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Donnerstag, 22. Juli 2004, 2:00 Uhr
"Uns ist die Einheitsgemeinde viel Wert"
Weiteres Interview zum Streit zwischen der "Jüdischen Gemeinde Hamburg" und dem "Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein e.V."
Das Interview führte Reinhard Pohl | Reinhard Pohl, Redakteur der Kieler Zeitschrift, hatte bereits während der Grundsteinlegung für die neue Synagoge in Bad Segeberg am 6. Juni Gelegenheit, mit Walter Blender zu sprechen.
Gegenwind Wie kam es zum Konflikt zwischen der Jüdischen Gemeinde Hamburg und der Jüdischen Gemeinde in Bad Segeberg beziehungsweise dem Landesverband?
Walter Blender Gerne erläutern wir diese Umstände aus unserer Sicht. Doch einiges müssen wir vorweg klarstellen, weil es sich unmittelbar auf die vorherige Ausgabe der Zeitschrift Gegenwind bezieht; es sind nachweislich falsche Angaben von Herrn Andreas Christoph Wankum:
1. Zu keinem Zeitpunkt hat sich Herr Wankum mit uns telefonisch in Verbindung gesetzt und ein Gespräch angeboten oder dazu eingeladen.
2. Herr Wankum beleidigte uns öffentlich in der Presse in unschöner Art und Weise, er erklärte weiterhin in der Presse das Amtsgericht Bad Segeberg für antisemitisch, weil es die Gründung eines Jüdischen Landesverbandes per Beschluss bestätigte, es folgten weitere öffentliche Angriffe unter der Gürtellinie, -kurz um, die Pressekampagne geht nachweisbar auf sein Konto.
3. Ein liberaler Jude kann nicht nach orthodoxem Ritus beten, vor allem keine liberale Jüdin. Es ist ihr in der Orthodoxie nämlich untersagt, unten neben den Männern zu beten, die Tora zu berühren oder überhaupt den Gottesdienst aktiv mitzugestalten.
4. Zu keinem Zeitpunkt hat Herr Wankum angeboten, uns an den staatlichen Förderungen zu beteiligen.
Von unserer Seite aus ist nie ein Konflikt initiiert worden, im Gegenteil. Seit Jahren suchten wir schriftlich und persönlich den Kontakt zur Hamburger Gemeinde, weil wir Hilfe für den Aufbau unserer Gemeinde benötigten. Wir sind bedauerlicherweise vom Vorstand ignoriert worden. Als wir uns dann selbständig machen wollten begann der Konflikt, weil Hamburg es schlicht weg nicht geduldet hat. Die Erfahrung mit Hamburg, vor allem die der Emigranten aus den GUS-Staaten, war so schlecht, dass man sagte, wir können nicht mehr unter der Fuchtel von Hamburg leben. Es wurde alles verboten, man konnte den Umgang mit Todesfällen nicht regeln, man konnte die Gottesdienste nicht regeln, ebenso wenig die Möglichkeit eines Religionsunterrichtes. So wurde letztlich aus der Not heraus eine unabhängige Gemeinde gegründet. Das waren übrigens die gleichen Umstände, unter denen sich auch andere Gemeinden gegründet haben. Die Pinneberger Juden haben heimlich Gottesdienste im Keller einer Diakonie durchgeführt. Ihnen wurde angedroht, sie aus dem Judentum hinauszuwerfen, wenn sie eine Gemeinde gründen. Diese Androhungen waren unmenschliche Einschüchterungen, man hatte mit der Unsicherheit der Immigranten aus den ehem. GUS-Staaten gespielt.
Herr Wankum wurde dann persönlich beleidigend, auch einzelnen Mitgliedern unseres Vorstandes gegenüber und er versuchte den von uns mitgegründeten "Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein" aus dem Register des Amtsgerichts löschen zu lassen. Das misslang ihm; es erfolgte ein Gerichtsbeschluss zu unseren Gunsten.
Nach einer Vielzahl von unwahren Behauptungen, öffentlichen Beleidigungen und übler Nachrede erstatteten wir Strafanzeige gegen ihn. Seitdem ist etwas mehr Ruhe eingekehrt.
