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Sonntag, 25. Mai 2003, 2:00 Uhr

"Wir rufen auf, die Familie zu schützen !"

Politische Geste am Rande des Familiengottesdienstes in Itzstedt

Info Archiv | Wie bereits mehrfach berichtet, waren die E.´s zuvor mehr als ein Jahr lang von rund einem Dutzend junger Rechtsradikaler bedroht und angegriffen worden, ohne dass sich irgendjemand sonderlich darum gekümmert hätte. Nach einem Artikel im Kieler "Gegenwind" und einer breitangelegten Flugblattaktion in der weiteren Umgebung des E.´schen Wohnhauses hatten sich jedoch zahlreiche ItzstedterInnen mit der Familie solidarisiert und eine Welle der Unterstützung ins Rollen gebracht.
Heute nun fand zum insgesamt dritten Mal der "Familiengottesdienst mit den Kindern aus Tschernobyl" im Itzstedter Neubaugebiet statt, um den jährlichen Besuch von den jüngsten Opfern der Reaktorkatastrophe bei Kiew mit etwas Fröhlichkeit abzurunden. Anläßlich des Gottesdienstes, den der Naher Pastor Wulff dabei in einem zur Kapelle umfunktionierten Carport abhielt, richtete er die Augen der Anwesenden auch noch einmal auf das Schicksal der Familie E.: "Es gibt in unserer Gemeinde einige Jugendliche, die - gelinde ausgedrückt - politisch nicht sehr gut davor sind. Deshalb hat sich vor kurzem ein Aktionsbündnis gegen Neonazis in Itzstedt/Nahe gegründet, das nun zum Schutz der Familie E. aufruft. Wir heißen Familie E. in unserer Gemeinde herzlich willkommen !"

Tatsächlich setzten sich vor rund drei Wochen einige ItzstedterInnen zusammen, um gemeinsame Schritte gegen den Terror der jugendlichen Nazis zu beraten. Als eine erste Aktion wurde nun ein Flugblatt zusammengestellt, in dem die Ereignisse zusammengefaßt werden und das zur Zivilcourage aufruft. Schon ab Mittwoch dieser Woche soll das Papier an alle Haushalte Nahes und Itzstedt verteilt werden - mithin rund 2.000 Exemplare.
Schon während des Straßenfestes allerdings bekundeten Dutzende Familien ihre Solidarität mit den E.´s. Sie kamen zum Stand mit kurdischen Spezialitäten und hinterließen nicht selten ihre Telefonnummern und Adressen, einige verabredeten bereits gegenseitige Besuche. Es scheint, als sei die Familie ausgerechnet durch die Aktivitäten der jungen Schläger in der Gemeinde "angekommen".
Doch der Spuk ist noch nicht ganz vorbei. Auch in den letzten Wochen kam es - allerdings weit seltener - zu rassistischen Beschimpfungen von AusländerInnen in Itzstedt. Außerdem machten die Nazis deutlich, dass sie das Anwachsen ihrer Gegnerschaft sehr wohl zur Kenntnis genommen haben: Während man in der Gemeinde munkelt, dass die ersten von ihnen Angst um ihre Arbeitsplätze bekommen, sprühten andere Hakenkreuze an die Wände der Kirchengemeinde.
Die KommunalpolitikerInnen der Gemeindevertretung scheinen von all dem indes wenig zu halten. Zwar wurde das "Thema" auf der jüngsten Sitzung (ergebnislos) behandelt, auf entsprechende Anfragen von Konfirmandengruppen, dem Kieler Gegenwind oder auch der Kirchengemeinde reagierte die frischgebackene Bürgermeisterin Uta Mette (59, FDP) jedoch nicht. Und auch auf dem Straßenfest - immerhin von insgesamt 350 ItzstedterInnen besucht - ließ sich niemand der Verantwortlichen blicken.

Veröffentlicht in Faschismus/Antifaschismus mit den Schlagworten FDP, Neonazis