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Samstag, 25. August 2012, 13:27 Uhr

Streit über Pressefreiheit

Online-Zeitung wieder zu offiziellen Pressekonferenzen eingeladen, aber von Bressensdorf erneuert ihre Presseschelte

Screenshot der Seite www.ulzburger-nachrichten.de

Weiter Stein des Anstoßes: Die Internet-Zeitung "Ulzburger Nachrichten"

Olaf Harning | Wirbel um Henstedt-Ulzburgs ehrenamtliche Bürgermeisterin Elisabeth von Bressensdorf (CDU). Vor laufender Kamera und ungewöhnlich großem Publikum musste sie während der Gemeinderatssitzung am Dienstag den Ausschluss der Ulzburger Nachrichten (UN) von ihren Pressekonferenzen zurückziehen.

Elisabeth von Bressensdorf und Carsten Schäfer vor einer NDR-Kamera

Großes Interesse an Elisabeth von Bressensdorf - hier mit Carsten Schäfer (Foto: Ulzburger Nachrichten)

Damit reagierte die Stellvertreterin des wegen eines Untreueverdachts beurlaubten Verwaltungschefs Torsten Thormählen (parteilos) auf eine Pressemitteilung des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) und Kritik aus allen Fraktionen der Gemeindevertretung - auch ihrer eigenen. Während FDP-Fraktionschef Klaus-Peter Eberhard die erst kürzlich in Amt gebrachte Politikerin sogar zum Rücktritt aufforderte, beließen es Horst Ostwald (SPD), Tile Abel (BfB) und Folker Brocks (CDU) bei scharfer Kritik. Selbst in von Bressensdorfs Partei hätte man sich offenbar eine Entschuldigung gewünscht, die der gelernten Juristin aber nicht über die Lippen kam. Lediglich die Zurücknahme ihrer Anweisung, die Online-Zeitung Ulzburger Nachrichten künftig nicht mehr zu ihren Pressekonferenzen einzuladen, verkündete die 68jährige, erneuerte aber zugleich ihre Kritik an deren Berichterstattung. Mit verschiedenen Artikeln zur umstrittenen Vergabepraxis der Gemeinde habe insbesondere UN-Chefredakteur Jörg Schlömann - übrigens vor einigen Jahren noch Parteifreund von Bressensdorfs - einen "unterschwelligen Korruptionsverdacht" gegen Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung erhoben. Daher habe sie sich schützend vor die MitarbeiterInnen stellen müssen. Im Umfeld der Sitzung filmte auch ein Kamerateam des NDR (hier der Bericht), eine Drehgenehmigung für die Gemeindevertretung selbst wurde dem Sender jedoch verwehrt.

"Das Auftauchen der HU-Nachrichten hat für eine ganz neue Qualität im politischen Wirken unseres Ortes gesorgt. Mit guten Ansätzen, mit aktuellen Informationen. Mit Hintergrundwissen. Mit gelungenen Kommentaren.

Schnell wurde aber klar, dass hier ein älterer Mann, finanziell gut ausgestattet mit einer staatlichen Rente und mit einer Betriebsrente von Axel Springer, wichtigeres vorhat."

 

Bürgervorsteher Carsten Schäfer (BfB) in der Sitzung des Gemeinderates am 21. August.

Nicht nur die Bürgermeisterin selbst kritisiert die Ulzburger Nachrichten, besonders deutliche Angriffe setzte einmal mehr auch Bürgervorsteher Carsten Schäfer (BfB) ab, der in den Artikeln ebenfalls regelmäßig angegriffen wird. Seiner Meinung nach haben die UN mit ihrer Berichterstattung "eine Kultur des Misstrauens" geschaffen und seien in dieser Form eine "Fehlentwicklung", die kritikwürdig sei. In der Gemeindevertretung griff Schäfer Schlömann auch persönlich an (siehe Kasten). Dabei warf er dem Journalisten vor, mit den Ulzburger Nachrichten vor allem seinen persönlichen Bruch mit der CDU 2008 zu verarbeiten und sie als eine Art Parteizeitung der WHU zu betreiben. Und dann ein Satz, der den Bürgervorsteher ein wenig verdächtig macht, selber noch mit seiner ehemaligen politischen Heimat abzurechnen: "Aber sehr schnell haben sich zwei Gruppen gefunden, eine Fraktion, die sich kritisch nennt, aber in Wirklichkeit ANTI ist, fast gegen alles, und ein Journalist, der seine Hühnchen mit der CDU rupfen will." Die Fraktion, die "fast gegen alles" ist - diesen Vorwurf macht Schäfer regelmäßig der WHU und insbesondere ihrer Fraktionsvorsitzenden Karin Honerlah.

