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Freitag, 26. März 2004, 1:00 Uhr

Offener Brief an Betriebsamts-Chef

Schmerzlich berührt ...

Von Olaf Harning | Im folgenden dokumentieren wir den LeserInnenbrief von Frau Nilsson im Wortlaut:

Ich bin schmerzlich berührt und empört über Ihren Artikel und die einseitige Auswahl an "(Presse-)Stimmen zum Thema" Sperrmüll-Abfuhr. Der Tenor lautet: "Norderstedt wird sauberer aussehen", wenn "Mülltouristen" und "Fledderer" den Müll nichr mehr "durchwühlen" und den "Passus der Satzung" mißachten, daß Sperrmüll nicht "unberechtigt mitgenommen werden" darf. "Bürger" fühlten sich "belästigt oder sogar bedroht" (alles Zitate).
In der Tat, im reichen Land Deutschland, auch in Norderstedt, leben zahlreiche Menschen so an oder unter der Armutsgrenze, dass sie in ihrer Not sogar den demütigenden Schritt tun, den Müll zu durchsuchen - bei Leuten, die reich genug sind, um Dinge wegzuwerfen, die man noch gebrauchen kann. Das ist schlimm genug. Und es ist auch nicht schön, dass so viele noch brauchbare Dinge vom Sperrmüllauto zerquetscht werden, weil sie in unserer kapitalistischen Überfluss- und Wegwerfgesellschaft nicht mehr verkäuflich sind.
Insofern freue ich mich einerseits, wenn Menschen Sperrgüter wiederverwenden. Nebenbei spart das der Allgemeinheit erhebliche Müllberge und Kosten.
Andererseits erfüllt es mich mit einem Gefühl von Beschämung, arme Leute bis zur Erschöpfung (Zitat: "bis 2.45 Uhr") im Müll suchen zu sehen. (Letzten Sommer bei Gluthitze ein völlig geschaffter alter Mann. Ich habe mich nicht bedroht gefühlt, sondern ihm etwas zu trinken gebracht.)
Ich frage mich, warum die Menschen, deren engherzige und selbstgerechte "Stimmen zum Thema" Sie zitieren, eigentlich keine Beschämung empfinden angesichts der krassen sozialen Ungerechtigkeit, die sich im Mülldurchsuchen der Bessergestellten zeigt? Oder dient ihre Empörung dazu, diese Beschämung abzuwehren, die sich sonst unweigerlich einstellen würde?
Ich bitte Sie darum, den idiotischen "Passus der Satzung", dass Müll nicht mitgenommen werden darf, zu ändern und die Sperrmüllabfuhr nicht zu individualisieren, sondern weiter an zentralen Tagen durchzuführen. Nur so können nützliche Dinge recycelt, der Kommune Müllberge und Kosten erspart und gleichzeitig (mager genug) Leute in Armut unterstützt werden.

Veröffentlicht in Soziales mit den Schlagworten Norderstedt