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Donnerstag, 30. Juni 2011, 13:45 Uhr
Regionalschule Garstedt vor dem Aus
Schwarz-Gelbe Schullandschaft havariert
Von Olaf Harning | Im Sommer 2009 setzten CDU, FDP und eine konservative Elterninitiative aus dem Umfeld der damaligen Realschule Garstedt nicht nur die Einrichtung von drei Regionalschulen in Norderstedt durch, sondern auch gleich die jeweils eigenständigen Standorte Aurikelstieg und Falkenberg. Das Resultat: Die Regionalschule Falkenberg öffnete 2010 mit 7 Anmeldungen nicht einmal ihre Tore, die Regionalschule Garstedt konnte im März 2011 gerade einmal 20 Anmeldungen für die fünfte Klasse verbuchen – auch sie hat damit kaum mehr eine Zukunft.
Die Vorgeschichte ist kompliziert und hat mit dem mehrfachen Wechsel der politischen Mehrheiten in der Norderstedter Stadtvertretung zu tun. Im Mai 2009 jedenfalls hatte Schwarz-Gelb eben jene Ein-Stimmen-Mehrheit durch den Übertritt Naime Basaricis(vorher SPD) wiedererlangt und vollzog die vorerst letzte 180-Grad-Wende in der Planung der kommunalen Schullandschaft: Getrieben von einer medial gut aufgestellten Elterninitiative um Gabriele Kaste und Ulrich Eidecker von der Realschule Garstedt und einem kurzfristig initiierten Bürgerbegehren, nutzen Christdemokraten und Liberale die neue Mehrheit dazu, ihre alten Planungen wieder aufzunehmen und neben den Gymnasien je drei Regional- und Gemeinschaftsschulen in Norderstedt zu installieren. Das, obwohl sich die betroffenen Eltern, also jene, die ihre Kinder wenig später einschulen mussten, zuvor in einer Umfrage der Stadtverwaltung deutlich für Gymnasien und Gemeinschaftsschulen ausgesprochen hatten. FDP-Bildungspolitiker Tobias Claßen in der damaligen Debatte der Stadtvertretung: „Mit dieser wesentlich vielfältigeren Schullandschaft können wir allen Bedürfnissen unserer Jugendlichen individuell gerecht werden. Genau diese jungen Menschen müssen im Mittelpunkt von verlässlicher Schulpolitik stehen. Die jungen Menschen, die ihre Persönlichkeit entwickeln sollen und sich entsprechend ihrer Anlagen entfalten können.“
Was folgte, wird nun immer mehr zum Ende mit Schrecken: Bereits im Frühjahr 2010 kam das „Aus“ für die so massiv durchgesetzte Regionalschule Falkenberg. Gerade einmal 7 Mädchen und Jungen wurden für die fünfte Klasse angemeldet – und das nach ebenfalls nur 19 Kindern im Vorjahr und geforderten 40 Einschulungen pro Jahrgang. Nun mussten Stadtverwaltung und Politik auf die vorherigen Beschlüsse von SPD, DIE LINKE und GALiN zurückgreifen und die beiden Regionalschulen am Standort Aurikelstieg (Garstedt) fusionieren: Der vielgelobte Leiter der ehemaligen Hauptschule Falkenberg, Gerhard Lühr, übernahm das Gesamtwerk, die Planungen für einen mehrgeschossigen Aus- und Neubau laufen bereits und konzeptionell will man nach einem Bericht der Norderstedter Zeitung (NZ) auch bestens aufgestellt sein. Wären da nicht die auch fusioniert noch miserablen Anmeldezahlen, könnte die Regionalschule Garstedt also durchaus optimistisch in die Zukunft blicken, doch genau hier liegt das Problem: Gerade einmal 20 SchülerInnen waren zum Stichtag Ende März für die fünfte Klasse angemeldet, gerade einmal 43 wurden es schließlich mit den „Rückläufern“, also all jenen SchülerInnen, die auf Gymnasien und Gemeinschaftsschulen keinen Platz bekommen haben. Das reicht zwar, um eine zügige Schließung, bzw. Abwicklung der Schule zu vermeiden, ist aber für langfristige Planungen und erst recht millionenteure Neubauten kein Fundament. Beschlossen ist allerdings noch gar nichts, aus Verwaltung und Kommunalpolitik ist bislang nur lautstarkes Schweigen zu vernehmen. Und so geht Lühr den einzigen Weg, der seine zweite Regionalschule vor der Schließung bewahren könnte - er organisiert sie, als wäre sie keine: „Praktisch“, so der Pädagoge zur NZ, „sind wir nichts anderes als eine Gemeinschaftsschule“. So würden die SchülerInnen bis zur Klasse neun gemeinsam unterrichtet und lernen lediglich in den Hauptfächern nach Leistung unterschiedlich. Bleibt abzuwarten, ob sich das bis zu den Eltern herumspricht und die Anmeldezahlen steigen. Ist das nicht der Fall, wird es wohl im Sommer 2012 keine fünfte Klasse mehr an der Regionalschule Garstedt geben.
Unterdessen hat sich auch die Situation der Gemeinschaftsschulen verschlechtert: Während von den zwei Regionalschulen lediglich die Einrichtung in Friedrichsgabe wirklich funktioniert, verzeichnet auch bei den drei Gemeinschaftsschulen lediglich die traditionell erfolgreiche Willy-Brandt-Schule am Lütjenmoor anhaltend hohe Anmeldezahlen und muss jedes Jahr SchülerInnen ablehnen. Die Gemeinschaftsschule Harksheide und erst recht die Gemeinschaftsschule Ossenmoorpark (Schulzentrum Süd) hingegen melden deutliche Rückgänge. Gründe könnten die Verunsicherung der Eltern oder auch die Entscheidung sein, das Lise-Meitner-Gymnasium künftig als einziges Gymnasiumder Stadt bis zur 13. Klasse („G9“) zu führen. Insgesamt verzeichneten die Norderstedter Gymnasien bis Ende März (reiner Elternwunsch) 346 Anmeldungen, in den Gemeinschaftsschulen sollten 238 Kinder eingeschult werden, die Regionalschulen wählten nur 83 Eltern.
Derweil tauchten in der bundesweiten Schuldebatte ganze neue Konstellationen auf, diesmal innerhalb der CDU und durchaus überraschend: Während sich die Bundespartei vor wenigen Tagen darauf verständigt hat, neben den Gymnasien künftig nur noch eine Schulform anzustreben, die intern aber weiter in Real- und Hauptschulniveau unterteilt, fordern zahlreiche CDU-Bürgermeister inzwischen eine Gemeinschaftsschulemit auch tatsächlich gemeinsamer Beschulung aller Leistungsklassen. Das könnte dann auch das Ende der von Beginn an als „Resteschule“ empfundenen Regionalschulen in Schleswig-Holstein sein und wäre ein echter Schritt zur von der FDP wie der Teufel gefürchteten „Einheitsschule“.