Im Interview der letzten Ausgabe des "Gegenwind" stellt Herr Wankum etwas dar, was es nie gegeben hat: Er spricht von einem gemeinsamen Verband, von der Akzeptanz verschiedener religiöser Strömungen, von Vereinbarungen, von einem freundlichen Entgegenkommen gegenüber den Neueinwanderern u. ä.. Alles das sind Darstellungen, mit denen der Leser über die tatsächlichen Verhältnisse getäuscht wird. Nie wollte Herr Wankum mit unseren Gemeinden eine gemeinsame Organisationsstruktur trotz unserer Bitten, nie hatte er unsere Gemeinden akzeptiert, nie auf unsere Briefe geantwortet und nie in Erwägung gezogen, unsere Gemeinden mit den Schleswig-Holsteinischen Geldern zu fördern. Als Rechtfertigung dafür bediente er sich unschöner Mittel, wie negativer Interviews hinter unserem Rücken oder wahrheitswidriger Presseveröffentlichungen.
Beispielsweise behauptete Herr Wankum in einem Interview der Frankfurter Rundschau vom 6.4.04, dass die "Mitglieder unserer Gemeinde keine Juden seien und wir keine Jüdische Gemeinde".
Das ist also das Erfolgsrezept von Herrn Wankum: Man spricht Juden die Eigenschaft ab jüdisch zu sein, daher kann die "Gruppierung" auch keine jüdische Gemeinde sein und dann kann sie auch bedenkenlos ausgeschlossen werden. Politiker, Minister, Parteivorsitzende und hochrangige Kirchenvertreter aus Norddeutschland werden über diese "Betrüger" vorsichtshalber informiert, damit sie nicht auf sie hereinfallen. So schreibt uns einer der hohen Kirchenvertreter, "dass es uns mit Rücksicht auf die Jüdische Gemeinde in Hamburg leider nicht möglich ist, ihrer ´Gruppierung´ zu helfen". Das sind nicht nur nachvollziehbare, sondern auch nachweisbare Ursachen für den Konflikt des Landesverbandes mit der Hamburger Gemeinde.
Gegenwind Wie funktioniert die Aufnahme jüdischer Emigranten in Schleswig-Holstein? Wie hören die Einwanderer von den Gemeinden, wie werden sie Mitglied?
Blender Grundsätzlich sollen sie in der Aufnahmestelle in Neumünster informiert werden, was aber nicht immer richtig und gleichmäßig gelingt. Die von der Hamburger Gemeinde instruierten Sozialarbeiter informierten die neuen Immigranten ausschließlich bzgl. der Existenz der Jüdischen Gemeinde in Hamburg. Daher sollten sie möglichst nahe an dieser Gemeinde wohnen. Dann wurden alle in Hamburg registriert und so kommen auch die Zahlen der Jüdischen Gemeinde Hamburg teilweise zustande.
Man hat aber nicht darüber informiert, dass es an mehreren Orten Jüdische Gemeinden gibt, wo es vielleicht freie Arbeitsplätze gibt, wo bestimmte Handwerker gesucht werden. Sinnvoller wäre eine neutrale Information über alle vorhandenen Gemeinden mit einer Darstellung der Infrastruktur, damit die Einwanderer über die Angebote der verschiedenen Gemeinden informiert werden. Wir haben nie erfahren, wohin jüdische Migranten verteilt wurden, das geschah zufällig, wenn sich welche bei uns meldeten. Denn wir sind nicht berechtigt, Listen der registrierten Einwanderer zu empfangen. Aber wir hören von allen, die zu uns kommen, dass sie sehr einseitig von Mitarbeitern der Jüdischen Gemeinde in Hamburg informiert worden sind.
Wer Mitglied in unserer Gemeinde werden will, muss eindeutige Dokumente vorweisen können, die seine Zugehörigkeit zum Judentum belegten. Das wird von einem Rabbiner und von einer Aufnahmekommission überprüft. In Zweifelsfällen zählt die Entscheidung eines Rabbinatsgerichtshofes.
Wenn man sich vor Augen führt, dass seit 10-15 Jahren Jüdische Immigranten in Schleswig-Holstein aufgenommen worden sind, aber Hamburg nicht für die Gründung auch nur einer einzigen Gemeinde gesorgt hat, dann kommen natürlich jedem begründete Zweifel, ob die Jüdische Gemeinde in Hamburg ihren schriftlich festgelegten Auftrag der Förderung des Jüdischen Gemeindelebens in Schleswig-Holstein überhaupt erfüllt hat.
Gegenwind Wie groß sind die Kenntnisse der Neuankömmlinge über das Judentum? Und was bieten Sie und die anderen Gemeinden des Landesverbandes an?
