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Montag, 15. Januar 2007, 1:00 Uhr
Revolution im BDS
Muss "Knuddelkönig" Helmut abdanken?
Da war die Welt noch in Ordnung: Marlis Krogmann (FDP, links) und Helmut Münster (CDU) in trauter Zweisamkeit (Screenshot von der Seite www.bds-norderstedt.de)
Von Olaf Harning | Er ist konservativ, gibt sich spießbürgerlich und agiert nicht selten arbeitnehmerfeindlich. Dennoch (oder auch deshalb?) kann der Bund der Selbstständigen in Norderstedt unter Führung von Helmut Münster (noch) über 450 Mitglieder vorweisen. Doch seit einigen Wochen ist Feuer unterm Dach: Das Fußvolk ist ausgezogen, seinem Knuddelkönig genau den Stuhl zu entziehen, an dem er allzu fest klebt. Eine unterhaltsame Revolution.
1997 war es, als Helmut Münster den bis dato eher unauffälligen Verband übernahm, zu aufdringlicher Öffentlichkeitsarbeit und in der Folge steilem Mitgliederzuwachs ansetzte. Bis vor kurzem tat der Obermeister der Segeberger Elektroinnung und CDU-Stadtvertreter das so unumstritten wie erfolgreich - zumindest innerhalb des BDS: Offensive Werbung und einige wenige plakative Forderungen an die Politik reichten offensichtlich als Konzept, um zahlreiche Norderstedter Unternehmen zur Mitgliedschaft zu bewegen, dazu kamen regelmäßige Ausfahrten mit Gruppenfoto. Und so machte der Elektro-Unternehmer den örtlichen BDS mit etwa 450 Mitgliedern nicht nur zur größten Wirtschaftsvereinigung der Stadt, sondern auch zur weitaus größten Gruppe im BDS Schleswig-Holstein. Der nämlich weist laut wikipedia-Eintrag bis heute nur klägliche 200 Mitglieder auf, per gesonderter Vereinbarung sind gerade einmal 16 der Norderstedter Mitglieder gleichzeitig Mitglied in der Landesorganisation.
Kein Wunder also, dass Helmut Münster während der letzten BDS-Jahreshauptversammlung von der Schleswig-Holsteinischen BDS-Landesvorsitzenden Anke Nolte mit unzeitgemäßen Lobeshymnen überschüttet wurde: "Helmut ist der unumstrittene Knuddelkönig", wird die BDS-Vorsitzende zitiert, "eine Frau, die sich nicht von Helmut knuddeln lässt ist eine Zicke und hat im BDS nichts verloren." Gegenüber dem Info Archiv gab sich Nolte - auf das Frauenbild ihrer Aussage angesprochen - jedoch defensiv: Für sie sei das Wort "Zicke" ein Ausdruck für inhaltslose Kritiker, der Männer und Frauen gleichermaßen treffe, sie habe diesen Satz quasi als ironische Replik auf eine Rede Helmut Münsters anlässlich seines 50. Jubiläums gewählt. Der Knuddelkönig hatte dort offenbar selber davon gesprochen, dass "Zicken" im BDS nichts zu suchen hätten. Doch die Landesvorsitzende beließ es nicht dabei: An anderer Stelle betonte sie, dass im Mittelstand nichts "ohne die Frauen an der Seite ihrer Ehemänner" gehe - ein Gesellschaftsbild aus dem letzten Jahrhundert. Wie dem auch sei: Im Bund der Selbstständigen scheint es dieser Tage gleich mehrere "Zicken" zu geben, denn knuddeln mögen Helmut Münster zur Zeit nicht Viele. Zumindest nicht öffentlich. Am Tag der Jahresversammlung jedenfalls hatte die Demontage des Patriarchen längst begonnen - seit Monaten soll nun schon die Kritik am Knuddelkönig gären.
Als Gründe für die Palastrevolte werden nach Recherchen der Norderstedter Zeitung (NZ) sowohl Münsters uneffektive Verbandsführung genannt, als auch seine indirekte Verstrickung in mindestens einen Fall illegaler Preisabsprachen zum Thema gemacht. Direkt für die Affäre verantwortlich: Sohnemann Andreas, ebenfalls Mitglied des BDS und heutiger Geschäftsführer des von Helmut Münster aufgebauten Fachgeschäfts Elektro-Münster. Im Zuge eines Angebots an die Stadt Norderstedt hatten Andreas Münster (43) und sein vermeintlicher Konkurrent Hans-Dietrich Rathke (75) nahezu identische Angebote abgegeben, in einer der Firmen fand die Polizei später sogar ein entsprechendes Fax des Mitbewerbers: Ein ebenso drastischer wie stümperhaft ausgeführter Verstoß gegen die geltenden Vergabegesetze. Nachdem die Kieler Staatsanwaltschaft Strafbefehle erwirkt hatte und beide Unternehmen zur Zahlung einer Geldstrafe von 9.000 Euro aufforderte, legten Münster und Rathke Rechtsmittel ein.
