+ + + ARCHIVIERTER INHALT + + +

Diese Seite kommt aus unserem Archiv und enthält möglicherweise Informationen, die nicht mehr aktuell sind. Bitte beachten Sie das Veröffentlichungsdatum dieser Seite.

Sonntag, 13. Mai 2007, 2:00 Uhr

Stadtwerke erneut im Zwielicht

Schwere Schlappe gegen Kritiker: 30 Millionen Minus mit Glasfasernetz?

Info Archiv Norderstdedt | Die Norderstedter Stadtwerke haben offenbar erneut versucht, einen Kritiker mundtot zu machen. Mit Antrag vom 3. April bemühte sich die Werkleitung beim Kieler Landgericht um eine Einstweilige Verfügung gegen den ehemaligen CDU-Stadtrat Jürgen Meßfeldt. Ihm sollte bei drohender Ordnungshaft untersagt werden, Stadtwerke-Chef Volker Hallwachs Lügen in Zusammenhang mit der Finanzierung des Norderstedter Glasfasernetzes zu unterstellen.

Jürgen Meßfeldt ist niemand, der auf den Mund gefallen ist. Wenn ihm etwas in der Norderstedter Kommunalpolitik stinkt, meldet er sich zu Wort - gefragt und ungefragt. Schon mehrfach hat der ehemalige CDU-Stadtrat deshalb auch in Sachen Stadtwerke-Skandal der Jahre 2001 bis 2003 und zur heftig umstrittenen Finanzierung von Unternehmungen der Norderstedter Stadtwerke Erklärungen abgegeben, dabei auch die Werkleitung heftig kritisiert. Aktuell wirft Meßfeldt - Mitte der 80er Jahre als Baudezernent selber politisch für den sogenannten "Bauamtsskandal" verantwortlich - den Stadtwerken vor, regelmäßig Falschmeldungen über die tatsächliche Kostenbelastung durch das einst mit viel Getöse verlegte Glasfasernetz zu verbreiten. So hatte Volker Hallwachs zuletzt am 7. März in einer Telefonaktion der Norderstedter Zeitung betont, die Stadtwerke-Tochter wilhelm.tel würde Gewinne einfahren: "wilhelm.tel hat aktuell einen Gewinn von über 2,5 Millionen Euro mit steigender Tendenz und führt weitere 1,6 Millionen Euro an Pacht für das Glasfasernetz an die Stadtwerke Norderstedt ab."

Diese Darstellung kritisiert Meßfeldt als unseriös. Nach seiner Berechnung schleppen die Stadtwerke aufgrund der Glasfaser-Verlegung ein Kostenvolumen von insgesamt 60 Millionen Euro (Hallwachs: 54 Millionen) mit sich herum und hätten darüber hinaus mittlerweile einen Verlust von rund 30 Millionen Euro erwirtschaftet. Um diesen Schuldenberg abzubauen, mindere das Unternehmen seinen Beitrag an den städtischen Haushalt und schöpfe Geld aus seiner Stromsparte ab: "Von den laufenden, jährlichen Folgekosten (...) werden nur 2,8 Mio Euro (1,6 Mio EUR Pacht der "wilhelm.tel" + 1,2 Mio EUR Eigennutzung durch die Stadt) gedeckt; die fehlenden 3,2 Mio EUR werden aus anderen Einnahmen (...), im wesentlichen aus der Stromsparte, also zu Lasten aller Bezieher von Leistungen der Stadtwerke, gedeckt." Und Meßfeldt ist mit seiner Kritik nicht alleine: Seit Monaten organisieren sich Stadtwerke-Kritiker unter dem Dach des Norderstedter Appell, einem Zusammenschluss von Kundinnen und Kunden, die präzisere Nachweise darüber verlangen, wie denn ihr Strom- und vor allem Gaspreis zustande kommt. Der Verdacht: Die Stadtwerke würden die unstreitig gestiegenen Einkaufspreise noch einmal toppen, um mit den dann höheren Gewinnen andere Belastungen - beispielsweise die Kosten des Glasfasernetzes - zu finanzieren.

Nun kann man bei dem städtischen Eigenbetrieb in der Heidbergstraße mit Kritik traditionell wenig anfangen. So eskalierte die Auseinandersetzung um eigenwillige Vergabepraktiken, undurchsichtige Förderungen einzelner Sportvereine oder Ereignisse, die Beschäftigung von Familienangehörigen und Freunden des Werkleiters bei den Stadtwerken und ihren Töchtern sowie die stete Wanderung größerer Geldbeträge zwischen den Stadtwerke-Unternehmen erst dann, als der Werkleiter sich 2002 - gegen den ausdrücklichen Willen von Bürgermeister Hans-Joachim Grote und der Beschlusslage des Hauptausschusses, mit Hilfe diverser Gutachten und eines Antrages vor dem Verwaltungsgericht gegen weitere Prüfungen des städtischen Rechnungsprüfungsamtes wehren wollte. Schon damals scheiterte das teure juristische Abenteuer bereits im Ansatz: Das Gericht verneinte die "Aktivlegitimation" der Stadtwerke, sie durften überhaupt nicht gegen eine städtische Organisationseinheit und damit Ihresgleichen klagen.

