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Freitag, 6. August 2004, 2:00 Uhr

Parkfiction in Norderstedt ?

Grotes Pläne zur Landesgartenschau entpuppen sich zunehmend als Flop

Infoarchiv Norderstedt | Gleich im Anschluss an den PR- Marathon Hans-Joachim Grotes (CDU) zur Bürgermeisterwahl im Juni diesen Jahres setzte der Wiedergewählte seine massive Medienarbeit ungebremst fort. Jede Woche warb der Amtierende in der lokalen Presse für die Ausrichtung einer Landesgartenschau im Norderstedter Stadtpark. Die Schlagwörter seines Werbefeldzuges sind schnell aufgesagt: Die Wirtschaft soll angekurbelt, das „Wir-Gefühl“ der Bürger gestärkt, und der Stadtpark nachhaltig verschönert werden. Die GALiN hat die Ferienzeit genutzt, um in der sitzungsfreien Zeit die Fiktionen des Bürgermeisters mit den vorliegenden Fakten, gespeist aus den praktischen Erfahrungen der Fachleute anderer Kommunen, dem Planungsrecht in Schleswig-Holstein und den realen Verhältnissen in Norderstedt, zu vergleichen. Die Ergebnisse dieser Gegenüberstellung bringen Erstaunliches zu Tage.

Fiktion 1: Der Standort „Mit dem Stadtpark in Harksheide–Nord mit seinen Heideflächen, Seen und dem jenseits der Schleswig-Holstein gelegenen Glasmoor“, lässt sich der Bürgermeister im Norderstedter Wochenblatt zitieren, sei eine Fläche vorhanden, „die wie geschaffen für die Umwandlung in eine naturnahe Parklandschaft ist“. Die Fakten: Schon im Februar diesen Jahres merkte die SPD in einer Presseerklärung zur Landesgartenschau an: „Grundlage für die Durchführung ist, dass keine bestehenden Parks, sondern bisher anderweitig genutzte Flächen für eine LGS bereitgestellt werden. Nur dadurch hat die Stadt auf längere Sicht einen Gewinn an Erholungsflächen. Der Harksheider Stadtpark ist das letzte Stück des früheren Heidegebietes und sollte als solches erhalten bleiben. Eine Veränderung durch Blümchen oder Rhododendren ist kein wirklicher Qualitätsgewinn.“ Was die Einbindung des Glasmoors in eine Landesgartenschau betrifft, so erhob der Norderstedter Ortsverein des Naturbundes NABU nachdrücklich Einspruch gegen Grotes Pläne. Und die für den Bürgermeister ernüchternde Wahrheit ist, dass nicht nur das Glasmoor, sondern der größte Teil des Stadtparks unter § 15 des Landesnaturschutzgesetzes (LnatG) fallen, und somit für eine Landesgartenschau nicht „geformt“ werden dürfen. Bei den benannten Flächen handelt es sich um Moor, Heide, Birkenwälder, etc, die in ihrer Ursprünglichkeit erhalten werden müssen.