Blender Von Ausnahmen abgesehen sind die Kenntnisse gering oder sehr gering. Das liegt auch an der Geschichte der Herkunftsländer. Wo die Menschen aufwuchsen, war es lange nicht erlaubt, das Judentum offen zu leben. Deshalb versuchen wir heute behutsam und in kleinen Schritten an die Religion heran zu führen. Aber wir wollen zunächst die sozialen Bedürfnisse befriedigen. Wir wollen, dass alle erst mal eine Wohnung haben, mit Kleidung und Lebensmitteln versorgt sind, wir begleiten sie zum Beispiel zum Sozialamt. Und dann kommen die Menschen auch und arbeiten für die Gemeinde, wollen sich einbringen. Dann macht jemand Übersetzungen vom Deutschen ins Russische für ein Mitteilungsblatt, jemand anderes hilft bei der Vorbereitung eines Gottesdienstes. So wächst jeder langsam rein. Wir arbeiten gut mit den Rabbinerstudenten des Abraham-Geiger-Kollegs zusammen. Sie sprechen Russisch und Deutsch, und wir machen hier Vieles zweisprachig. Später kann man dann professioneller arbeiten, aber wir sind auf einem guten Weg.
Gegenwind Der Zentralrat und die Jüdische Gemeinde Hamburg sagen, dass die Einheitsgemeinde ein hoher Wert ist. Wird das gefährdet, wenn sich liberale Gemeinden selbständig machen?
Blender: Nein. Auch uns ist die Einheitsgemeinde viel wert. Wir sind ein großer Verfechter der Einheitsgemeinde, denn schließlich haben wir sie gerade verwirklicht. Es befinden sich im Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein zwei liberale, zwei konservative und eine orthodoxe Gemeinde unter einem Dach. Das ist faktisch die Einheitsgemeinde. Der Verband selber darf sich nicht einmischen in die religiösen Belange der einzelnen Gemeinden, er darf die Ausrichtung nicht vorschreiben, gar nichts. Das ist die Einheitsgemeinde, wie sie sein sollte. Es gibt andere Gemeinden, die nennen sich gerne Einheitsgemeinde und verkünden die Unterstützung von liberalen Gruppen, lassen in der Praxis aber faktisch nichts anderes zu. Gehen Sie in eine orthodoxe Gemeinde und fragen Sie zum Beispiel, wo die Thora ist für einen orthodoxen Gottesdienst, darf die auch genommen werden für einen liberalen Gottesdienst? Oder gibt es eine zweite für einen liberalen Gottesdienst, aus der eine Frau lesen darf? Welcher Raum wird für eine liberale Gruppe innerhalb dieser Gemeinde zur Verfügung gestellt? Wenn all diese Voraussetzungen geschaffen sind, ist sie wirklich eine Einheitsgemeinde. Die ehemaligen Mitglieder der Hamburger Gemeinde, die jetzt in Schleswig-Holstein Gemeindeleben aufbauen, versichern uns, dass das Modell der Einheitsgemeinde in Hamburg zu keinen Zeitpunkt existiert hat.
Bei uns wird es praktiziert. Sehen Sie sich dieses Gebäude an, die Lohmühle, das zukünftige Gemeindezentrum. Darin gibt es schon die Vorkonstruktion für eine Empore. Wir wollen es möglich machen, dass man hier einen liberalen und einen orthodoxen Gottesdienst abhalten kann.
Eine Gefährdung gibt es dann nicht, wenn sich in die religiösen Belange der einzelnen Gruppen oder Gemeinden keine Obrigkeit oder Vorstand einmischen darf, wenn die Gemeinden autonom sind.
Gegenwind Die Landesregierung gibt ja einen jährlichen Zuschuss für das jüdischen Leben in Schleswig-Holstein. Das Geld geht zunächst nach Hamburg. Wie wird es dann verwendet?
Blender Das Geld geht noch bis Ende dieses Jahres an die Jüdische Gemeinde in Hamburg. Sie hat aber die Pflicht, das Geld an die jungen jüdischen Gemeinden in Schleswig-Holstein zu verteilen, das steht so im Staatsvertrag. Bis zum heutigen Tage ist nicht ein Cent in unseren Mitgliedsgemeinden angekommen. Seit Jahren haben wir Briefe geschrieben, schließlich haben wir sie durch einen Rechtsanwalt schreiben lassen. Unser Anwalt in Kiel prüft jetzt eine öffentliche Klage gegen die Jüdische Gemeinde in Hamburg. Wir hoffen sehr, dass sie nun in ihrem eigenen Interesse einlenkt.