Kommentar

"Geht´s noch?" fragt Bürgervorsteher Carsten Schäfer mit Blick auf den Streit um die Ulzburger Nachrichten und man möchte ihm fast beipflichten, wenn er anschließend von einem "lauen Lüftchen" spricht, das "künstlich aufgeblasen" wurde. Allerdings war es Bürgermeisterin von Bressensdorf, die hier überreagiert, die etwas "aufgeblasen" hat, indem sie ein kritisches Medienprojekt von ihren Pressekonferenzen ausschloss - ganz nach dem Motto: "Mit Euch spiel ich nicht mehr!"

Richtig ist, dass in einigen Artikeln und Kommentaren auch der persönliche Groll eines Jörg Schlömann erkennbar war. Das aber führt nur zu der Erkenntnis, dass auch kritischer Journalismus nicht automatisch hochwertig ist - nicht bei großen Zeitungen, nicht bei den Ulzburger Nachrichten, nicht beim Infoarchiv. Dennoch ist er zwingend notwendig, gerade wenn Missstände - wie die umstrittene Vergabepraxis in Henstedt-Ulzburg - über Jahre andauern und schon zur Tradition werden. Daher bleibt der Eindruck, dass hier im wesentlichen der "Überbringer der schlechten Nachricht", oder auf Neudeutsch: Der Whistleblower abgestraft werden sollte. Wie Carsten Schäfer allerdings richtig feststellte - ohne Erfolg: "Unsere feinen Antennen für Richtig und Falsch haben funktioniert.

 

Olaf Harning

Kritik am Online-Portal kommt aber auch von Horst Ostwald und Folker Brocks. Während Ostwald einen indirekten Vergleich zur BILD-Zeitung zog ("aber der Sportteil ist gut"), wähnte Brocks bei den Ulzburger Nachrichten gar ominöse Finanzierungsströme. Offenbar hat es sich noch nicht überall herumgesprochen, dass ehrenamtlicher Journalismus im Internet praktisch keine Kosten verursacht.

Wie die Gemeinde künftig auch mit kritischen Medien umzugehen hat, formulierte schleswig-holsteins DJV-Vorsitzende Karla Frieben-Wischer gegenüber dem NDR so: "Das ist ganz eindeutig, dass die Bürgermeisterin hier gegen das Landespressegesetz verstößt. Es ist ihre Aufgabe und ihre Pflicht, die berichtenden Medien zu unterrichten und zu informieren - und zwar alle gleich." Und DJU-Geschäftsführerin Bettina Neitzel bestärkt in ihrer Presseerklärung: "Es ist den Behörden aus gutem Grund verboten, kritische Medien auszuschließen. Vielmehr ist es Aufgabe der Medien, Informationen zu sichten und zu bewerten." Das werden die Ulzburger Nachrichten wohl auch in Zukunft tun.

 

2 Kommentare zu diesem Artikel

28.08.2012, 12:45 Uhr Karin HonerlahWHU ist fast gegen alles

Ist schon putzig, in welche Ecke die WHU vom Bürgervorsteher immer gestellt wird. Das Ulzburg-Center wurde von der WHU abgelehnt, weil der zusätzliche Verkehr als nicht zu verkraftende Belastung angesehen wird und die zusätzlichen Verkaufsflächen bei Weitem nicht dem Bedarf enstprechen. Wer unsere Argumentation verfolgt hat, weiß, dass wir ein kleiner dimensioniertes Einkaufscenter getragen hätten. Wir waren und sind sehr für ein kleineres EKZ mit der versprochenen höherwertigen Qualität.
Die Wagenhuberbebauung mit übebordener Bebauung, hoch in den Himmel und bis in die letzten Ecken, haben alle Fraktionen abgelehnt. Wir können uns hier durchaus Wohnbebauung vorstellen, wenn zu vor wichtige Fragen geklärt sind, wie z.B. der verkehrliche Anbindung, Feuerwehrbelange, Lage und Größe von Einzelhandelhandelsflächen. Solange dies nicht geklärt ist, wird sich die WHU nicht positiv a la BfB äußern und in jedweder Art von reduziertem Vorschlag jeweils Chance sehen. Auch nicht, wenn der Wald jetzt nicht komplett abgeholzt werden soll, sondern als Waldkindergarten (allerdings mit Gebäude im Wald) dargestellt wird.

27.08.2012, 14:05 Uhr AnonymousKrippenspiele

Die amtierende Bürgermeisterin und der Bürgervorsteher, beide von CDU-Gnaden, haben wunschgemäß agiert. So bleibt ihnen die Futterkrippe der CDU-Granden, gefüllt mit Pöstchen, erhalten. Na dann ist ja in Henstedt-Ulzburg alles wieder, wie es sein muss, nicht wahr?
Wen interessieren da noch demokratische Rechte, wie die Presse- und Meinungsfreiheit, Bürgerrechte oder anderes Gedöns. ...