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Samstag, 1. Februar 2003, 1:00 Uhr

SPD Norderstedt fordert: Kein Verkauf der Stadtwerke

Jürgen Lange lehnt Privatisierung strikt ab

Info Archiv | "Nicht die von der CDU ins Spiel gebrachte Privatisierung, sondern eine rechtzeitige Kontrolle hätte diesen Schaden vermeiden können", kommentierte Jürgen Lange dabei die nicht abreißenden Skandale um die Werksleitung unter Volker Hallwachs. Unter anderem Korruption, Vetternwirtschaft und Geldverschwendung waren der Stadtwerke-Leitung nach Bekanntwerden eines schonungslosen Berichts des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) vorgeworfen worden, im Rahmen einer Hausdurchsuchung beschlagnahmten fast 100 Beamte Ende letzten Jahres hunderte von Akten. Auf dem Höhepunkt der anschließenden, politischen Auseinandersetzungen trat damals Stadtvertreterin Maren Plaschnick aus der SPD aus . . . und wenig später in die Grün Alternative Liste Norderstedt (GALiN) ein. Sie hatte zuvor unter anderem ihrer Partei vorgeworfen, sich gegen eine effektive Kontrolle der Werksführung versperrt zu haben.
Doch von diesen aktuellen Entwicklungen abgesehen hätte das öffentliche Unternehmen, das laut Jürgen Lange nach Stadtgründung 1970 aus den ehemaligen Gemeindewerken Garstedt maßgeblich von der SPD aufgebaut worden sei, "erfolgreich für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Norderstedt gearbeitet". Für die Einwohner sei es ein Glück gewesen, dass sich die CDU nicht damit durchgesetzt hätte, die Stadtwerke an die Schleswag zu verkaufen. Nur durch den Verbleib des Unternehmens im städtischen Haushalt ist es nach Meinung des SPD-Stadtvertreters Lange möglich, dass die Preise für Gas und Wasser in Norderstedt weiterhin zu den günstigsten in ganz Norddeutschland zählen. Daher lehnt die SPD eine Umwandlung des Unternehmens in eine GmbH oder AG ebenso entschieden ab, wie die Option eines Verkaufs an die Schleswag.

Hintergrund: Staats- oder Privatbetrieb - Die Norderstedter Stadtwerke sind ein kommunaler Eigenbetrieb (dokumentiert aus "Stattzeitung" Januar/Februar 2003):
Als Eigenbetrieb nach dem deutschen Gemeinderecht sind sie vollständig im Besitz der Stadt, stellen aber ein aus dem städtischen Haushalt ausgegliedertes "Sondervermögen" dar. Damit unterliegen sie nicht den starren, strikten Regeln des kommunalen Haushaltsrechts, sondern können selbstständig kalkulieren und flexibel nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen arbeiten. Die Werkleitung handelt weitgehend eigenverantwortlich, ist dabei aber weiterhin an das öffentliche Recht gebunden, z.B. bei der Vergabe von Aufträgen - was Norderstedts Stadtwerke-Leitung einige Male missachtet zu haben scheint. Die Dienstaufsicht erfolgt durch den Bürgermeister, die Aufstellung und die Kontrolle der Wirtschaftspläne durch den Werkausschuss (bei uns: Ausschuss für Finanzen, Werke und Wirtschaft) der Stadtvertretung. Dieses Modell stellt einen ausgewogenen Kompromiss dar: Die Kommunalpolitiker haben noch genügend Spielraum, um den Stadtwerken Aufgaben zur Versorgung der Bürger zuzuweisen; und die Stadtwerke haben genug Freiheiten, um diese Aufgaben wirtschaftlich und verantwortungsvoll zu erfüllen; da der Werkausschuss öffentlich tagt und alle Fraktionen vertreten sind, läßt sich im Prinzip auch jede Geheimniskrämerei vermeiden.
Noch mehr Einfluß hätten Politik und Verwaltung, wenn die Stadtwerke ein Regiebetrieb (wie die Stadtreinigung) wären. Das will allerdings niemand, weil sie dann wie ein Amt geführt werden müssten - auf dem freien Markt für Strom, Wärme und andere Dienstleistungen könnten sie sich nicht lange behaupten.
Eine Privatisierung, wie sie von CDU und FDP erwogen wird, wirft dagegen ganz andere Probleme auf. Dabei muss man zwischen formaler und materieller Privatisierung unterscheiden. Bei der formalen Privatisierung würden die Stadtwerke bloß in eine private Rechtsform als GmbH oder AG überführt, blieben aber zu 100 Prozent im Besitz der Stadt. Das hätte dennoch weitgehende Konsequenzen, denn sie würden dann dem Gesellschaftsrecht unterliegen: Entscheidungsprozesse fallen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, die Beteiligten müssen Verschwiegenheit wahren. Vor allem aber sind sie gesetzlich verpflichtet, bei ihren Entscheidungen nur das Wohl der Gesellschaft im Auge zu haben. Abweichende oder übergeordnete Interessen der Kommune und ihrer Bürger dürfen zumindest dann nicht berücksichtigt werden, wenn die der GmbH oder AG wirtschaftliche Nachteile bringt. Wenn z.B. ein Energiekonzern einer Stadtwerke AG Strom zu Dumpingpreisen anbietet, wären unsere umweltschonenden Blockheizkraftwerke oder die Solaranlagen in Gefahr.
Das gilt erst recht bei der materiellen Privatisierung: Dabei würde die Stadt Anteile der Stadtwerke oder den kompletten Betrieb an private Investoren verkaufen - das bringt einmalig Geld in die Kasse, kann sich aber schnell als Boomerang erweisen. Denn private Betreiber wollen und müssen Gewinne machen. Für Umweltprojekte, Nahverkehr oder andere wichtige, aber auf Zuschüsse angewiesene Aufgaben muss dann wieder die Stadt den Zahlmeister spielen.

Veröffentlicht in Kommunalpolitik mit den Schlagworten CDU, FDP, GALiN, Norderstedt, SPD, Stadtwerke