Diesen Vorgang kommentierte 2003 sogar der Landesrechnungshof Schleswig-Holstein in einer Prüfmitteilung eingehend: "Gleichwohl ist die Anrufung des Verwaltungsgerichts durch den Eigenbetrieb (...) gegen "seine Gemeinde" als außergewöhnlicher Vorgang zu bezeichnen". Die Werkleitung "hätte sich (...) auch ohne die eingeholten Gutachten über die Aussichtslosigkeit eines derartigen Antrages im Klaren sein können." Der Landesrechnungshof listete in seiner Prüfmitteilung alleine für das Jahr 2002 Beratungskosten in Höhe von 99.000 Euro auf, die in Zusammenhang mit der Prüfung ihrer Geschäftstätigkeit durch das städtische Rechnungsprüfungsamt (RPA) stehen. Davon flossen etwa 52.000 Euro an eine einzige Kanzlei, mindestens 23.000 Euro wurden ausschließlich zur Überprüfung der Rechte des RPA, bzw. zu dessen Abwehr verwandt. Vor diesem Hintergrund empfahl der Landesrechnungshof der Stadt, "zu prüfen, ob und inwieweit die verantwortliche Werkleitung zur Erstattung der von ihr verursachten finanziellen Aufwendungen für die in Auftrag gegebenen Gutachten (...) im Wege des Regresses herangezogen werden sollte."

Geht man gemeinhin davon aus, dass Schaden klug macht, dass vor allem der gleiche Fehler selten Wiederholung findet, sieht das im Fall der Stadtwerke anders aus. Nachdem Meßfeldt die Angaben von Werkleiter Hallwachs in einem Schreiben an KommunalpolitikerInnen und verschiedene Mitstreiter Mitte März öffentlich kritisiert hatte, versuchten die Stadtwerke offenbar, den ehemaligen Baustadtrat zunächst per "strafbewehrter Unterlassungserklärung", dann am 3. April per Einstweiliger Verfügung zum Schweigen zu bringen. Und so kam es, wie es kommen musste: Mit vergleichsweise geringem Aufwand erreichte Rechtsanwalt Mathias Grau für Meßfeldt die Ablehnung der Verfügung. Zwar machte das Gericht dabei deutlich, dass der Antrag wohl auch inhaltlich, also "in der Sache", abgelehnt worden wäre, aber soweit kam es gar nicht: Wieder einmal waren die Stadtwerke nicht "aktivlegitimiert", wieder einmal wurden (letztlich öffentliche) Gelder für Eitelkeiten verschwendet - ein juristischer Supergau für die Stadtwerke und ihre Leitung.

Inhaltlich darf nun gegenüber Hallwachs und seinen Angaben zur Kostenfrage des Glasfaser-Netzes öffentlich festgestellt werden: "Er versucht mit falschen Tatsachenbehauptungen Kritikern vorzugaugeln, dass die laufenden Millionenverluste eigentlich Gewinne sind. Die laufenden Folgekosten dagegen, die nach objektiven (...) Daten rund 6 Millionen Euro jährlich betragen, versucht Herr Hallwachs auf nur 3,2 Millionen Euro (...) herunter zu manipulieren." (aus der aktuellen Presseerklärung von Jürgen Meßfeldt) Bleibt die Frage, wie lange sich Kommunalpolitik und Stadtverwaltung noch mit ansehen, dass die Stadtwerke von ihrer eigenen Führung regelmäßig in Misskredit gebraucht werden. Die Regress-Empfehlungen des Landesrechnungshofes gegen die Werkleitung wurden nach den Kommunalwahlen 2003 von der nun absoluten Mehrheit der Norderstedter CDU abgelehnt. Noch im Anschluss legte sich vor allem Hallwachs regelmäßig mit Kritikerinnen und Kritikern an und drohte dabei mehrfach mit "rechtlichen Schritten", in Einzelfällen auch PolitikerInnen. Diese Schritte enden - wie aktuell - zwar meist desaströs, führten aber auch zu einer geglückten Einstweiligen Verfügung gegen das Bündnis für eine Soziale Stadt, dem das Verbreiten eines u.a. gegen die Finanzgebaren der Stadtwerke gerichteten Flugblattes untersagt wurde. Auch dem Infoarchiv, bzw. einem seiner AutorInnen drohte der Direktor schon mit juristischen Schritten, worauf einige Artikel auf diesen Seiten befristet vom Netz genommen wurden. Wir nehmen aber nun den aktuellen Fall zum Anlass, unsere Artikel zum Stadtwerke-Skandal wieder online zu stellen. Erklärungen und Artikel zum Stadtwerke-Skandal (unvollständig):