Für den Knuddelkönig ist der Schlamassel seines Sohnes ein herber Rückschlag, hatte er doch in den vergangenen Jahren unermüdlich für die Vergabe städtischer Aufträge an heimische Unternehmen geworben - "wegen der hohen Seriosität". Die Stadt reagierte hart auf die Affäre: Stadtsprecher Kai Jörg Evers kündigte an, die Vergabekriterien zu verschärfen und künftig mehr auswärtige Firmen zu Angeboten aufzufordern. Er könne nicht ausschließen, dass es "solche Preisabsprachen auch in der Vergangenheit schon gegeben hat." Kritik an Münsters Amtsführung wird seit Wochen auch öffentlich geäußert. Dabei wird die Liste der Rücktritte und KritikerInnen immer länger - und auffällig "liberaler": Insbesondere die Freien DemokratInnen unter den Revoluzzern verlangen sehr nachdrücklich, dass Christdemokrat Münster seinen Stuhl räumen soll, vereinzelt ist schon von einem "liberalen Putsch" die Rede. So bemängelte neben Elisabeth Zibell auch die stellvertretende und wohl bald Erste BDS-Vorsitzende Gabriele Heyer (FDP) in der Norderstedter Zeitung die Amtsführung ihres Knuddelkönigs, Beisitzer Uwe Matthes (FDP) werden lautstarke Drohungen gegenüber Münster nachgesagt. Heyer: "Zwischen mir und Helmut Münster gibt es seit langem sehr unterschiedliche Auffassungen, was die Vereinsführung betrifft". Heyer außerdem enttäuscht: "Ich habe es satt, nur als dummes Blondchen dazustehen". Die beiden FDPlerInnen sind in den Wirren des Machtkampfes mittlerweile - ebenso wie Dirk Bruster (Beisitzer, Norderstedt Marketing) und Jens Scherping (Schriftführer) - von ihren Ämtern zurückgetreten, Zibell trat gar aus dem BDS aus.
Nach nunmehr wochenlang über die NZ ausgetragenenen Grabenkämpfen scheint in der Auseinandersetzung Münster gegen den BDS nunmehr alles auf einen Sturz des Knuddelkönigs hinauszulaufen. Selbst Bürgermeister Hans-Joachim Grote (CDU) soll mittlerweile das sinkende Schiff seines Segel-Kumpans verlassen haben, auf Sitzungen wird der einstige Vorzeige-Unternehmer weiträumig umlaufen. Wahre Freunde erkennt man erst in der Krise: Als wichtigster Unterstützer am Hofe Münster erweist sich der Journalist und Werbe-Fachmann Günther Döscher (CDU), der selbst hinter staatlichen Zahlungen an die Hamburger AIRBUS-Werke die Fratze des Sozialismus entdeckt und in seiner Zeit beim Norderstedter Anzeiger auch schon mal jugendliche DemonstrantInnen als "kommunistische Nestscheißer" bezeichnete. Es spricht für sich, dass Döscher für die BDS-Hauspostille "BDS-Aktuell" verantwortlich zeichnet.
Trotz der Misere weigert sich der Knuddelkönig (noch) nachdrücklich, die Krone abzulegen. In den Medien werden ihm putzige Sätze nachgesagt, die ein ausgewachsenes egozentrisches Selbstbild erkennen lassen: "Ich habe den BDS aufgebaut, dann kann ich auch mit ihm untergehen!" Den meisten NorderstedterInnen wäre damit sicherlich gedient, wenn nicht nur der Patriarch selbst, sondern sein ganzer Hofstaat abdankt. Dann blieben den LeserInnen von Norderstedter Zeitung und Heimatspiegel künftig die doppelseitigen Meldungen über BDS-Kutterfahrten oder des Knuddelkönigs jüngste Freizeitbetätigung ebenso erspart, wie Forderungen nach Senkung der ohnehin zu niedrigen Gewerbesteuer. Übrigens: Die Landesvorsitzende möchte sich zu den Vorgängen in Norderstedt nicht äußern. Sie sehe nur "ein trauriges Pöstchengerangel, in dem es darum geht, nicht abgeben zu wollen." Dennoch habe sich Helmut Münster natürlich um die Norderstedter Wirtschaft und den BDS im höchsten Maße verdient gemacht. Undank ist der Welten Lohn.