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Donnerstag, 18. Dezember 2003, 1:00 Uhr

Weihnachten in Norderstedt

Nils Hartmann | Norderstedt, "Die Stadt im Grünen", sorgt sich liebevoll um seine MitbürgerInnen, zumal um die sozial Benachteiligten, zumal zur Weihnachtszeit. "Was", so fragt sich manch ein christlich gesonner Demokrat im Norderstedter Rathaus - und derer gibt es, dem allgemein-unchristlichen Trend entgegen, reichlich dort -, "was können wir unseren lieben Einwohner zum Fest Gutes tun?"

Die Frage ist kaum in den heiligen Hallen des Rathauses verklungen, als der Blick des Regierenden auf das üppig wuchernde Grün an den zahlreichen, gut besuchten Norderstedter Strassenrändern hängen bleibt. Der grosse Moment des Regierenden ist gekommen! Ganz im Sinne kennedyscher Politik ("Frag nicht, was kann der Staat für mich tun, sondern, was kann ich für den Staat tun"), überlegt er sich, für alle Hilfesuchende, die keine Arbeit finden können, ein bisschen Gelegenheit zu Arbeit anzubieten - gemeinnützig selbstverständlich. Was läge ob der desolaten Strassenzustände näher, als die Reinigung des Strassenbegleitgrüns und ähnliches beim Betriebsamt der Stadt Norderstedt von all denjenigen durchführen zu lassen, die gerade in der Adventszeit sich ohnehin langweilen, da - mangels Anspruch auf Leistungen durch das Arbeitsamt - ohnehin keine finanzielle Grundlage für die zur Adventszeit allgemeinüblichen Konsumfreuden vorhanden ist.

Ein Schelm, wer Böses dabei dächte! Schliesslich wird der Einsatz fürstlich entlohnt, es geht ja auch um die Stadt - eben die im Grünen, weswegen gerade das Strassenbegleitgrün ganz besonders gereinigt werden möchte -, und somit ist man bereit geradezu märchenhafte EUR 1,02/Std zusätzlich zur Sozialhilfe zu zahlen. Das ist wahrlich wie Nikolaus und Heiligabend an einem Tag!

Und es kommt noch viel besser, schliesslich sollte es dem angehenden Strassenbegleitgrün-Reiniger doch im eigenen Interesse liegen, wenn ihm möglichst schnell Gelegenheit gegeben wird, seine Arbeitskraft einzusetzen. Wohl wahr! Denn schliesslich wird nur dadurch eine Arbeitsentwöhnung vermieden, die, wie wir alle wissen geradezu epedemieartig über das Land kommt und aller Orten für grosse Depressionen sorgt.

Natürlich ist auch das noch nicht alles. Gerade die Weihnachtszeit, ist ja auch Familien-und Freundeszeit, und da haben es Hilfesuchenden besonders schwer, da doch häufig Familien- und Freundeslos. Doch auch daran ist gedacht, denn durch die Arbeitsleistung gemeinsam mit anderen wird selbstverständlich der sozialen Isolation vorgebeut: Arbeit macht Freunde!

In Norderstedt können SozialhilfbezieherInnen wahrscheinlich ganz und gar unbeschwert dem heiligen Fest entgegen sehen. Und sollte einer von ihnen sich erdreisten, dem sozialen Anliegen der Stadt eine Absage zu erteilen, hätte dies den unmittelbaren Verlust des Rechtsanspruches auf Sozialhilfe zur Folge - manche müssen eben ein bisschen zu ihrem Glücke gezwungen werden.


(Alle kursiv gekennzeichneten Stellen sind Zitate aus einem Brief-Vordruck des "Amt für Soziales, Sozialhilfeabteilung" der Stadt Norderstedt)
Veröffentlicht in Soziales mit den Schlagworten Norderstedt