Das Verhalten des Hamburger Vorstands kommt einem Bruch des Staatsvertrags gleich.
Herr Wankum ignorierte das alles bis jetzt in einer für uns sehr unhöflichen Weise. Aber es sind zweckgebundene Staatsgelder, das Verhalten von Herrn Wankum akzeptieren wir nicht, mit Sicherheit akzeptiert es der Schleswig-Holsteinische Bürger auch nicht. Wie das Geld genau verwendet wird, weiß niemand. Viele Angestellte werden in Hamburg von dem Steuergeldern aus Schleswig-Holstein bezahlt, dabei gehört es in unseren Wirtschaftskreislauf. In unseren Gemeinden gibt es im Übrigen keine Angestellte, wir arbeiten alle ehrenamtlich.
Gegenwind Die Landesregierung hat ja im Einvernehmen mit der Jüdischen Gemeinde Hamburg den Staatsvertrag zu Ende 2004 gekündigt, um Anfang des Jahres 2005 auf der Grundlage einer neuen Regelung Zuschüsse zu geben. Wie konnte diese angestrebte Neuregelung aussehen?
Blender Es ist richtig, dass der Staatsvertrag gekündigt wurde. Ob im Einvernehmen mit der Jüdischen Gemeinde Hamburg oder nicht, kann ich nicht beurteilen, persönlich glaube ich es nicht. Hamburg hatte nie das Interesse, diesen Staatsvertrag zu kündigen. Fest steht, wir haben es schriftlich angeregt und er wurde gekündigt. Eine Neuregelung stellen wir uns so vor, dass dieser Landesverband zukünftig der Vertragspartner ist. Um die Interessen der Jüdischen Gemeinde in Hamburg zu wahren, also zum Beispiel das Unterhalten der Gruppe in Flensburg o. ä., würden wir uns verpflichten, diese Anteile an Hamburg auszuzahlen. Oder falls eine Gemeinde unabhängig vom Landesverband sein sollte, wie zur Zeit z.B. Lübeck, würde sie ebenso vom Landesverband gefördert.
Es geht nämlich um die Förderung des jüdischen Gemeindelebens und wir repräsentieren schließlich 5 von 6 Jüdischen Gemeinden in Schleswig-Holstein. Noch einmal ganz deutlich: Es geht nicht um einen Landesverband der Juden sondern der Jüdischen Gemeinden. Das möchte Herr Wankum nicht so sehen, aber damit wird er sich abfinden müssen, so sagt es auch die Präambel des Staatsvertrages.
Ein weiterer Grund mit dem jetzigen Landesverband den Vertrag einzugehen wäre darin begründet, dass grundsätzlich immer die vorhandene Landesvertretung der jüdischen Gemeinden Vertragspartner für die Staatsverträge der Länder mit den Jüdischen Gemeinden wird. 1998 gab es sie nicht, aber heute gibt es sie. Weiterhin eine Gemeinde eines anderen Bundeslandes als Vertragspartner zu nehmen erscheint nicht sehr zukunftsorientiert, zumal die Hamburger Gemeinde bewiesen hat, dass sie die neuen Gemeinden nicht unterstützen will.
Außerdem ist anzuführen, dass die inneren Streitigkeiten in Hamburg so gravierend sind, dass eine Schlichtung und eine Einigung nahezu unmöglich scheinen. Uns sind 3 feste Hamburger Gruppen bekannt, die sich von Hamburg lösen und eine eigenständige Gemeinde gründen wollen, Oppositionsgruppen und Initiativen wünschen sich eine Umstrukturierung, der Anteil der passiven Mitglieder in Hamburg ist erschreckend hoch. Das wird die Arbeitskraft des Hamburger Vorstandes über Jahre bündeln.
Wir weisen letztlich auf das hohe finanzielle Risiko für Schleswig-Holstein hin, denn die Hamburger Gemeinde ist mit fast 4 Millionen Euro verschuldet. Jeder Euro aus dem Haushalt von Schleswig-Holstein sollte daher sicher in unserem Wirtschaftskreislauf bleiben.
Gegenwind Sollte es einen einheitlichen Landesverband für alle Gemeinden geben? Oder sollte der Zuschuss eher aufgeteilt werden?
