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Dienstag, 17. Dezember 2002, 1:00 Uhr

ver.di im Arbeitskampf

Warnstreik der Beschäftigten im öffentlichen Dienst

Infoarchiv Norderstedt | Die orangefarbenen Overalls der Müllwerker sind schon von weitem sichtbar, sie haben ihre Müllfahrzeuge auf dem Rathausplatz abgestellt. Daneben diskutieren Mitarbeiterinnen aus den städtischen Kindergärten mit Jugendbetreuern. Reinigungskräfte schwenken die Ver.di-Fähnchen ebenso wie Mitarbeiterinnen aus der Kulturabteilung.

Quer durch die Berufe hatten sich die Mitarbeiter der Verwaltung vor dem Rathaus versammelt, um mit Fahnen, Trillerpfeifen und Ver.di-Leibchen für ihre Interessen einzutreten. In einer Kundgebung machten die Vertreter der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di vor der heute beginnenden Tarifrunde in Kassel nochmals ihre Position deutlich: Mindestens drei Prozent mehr Lohn, lautet die Kernforderung.

"Ich finde es toll, wie viele von euch den Weg hierher gemacht haben", sagte die Norderstedter Ver.di-Sprecherin Marion Junker. Sie war mit der Resonanz auf den Streikaufruf zufrieden: "Das macht uns Mut, dass beim nächsten Mal noch mehr dabei sind." Die Gewerkschafterin sieht noch Protest-Potenzial: Noch hätten nicht alle den Ernst der Lage erkannt. Außerdem habe mancher auch nicht genügend Mut, um beispielsweise als Einzelner und gegen die Ansicht des Vorgesetzten die Arbeit niederzulegen.

Eine starke Gemeinschaft sei nötig, um das Tarifrecht zu erhalten und bundesweit zu vereinheitlichen, sagte Axel Kreth, Ver.di-Sekretär für Südholstein. Wenn die Arbeitgeber die Tarifverträge kündigen, seien nur noch die gewerkschaftlich organisierten Kollegen geschützt.

"Das Leben wird immer teurer, aber die Löhne und Gehälter sind schon seit Jahren nicht mehr gestiegen", sagte Zeliha Eryüksel (37), die in der Kulturabteilung beschäftigt ist. Es werde immer schwerer, eine Familie mit vier Kindern zu ernähren. Keklik Cicekli (40), die im Reinigungsdienst arbeitet, sagte: "Wir leisten gute Arbeit und erwarten dafür auch gerechten Lohn."

Auch Rainer Laufer (55) von der Kindertagesstätte Glockenheide hatte das weiß-rote Protest-Leibchen der Gewerkschaft übergezogen: "Der große Reichtum in Deutschland muss gerechter verteilt werden, anstatt die normal arbeitenden Menschen mal wieder zur Kasse zu bitten", forderte er. Die Verwaltung verstehe sich als Dienstleister für die Bürger. Die Mitarbeiter seien durchaus bereit, Mehrarbeit zu leisten. Doch ein weiterer Lohnverzicht wirke demotivierend und könne dazu führen, dass die Qualität der Leistungen leidet.

Die Norderstedter Protestaktion gehörte zu den Warnstreiks im gesamten Norden. Während in Kiel und Lübeck die Busse in den Depots und die Fahrgäste stehen blieben, bekamen die Bürger in Norderstedt die Folgen kaum zu spüren. Zwar wurden die Mülltonnen etwas später geleert als sonst, in den Kindergärten betreute eine Notbesetzung die Jungen und Mädchen, aber: "Beschwerden sind bei uns nicht eingegangen", sagte Rathaussprecher Kai Jörg Evers.

"Die Unfähigkeit der Politik darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden." Renate Koch, Leiterin des Kinder- gartens Forstweg

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