Fiktion 2: Die Finanzierung. Der Bürgermeister zeigte noch im Juli Zuversicht: Die Gesamtkosten für die LGS bezifferte er auf 12,5 Millionen Euro zuzüglich ca. 6,8 Millionen an Betriebskosten im Veranstaltungszeitraum. Gar kein Problem, denn Grote schwärmte in der Norderstedter Zeitung, er erwarte großzügige Zuschüsse aus Kiel. Da die Landesgartenschau zu den „Leitprojekten“ der Landesregierung zählten, würde der Förderung Priorität eingeräumt, mutmaßte Hans-Joachim Grote etwas voreilig. Die Fakten: „Es kann nicht sein“, wetterte die SPD in der schon vorab zitierten Presseerklärung im Februar, "dass bei der Jugend, der Kultur und den Senioren rabiat die Mittel gekürzt werden und für eine LGS ohne große Überlegung Kosten in zweistelliger Millionenhöhe ausgegeben werden.“ Neben dieser Kritik hat Grote seine Rechnung anscheinend ohne Rücksprache mit dem zuständigen Umweltminister Müller (Grüne) aus Kiel gemacht, denn der sagt in seiner Rede zur Ausschreibung der ersten Landesgartenschau in Schleswig-Holstein klipp und klar: „Die meisten Bundesländer bezuschussen die Gartenschau. Das Spektrum reicht von 3,5 bis 6,5 Millionen Euro. Das kann und will Schleswig-Holstein nicht. Wir gehen den gleichen Weg wie Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. In diesen Bundesländern wird kein Landesgeld zusätzlich ausgegeben. Hier speist sich alles aus bestehenden Infrastrukturtöpfen.“ Tja, könnte sicherlich angemutet werden, kein Cent aus Kiel, macht ja nichts, denn so ein Event spielt die Investitionen locker wieder ein. Dazu äußert sich ein Verantwortlicher der Landesgartenschau, welche 2002 in Wismar stattfand, folgendermaßen: „Wer behauptet, bei der Endabrechnung bliebe unterm Strich ein finanzielles Plus, ist ein ahnungsloser Träumer. Wenn ihr Bürgermeister (bezogen auf Grote und seine Vorerfahrungen aus Paderborn, Anmerk. der Verfasserin) schon eine Landesgartenschau veranstaltet hat, weiß er das.“ Keine hohlen Phrasen, denn Fachleute wissen, dass kaum eine Landesgartenschau mit einer schwarzen Null abgeschlossen hat. Viele Veranstaltungsorte von Landesgartenschauen erhoffen sich zudem vor allem eine Ankurbelung des Tourismus durch das Event, ein Nebeneffekt, der auch in den Richtlinien der Landesregierung für eine Ausschreibung in Schleswig-Holstein explizit erwähnt wird, und der auf Norderstedt ohne Frage ganz und gar nicht zutreffen mag.

Fiktion 3: Der Zeitfaktor. Bürgermeister Grote drängelt: Zu Beginn wollte er sich gar für die erste Gartenschau des Landes im Jahr 2007 oder 2008 vormerken lassen, dieser Zeitraum, und vor allem die attraktiven „Nebenbuhler“ wie etwa das Gartenparadies Ellerhoop, ließen ihn aber von diesen Planungen Abstand nehmen. Vorgesehen ist jetzt eine Bewerbung für das Jahr 2009 oder 2010. Eine Zeitspanne, die es BewohnerInnen der Stadt ermöglicht, sich in angemessener Weise zu der Thematik zu informieren, die Vor- und Nachteile zu erörtern und gemeinsam zu diskutieren, ob und auf welche Weise und an welchem Ort eine solche Großveranstaltung gewollt ist. Der Bürgermeister besteht aber auf eine Abstimmung zur Landesgartenschau bereits am 14. September diesen Jahres und will die Bewerbung bis zum 15.Oktober in Kiel einreichen, obwohl die Deadline im Herbst diesen Jahres nur für die erste Landesgartenschau zählt und nicht für die folgenden, wie Umweltminister Müller nachdrücklich versichert. Die Fakten: Warum diese Eile? Fragt sich nicht nur die GALIN Fraktion in Norderstedt. „Vor dem Hintergrund“, resümiert Ulli Böttcher (GALiN) „irritiert die Informationspolitik. Der reguläre Weg wäre, dass die Gremien mit allen Fakten versorgt werden müssen, um im September entscheiden zu können.“ Und seine Parteigenossin Annette Reinders merkt an: „alle müssen die Chance haben, sich zur Landesgartenschau zu äußern“ Auch wenn der Bürgermeister großzügig die Pressewerbetrommel für die Landesgartenschau schlug, verhielt er sich bislang mehr als geizig, wenn es darum ging, Konzepte und städteplanerische Ziele zur Landesgartenschau zu formulieren und den Gremien zur Verfügung zu stellen. Aber genau diese sind entscheidend, nicht nur als leitendes Kriterium der Ausschreibung, sondern vor allem auch für die BewohnerInnen der Stadt. Womit wir beim nächsten Punkt angelangt wären.