Blender Wir sehen das so wie die Landesregierung und auch der Zentralrat: Es muss einen Ansprechpartner geben für jüdische Belange in Schleswig-Holstein, und das kann nur ein Landesverband sein. Eine Verteilung an einzelne Gemeinden ist für den Staat äußerst umständlich und schwer anzupassen. Ein Landesverband wie unser bietet die Gewähr für eine Betreuung der Gemeinden sowie korrekter und angepasster Förderung. Das stärkste Organ dieses Landesverbands stellt sich nämlich durch die Vertreter der einzelnen Gemeinden dar und nicht durch den Vorstand, ein wichtiger Unterschied zur Praxis der Hamburger Gemeinde.
Gegenwind Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Hamburg, Herr Wankum, hat im Gegenwind gesagt, das zahlenmäßige Verhältnis in Schleswig-Holstein wären 2200 Mitglieder bei ihm und 250 Mitglieder beim Landesverband in Segeberg. Ist das realistisch?
Blender Was die Zahlen unseres Landesverbands angeht, die sind falsch. Herr Wankum weiß nichts über die Zahl unserer Mitglieder, sondern stellt Vermutungen auf. Ähnlich verhält es sich mit den Zahlen, die er in Bezug auf Hamburg vorgibt. Es sind Listen, die mit Namen aufgefüllt werden, aber nicht korrigiert werden, wenn Mitglieder wegziehen, auswandern oder auch sterben. Dafür können und werden wir konkrete Beispiele mit Namen vorweisen.
Die Zahlen, die er für die jüdische Gemeinschaft in Schleswig-Holstein angibt, die bei ihm Mitglied sind, zweifeln wir an. Wir haben Gründe dafür, wir glauben nicht an diese Zahlen. Wir haben Menschen beerdigt, auf dem neuen jüdischen Friedhof in Bad Segeberg, und ein Jahr später beglückwünschte die Jüdische Gemeinde Hamburg diese Menschen als Jubilare. Das verursachte Skandale in den Familien und in den Gemeinden. Es kommen Briefe zurück mit Zahlungsaufforderungen, das wissen wir von Nachbarn, die schon lange nicht mehr hier leben, sondern nach Israel ausgewandert oder zurück in die GUS-Staaten gegangen sind. Die Zahlen sind einfach nicht korrekt. Alle Gemeinden in Schleswig-Holstein haben sich jetzt als e.V. gegründet, auch die Jüdische Gemeinde in Lübeck, alle haben eine korrekte Rechtsform mit Vorstand und Satzung, und bei uns ist jeder Mitglied, der eintritt durch eine Willenserklärung, und jeder kann austreten, wenn er nicht mehr Mitglied der Gemeinde sein möchte. In der Hamburger Gemeinde geht das nicht, da muss man seinen Austritt aus dem Judentum vor dem Standesbeamten erklären, wenn man die Gemeinde verlassen möchte. Erstens geht das gar nicht, wer eine jüdische Mutter hat bleibt Jude. Zweitens wird es faktisch niemand tun wollen. Mit diesen Zahlen wird Herr Wankum versuchen vor den Ministerien zu argumentieren; er wird von einer Verantwortung sprechen, die er für diese Menschen übernommen hat. Mit diesen völlig falschen Zahlen zu operieren kommt aus unserer Sicht einer Irreführung der Behörden gleich. Wir können uns nicht vorstellen, dass sich jemand auf so ein Spiel einlässt. Es ist auch kein "sensibles Thema"; korrekte Mitgliederzahlen zu verlangen hat einfach etwas mit Ehrlichkeit zu tun.
Angebliche Argumente wie "Wir vertreten die Mehrheit der Juden", was Hamburg sagt, das akzeptieren wir deshalb so nicht. Wie ich bereits erwähnt habe, es geht nicht um die Vertretung der meisten Juden, sondern es geht um das jüdische Gemeindeleben. So steht es in der Präambel des Staatsvertrages. Und der Landesverband der jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein repräsentiert nun mal fünf von sechs Jüdischen Gemeinden. Da führt auch für Herrn Wankum kein Weg dran vorbei. Die jüngste Gemeinde ist die Jüdische Gemeinde Kiel. Sie ist bei uns eingetreten und damit endlich institutionalisiert. Denn das Zentrum in Kiel, das von der Jüdischen Gemeinde Hamburg unterhalten wurde, das war letztes Jahr monatelang geschlossen. Die wenigen, verbliebenen Mitglieder wollten deshalb etwas Eigenständiges auf die Beine stellen. Und das haben sie jetzt in Kiel geschafft. Dort werden nun Gottesdienste und Religionsunterricht angeboten und die Gemeinde beteiligt sich am dortigen interreligiösen Dialog. Das durfte die Gruppe unter der Hamburger Verwaltung vorher nicht.
