partei Deutschlands. Außerdem treten die reaktionär-religiöse Partei Bibeltreuer Christen, die rechte Offensive D (ehemals Schill-Partei) und die offen neofaschistische NPD im gesamten Bundesland zur Wahl an.
Insbesondere ein theoretisch möglicher Wahlerfolg der NPD wird dabei mit Furcht disktutiert, hat die seit den 60er Jahren aktive Organisation doch in den letzten Monaten sehr bewußt Teile der militanten Rechten integriert. So wurde auch der Schleswig-Holsteinische Spitzenkandidat Ingo Stawitz anlässlich des Landesparteitages der Partei in Steinburg bei Steinwürfen und Gewalttaten gegen demonstrierende AntifaschistInnen gefilmt. In der Region Norderstedt wie auch in großen Teilen des Kreises Segeberg fallen die Neonazis bisher allerdings wenig auf. Während in Kaltenkirchen am 15. Januar ein Info-Stand der NPD und zahlreiche Wahlwerbeplakate nicht verhindert werden konnten, hängen NPD-Plakate in Norderstedt bislang mit einer Halbwertzeit von rund zwei Tagen - Ausnahmen bestätigen die Regel. Einem Wahlerfolg der Neonazis steht außerdem der jüngste Aufmarsch der Partei in Kiel (29. Januar) entgegen, als Stawitz & Co eine empfindliche, politische Niederlage einstecken mussten. Während nämlich der Marsch in unmittelbarer, zeitlicher Nähe zum Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz einen zentralen Pfeiler im NPD-Wahlkampf darstellen sollte, geriet die Demo für die "Herrenmenschen" zum Desaster: Mehr als 8.000 DemonstrantInnen (darunter auch zahlreiche NorderstedterInnen) umringten den Aufmarsch, bewarfen die Neonazis mit Obst und Gemüse und verhinderten, dass der Marsch mehr als 200 Meter vorankam. Seitdem ist es übrigens auch bemerkenswert still auf den einschlägigen Internet-Seiten der "freien Kameradschaften".

Selbst ist der Kandidat: Manfred Ritzek (CDU) beim Plakatieren in Norderstedt, gefunden bei www.am-puls-der-stadt.de.