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Montag, 27. Januar 2003, 1:00 Uhr

Urteil gegen Abschiebegegner aufgehoben

Urteilsbegründung in wesentlichen Teilen demontiert

Info Archiv | Diese Entscheidung ist vor allem als schallende Ohrfeige für Richter Kluike vom Landgericht Kiel zu verstehen, der dem Angeklagten noch vor Verhandlungseröffnung am 16. September letzten Jahres prognostizierte: "Ich weiß gar nicht, was Sie eigentlich wollen. Sie werden hier kein anderes Urteil bekommen und meine Kollegen vom Oberlandesgericht werden das sicherlich auch nicht anders sehen". Sahen sie doch und gingen vor allem mit Kluikes Urteilsbegründung hart ins Gericht.
Vor nunmehr fast drei Jahren hatte eine Gruppe AntirassistInnen vor der Praxis des Norderstedter Arztes Dr. Hans H. Köhler eine nicht angemeldete Kundgebung abgehalten und den Mediziner für seine Tätigkeit als Anstaltsarzt der JVA Glasmoor scharf kritisiert. In einem Flugblatt wurden außerdem mehrere Fälle von Abschiebegefangenen der JVA aufgeführt, die unter schlechter medizinischer Versorgung gelitten hätten und in mindestens einem Fall sogar in Lebensgefahr gerieten. Am 6. Dezember 2000 folgte daraufhin der Schlag der Staatsanwaltschaft: Mehrere Beamte der Norderstedter KriPo durchsuchten die Räume H.´s, stellten seinen Computer und einige Unterlagen sicher. Vor dem Amtsgericht und in der Berufung vor dem Kieler Landgericht wurde der Gewerkschafter schließlich 2001, bzw. 2002 zu jeweils rund 2000 Euro Geldstraße wegen "Beihilfe zur Verleumdung" verurteilt.
Mit der aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts sind jetzt jedoch wesentliche Teile der Urteilsbegründung Richter Kluikes demontiert worden. So könne Olaf H. - salopp gesagt - kaum der "Beihilfe zur Verleumdung" bezichtigt werden, wenn man den unbekannten HaupttäterInnen keinen Tatvorsatz und damit auch keine "Verleumdung" nachweisen könne. Nur weil H. den HaupttäterInnen auf Anfrage unbestritten einen Flugblattentwurf zur Verfügung gestellt hatte sei wiederum auch die Möglichkeit der "mittelbaren Täterschaft" kaum festzustellen. Darüber hinaus hatten sowohl Amtsrichter Leendertz, als auch Kluike einen Textabsatz als schwere Verleumdung Köhlers beurteilt, der sich tatsächlich und auch nach der schriftlichen Einlassung H.´s auf zwei MedizinerInnen der Hamburger Ausländerbehörde bezog.
Das Verfahren geht damit jetzt in die nächste Runde. Vermutlich im Sommer dieses Jahres wird H. sich erneut vor dem Kieler Landgericht verantworten müssen. Nach der Aufhebung seiner Verurteilung sieht es indes so aus, als müsste sich die nächste Kammer einiges einfallen lassen, um ihn erneut für schuldig zu befinden. Derweil rufen die Hamburger Glasmoorgruppe und Norderstedter Initiativen weiterhin für jeden dritten Sonntag im Monat zu Protestkundgebungen vor dem Abschiebetrakt der JVA Glasmoor auf, Treffpunkt ist jeweils um 15 Uhr die Ecke Glasmoorstraße/Am Glasmoor in Norderstedt-Glashütte.

Veröffentlicht in Repression/Antirepression mit den Schlagworten Norderstedt