Fiktion 4: Die Pläne zur Stadtentwicklung. Wenn es um die Visionen des Amtierenden zur nachhaltigen Stadtentwicklung durch eine Landesgartenschau geht, so sind diese bisher schlicht noch nicht aufzufinden. Standortpolitik und einen Park verschönern reicht da einfach nicht aus. Gern spricht der Bürgermeister in seinen Werbefeldzügen vom ökologischen Nutzen, der sich beim Standort Glasmoor/Stadtpark als Argument erübrigt. Gerne spricht der Bürgermeister auch vom „Wir-Gefühl“, welches ein solches Event nach sich ziehen würde. Eine naive Vorstellung, wenn der Verantwortliche der Landesgartenschau Wismar es folgendermaßen formuliert: „Zu Beginn brauchen sie in der Bevölkerung eine Zustimmung von 120%. Wenn im Laufe der folgenden Jahre immer mehr planerische und finanzielle Details bekannt werden, bröckelt die Zustimmung nämlich rapide um mindestens die Hälfte.Die Fakten: Die planerischen und finanziellen Details sind zwar noch nicht auf dem Tisch, aber folgende Nebeneffekte sind jetzt schon klar:

  • Eine Landesgartenschau bedeutet, dass die vorgesehenen Flächen 2-3 Jahre vor Beginn der Veranstaltung für die BewohnerInnen nicht mehr zur Verfügung stehen, da sie umgebaut werden.
  • In der Veranstaltungszeit zahlen die BewohnerInnen dann Eintritt für ein Areal, dass sie bisher kostenfrei nutzen konnten. Auf die BewoherInnen kommt eine höhere Verkehrsbelastung zu.
  • Zudem müssen die NorderstedterInnen Preissteigerungen in Kauf nehmen, die nach Ausstellungsende erfahrungsgemäß nicht zurückgenommen werden.
  • Für die Großveranstaltung müssen nicht nur 1500-2000 Pkw-Parkplätze und 50 Busparkplätze errichtet werden, sondern auch ein Schauhalle von mindestens 900 qm.
  • Die VeranstalterInnen müssen üblicherweise zusätzliche „Rückbaukosten“ für die Installationen berechnen. Diese kleine Ansammlung an Nebeneffekten wäre weniger schwer verdaulich, gäbe es wenigstens ein schlüssiges Konzept, welches nachhaltig und langfristig die Lebensqualität in Norderstedt fördert.

Ein solches städteplanersiches Konzept ist aber nicht in Sicht. Dazu ließ die GALiN in ihrer Presserklärung verlauten: „Ein Stadtentwicklungsziel von hoher Priorität, dessen Realisierung nachhaltig die Situation für einen großen Teil der Bevölkerung verbessert, kann durch eine Landesgartenbauausstellung schneller erreicht werden. Dann können die Nachteile für die Bevölkerung durch das sechsmonatige Event „Landesgartenschau“ und die finanziellen Lasten in Kauf genommen werden. Das Event ordnet sich diesem Stadtentwicklungsziel unter und nicht umgekehrt. Welches Ziel hat Norderstedt?“ Offensichtlich ist bisher lediglich, welche Lobby sich für die Fachmesse Landesgartenbauausstellung leicht erwärmen lässt, schon Mitte Juni gab die Grüne Alternative Liste in einer Presseerklärung zu bedenken: „Erstaunlich ist dabei, dass der Verein Norderstedt Marketing mit seinem Vorsitzenden Stefan Witt diesen Plan so nachdrücklich unterstützt. Der Verein, der ohne finanzielle und personelle Unterstützung der Stadt nicht existenzfähig wäre, nutzt seine Ressourcen jetzt offensichtlich für ein Projekt, das stadtplanersich und finanziell äußerst fragwürdig ist.“ Bürgermeister Grote, der in Paderborn für die wirtschaftliche Planung der Landesgartenschau zuständig war, und aus diesem Grunde sich selbst als Experten hypt, sollte begreifen, dass es sich bei diesem Projekt nicht um eine reine Eventplanung dreht, nicht um pure Standortaufwertung, sondern um Stadtentwicklungsmaßnahmen, die breit diskutiert und politisch entschieden werden müssen. Zur StadtvertreterInnensitzung am 14. September wird sich zeigen, ob Grote sich mit seinen Plänen zur Gartenschau „in die Nesseln gesetzt hat“, oder ob ihm dank der übermächtigen christdemokratischen Mehrheit im Rathaus auch dieses Projekt, trotz der offensichtlichen Unzulänglichkeiten in den Schoß gelegt wird.