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Montag, 23. Juli 2007, 2:00 Uhr
Stadtwerke verstromen Ökologie
Sind wir nicht alle ein bisschen grün?
Von Hans-Georg (Felix)Becker | Den Öko-Strom wird es in zwei Varianten geben: einen "Basis"-Tarif, bei dem der Strom zu 35 Prozent aus Wasserkraft, zu 15 Prozent aus einem Mix aus Wind-, Sonnen- und Wasserkraft, sowie zu 50 Prozent in Blockheizkraftwerken (BHKW) erzeugt wird, und einem "Premium"-Tarif, bei dem 85 Prozent des Stroms aus Wasserkraft und 15 Prozent aus einer Mischung erneuerbarer Energieträger bestehen. Nach Aussage des zur Werksleitung gehörenden Jens Seedorf wollen die Stadtwerke ihr ökologisches Engagement dadurch unterstreichen, dass 1 EURO vom Grundpreis pro Monat als "Klimabeitrag" für lokale Klimaschutzprojekte verwendet wird. Als Beispiel führte er die kommende Energiemesse in Norderstedt an, zu der die Stadtwerke im Rahmen von "Klimatagen" in Zusammenarbeit mit der örtlichen Wirtschaft über Energiesparmaßnahmen informieren wollen. Außerdem sollen, unabhängig vom neuen Öko-Strom-Angebot, zwei neue Fotovoltaik-Anlagen errichtet, sowie die Leistung der beiden Blockheizkraftwerke (BHKW) Mitte und Lütjenmoor zusammengelegt werden.
Und wie kommt der Öko-Strom nun nach Norderstedt? Eigentlich gar nicht. Physikalisch gesehen, bleibt der Strom, der aus der Steckdose kommt, immer gleich. Besonders eingängig ist der Vergleich mit einem Strom-"See". Allen Abnehmern steht aus diesem Strom-"See" die gleiche Energie zur Verfügung. Nun kommt es darauf an, was in diesen Strom-"See" eingespeist wird. Je mehr sauberes Wasser (Strom) in den dreckigen See fließt, desto sauberer wird der See am Ende sein. Das wiederum ergibt die einfache Formel: je mehr umweltfreundliche Kraftwerke Strom einspeisen, desto sauberer und umweltfreundlicher wird der Gesamtmix, der aus der Steckdose kommt. Der Wechsel zu Ökostrom verändert die Energiewelt also tatsächlich. Am Ende sollen dadurch dann Kohle- und Atomkraftwerke überflüssig werden. Deshalb ist es wichtig, darauf zu achten welche Geschäftspolitik der jeweilige Anbieter von Öko-Strom verfolgt. Erzeuger und Vertreiber, die z.B. mit der Atomindustrie verbunden sind, werden kein gesteigertes Interesse daran haben, Kernkraftanlagen überflüssig zu machen.
Geliefert wird der Strom für die Norderstedter Kunden der Stadtwerke von der österreichischen Die
https://www.verbund.at/cps/rde/xchg/internet/hs.xsl/200_234.htm /" target="_blank">VERBUND-Austrian Power Trading AG (APT). Der Verbund ist Österreichs führendes Elektrizitätsunternehmen und die Firma ATP ist die internationale Stromhandelsgesellschaft des Verbund. Die Verbund AG ist mehrheitlich in staatlichem Besitz (51 Prozent). Die restlichen Anteile befinden sich in Streubesitz, 10 Prozent davon wiederum bei der EVN AG, an der die EnBW (Energie Baden-Württemberg AG) mit 29,7 Prozent beteiligt ist. Die deutsche EnBW liefert aktuell Strom, der zu 52 Prozent aus Kernergie erzeugt wird. Durch den geringen Anteilsbesitz ist allerdings eine direkte Einflussnahme durch die EnBW nicht möglich.
Konsequenten AtomkraftgegenerInnen könnte allerdings auch das schon ein Dorn im Auge sein. Der Hamburger Öko-Strom-Anbieter https://www.greenpeace-energy.de/ " target="_blank"> Greenpeace energy z.B. beliefert seine Kunden mit Strom aus Stromerzeugungsanlagen, die wirtschaftlich nicht mit der Atomwirtschaft verbunden sind. Lieferanten sind in diesem Fall die -ebenfalls österreichische- oekostrom AG, die sich im Besitz von 1.050 AnteilseignerInnen befindet, die sich in öffentlichen Eigentum befindliche Salzburg AG, sowie je 1 Stromerzeuger aus Norwegen und Dänemark. Auf seiner Internetseite führt Greenpeace Energie sogar jede einzelne Stromerzeugungsanlage auf. Greenpeace energy ist eine Genossenschaft mit mehr als 12.000 Mitgliedern, die zum großen Teil auch StromkundInnen sind. Der auch in Hamburg ansässige Konkurrent https://www.lichtblick.de/home/index.php?lbid=jYanMuMlg64Z&v=2&&s=1 " target="_blank"> Lichtblick macht zu seinen Stromerzeugungsanlagen leider keine Angaben. Lichtblick ist ein privates Unternehmen, 90 Prozent des Unternehmens befinden sich im Besitz der Hamburger Familie Saalfeld, die restlichen 10 Prozent teilen sich die beiden Geschäftsführer des Unternehmens. Ein weiterer Öko-Strom-Anbieter, die Düsseldorfer https://www.naturstrom.de/ " target="_blank"> Naturstrom AG (über 50 Prozent des Aktienkapitals befindet sich in der Hand von Kleinaktionären), bezieht ihren Strom wie die Stadtwerke Norderstedt von der ATP aus Österreich.
Der größte Unterschied der Norderstedter Stadtwerke zu den o.g. Öko-Strom-Anbietern: Die Stadtwerke bieten Öko-Strom lediglich als Nieschenprodukt an (langfristiges Ziel sind 1000 Öko-KundInnen), die anderen genannten Anbieter liefern ausschließlich Öko-Strom, und das bundesweit. Der Energiemix der Stadtwerke Norderstedt aus dem Jahre 2004 sieht wie folgt aus: 51 Prozent Kernkraft, 42 Prozent fossile und sonstige Energieträger, 7 Prozent erneuerbare Energieträger. Im Vergleich zum bundesdeutschen Energiemix liefern die Stadtwerke Norderstedt einen relativ hohen Anteil von Strom aus Kernenergie. Im Bundesschnitt liegt der bei 30 Prozent. Entsprechend sind auch die Umweltauswirkungen durch radioaktiven Abfall erheblich höher als im Bundesschnitt.
Mit dem Beginn der Lieferung von Öko-Strom ist jedoch ein wichtiger, wenn auch kleiner, Schritt in die richtige Richtung getan. Wenn die Stadtwerke sich in Zukunft auch vermehrt darauf konzentrieren, z.B. durch Aufklärung im Privatbereich und Initiierung von Stromsparmaßnahmen in öffentlichen Gebäuden, zu drastischen Einsparungen im Stromverbrauch zu sorgen, sind sie auch dem wünschenswerten Ziel, in Zukunft ganz auf Kernenergie verzichten zu können, nähergekommen. Es stellt sich also die Frage: Sind die Stadtwerke Norderstedt eine ernst zu nehmende Alternative zu den reinen Öko-Strom-Anbietern? Der Wechsel zu einem der Öko-Stromtarife oder gar der Wechsel des Stromanbieters wären sicherlich hilfreich bei der Erreichung einer Energiewende.