Gegenwind Im Gegenwind hat Herr Wankum konkret angekündigt, aus der Jüdischen Gemeinde Lübeck und den Gemeindezentren in Kiel und Flensburg einen eigenen Landesverband zu bilden. Hier soll die Jüdische Gemeinde Hamburg anfangs auch Mitglied sein, aber in drei Jahren austreten, so dass dann ein selbständiger Landesverband Schleswig-Holstein mit Mitgliedern in Lübeck, Kiel und Flensburg existiert. Herr Wankum hat die fünf Gemeinden, die Mitglied im Segeberger Landesverband sind, aufgefordert, diesem von Hamburg gegründeten Landesverband beizutreten. Halten Sie das für einen gangbaren Weg?
Blender Das wäre ein schlechter und vor allem äußerst riskanter Weg. Das wichtigste Argument dagegen ist, dass man Herrn Wankum leider nicht vertrauen kann; wir können schriftliche Belege vorweisen, dass er vor Dritten die Unwahrheit behauptet. Herr Wankum hat uns zu keinem Zeitpunkt aufgefordert, einer solchen Gemeinde beizutreten, auch das ist unwahr, wie ich bereits eingangs erwähnte.
Die Jüdische Gemeinde Hamburg möchte noch drei Jahre lang hier mitregieren und auch das ist kein Zufall: Es gibt bestimmte Gelder, die noch drei Jahre lang fließen. Deshalb sind wir auch misstrauisch. Wir fragen, was Hamburg überhaupt hier in Schleswig-Holstein zu suchen hat. Es kann sich eine Gemeinde gründen, es können sich zehn Gemeinden gründen, und diese Gemeinden können zusammen einen Landesverband gründen. So haben sich in Deutschland alle Gemeinden und Landesverbände aufgebaut. Man brauchte nicht eine Großgemeinde, die das kontrolliert.
Wir verstehen auch nicht, mit welchen Gemeinden Hamburg einen neuen Landesverband gründen will. Die Gemeinde in Kiel ist als selbständige Gemeinde bereits gegründet und Mitglied in unserem Landesverband. Die einzige Gemeinde, die dafür in Frage käme ist die Jüdische Gemeinde Lübeck. Uns ist völlig schleierhaft, wer jetzt alles einen neuen Verband gründen soll. Die Gruppe in Flensburg hat bereits vor langer Zeit in unserem Landesverband angefragt, hat sich aber bis heute nicht zu einer Gründung entschlossen, scheinbar wollen die Mitglieder weiter in Hamburg geführt werden. Möglicherweise plant Herr Wankum die Gründung einer weiteren Gemeinde in Kiel und spaltet dann alles, was noch zu spalten ist.
Der jetzt seit dem Jahre 2002 existierende Landesverband hat erfolgreich eine Struktur aufgebaut, die Anträge zur Erlangung der Körperschaftsrechte sind mittlerweile bereits Landtagsdrucksache, der Landesverband ist fester Ansprechpartner des Zentralrates der Juden in Deutschland, der Ministerien und aller wichtigen Institutionen. Der Landesverband gewährt jeder Gemeinde in Schleswig-Holstein unabhängig von der religiösen Ausrichtung den Beitritt. Der Zentralrat der Juden wünscht die Aufnahme unseres Verbandes. Zur Grundsteinlegung der Segeberger Synagoge am 6.6.04 sicherte der Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland uns seine volle Unterstützung zu. Wozu sollte ein weiterer Verband gegründet werden?
Im Übrigen wäre das Modell von Herrn Wankum in Deutschland einmalig:
Nicht mehrere Jüdische Gemeinden gründen einen Landesverband, sondern nur eine Gemeinde, dazu eine Gruppe aus Flensburg und einige einzelne Juden. Dazu fehlen dann nur noch ein passender Name und das Gründungsfoto mit den angeblichen 2200 Juden. Davon hätten wir dann gerne einen Abzug.