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Dienstag, 25. Juni 2013, 10:09 Uhr
Weiter Streit um WZV-Löhne
ver.di und DIE LINKE fordern den TVÖD für alle "Profis in Orange"
Olaf Harning | Ist es ein perfides System des Lohndumpings, das der Wegezweckverband des Kreises Segeberg da in seiner ausgegründeten GmbH etabliert hat, oder folgt Verbandsvorsteher Jens Kretschmer nur geschickt betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten? Dieser Frage ging jetzt die Berliner Tageszeitung "Neues Deutschland" nach, die uns freundlicherweise eine Langfassung ihres Artikels überließ.
"Der WZV speist die Hälfte seiner Müllwerker mit einem Dumpinglohn ab, der teilweise noch unter den zu erwartenden, gesetzlichen Mindestgrenzen liegt". Diesen Vorwurf erhebt der Fraktionschef der Segeberger LINKEN, Heinz-Michael Kittler, seit Monaten. Nach seiner Darstellung hat der Zweckverband 2003 vor allem deshalb die WZV Entsorgung GmbH & Co. KG ausgegründet, um wenigsten bei einem Teil seiner Beschäftigten die Löhne des Tarifvertrags Öffentlicher Dienst (TVÖD) zu umgehen. Folge für die Betroffenen sei ein um bis zu 300 Euro niedrigeres Gehalt, das teils sogar unter jenen 9,18 Euro liege, die das Land Schleswig-Holstein gerade als künftigen Mindeststundenlohn beschlossen hat.
Dem widerspricht WZV-Vorstand Jens Kretschmer jedoch ebenso energisch, wie Silke Patzer, Betriebsratsvorsitzende der Entsorgungs GmbH und der WZV-Personalratschef Joachim Schmalz. In einem gemeinsamen Schreiben an Kittler beklagen sie die "Rufschädigung", die seine Vorstöße bewirkten und stellen fest: "In Abwägung zwischen günstigen Preisen für unsere Kunden und angemessenen Löhnen hat der WZV entschieden, den Mitarbeiter/innen seines Tochterunternehmens die Tarife der privaten Entsorgungswirtschaft zu bezahlen." Im übrigen begründet Kretschmer das Outsourcing mit Kundenwünschen: "Die gewerblichen Kunden wollen die Umsatzsteuer auf ihrer Rechnung ausgewiesen haben, das konnten wir als kommunaler Entsorger nicht machen." Lohnunterschiede von 300 Euro seien dennoch "Unsinn": 1.849 Euro brutto monatlich zahle der WZV als Einstiegslohn, 1.855 Euro die Entsorgungs GmbH - bei geringfügig längeren Arbeitszeiten verdienten die Müllwerker der Ausgliederung damit gerade einmal 20 Cent pro Stunde weniger.
Das bestätigt zwar auch Andreas Wuebben, Fachbereichsleiter Ver- und Entsorgung bei ver.di Lübeck/Ostholstein, zählt dann aber auf, dass die fast 100 Müllwerker der GmbH neben den genannten Lohneinbußen auch 5 Tage weniger Urlaub, eine um ein Drittel geringere Jahressonderzahlung und das Fehlen weiterer sozialer Sicherungen verkraften müssen. Und das alles, so der Gewerkschafter weiter, "ohne jeden Rechtsanspruch": Die WZV Entsorgungs GmbH nämlich ignoriere nicht nur den TVÖD, sondern lehne sich auch an die Tarifverträge des Bundesverbands der privaten Entsorger (BDE) lediglich an - ohne sie zu unterschreiben. Dass die Ausgründung notwenig sei, um auf dem Markt für Gewerbemüll mitzuhalten, hält Wübben für ein "Kretschmer´sches Märchen": "Gewerbemüll - das machen kommunale Entsorger nebenbei mit, aber sie verdienen damit kein Geld", so der ver.di-Sekretär aus vielfacher Erfahrung.
So sieht es auch Hauke Borchardt, Pressesprecher der Stadt Norderstedt, die ihre Müllentsorgung unabhängig vom WZV organisiert: "Es ist richtig, dass unsere Gewerbekunden eine Bruttorechnung erhalten und die Vorsteuer nicht ziehen können. Es ist aber als Kommune auch nicht unser Hauptziel, Gewerbemüll zu entsorgen, sondern den Hausmüll der Privathaushalte." Dabei zahle das städtische Betriebsamt "ausschließlich Tariflohn" und beschäftige nur eigenes Personal - "keine Leiharbeit, keine Zeitarbeit", so Borchardt. Und in Richtung Kreisstadt: "Die Aufgaben eines Entsorgers werden von der Stadt Norderstedt und dem WZV sehr unterschiedlich interpretiert."
Während Norderstedt also vormacht, dass es sogar im selben Kreis auch ganz anders geht, weiß sich Kretschmer innerhalb der Entsorgungsbranche in bester Gesellschaft. Während er selber davon ausgeht, dass bundesweit auch 60% des Hausmülls von Privatunternehmen entsorgt werden, bestätigt Miriam Brand von der "Abfallwirtschaft Rendsburg-Eckernförde" (AWR), dass ausgegliederte Versorger und BDE-Tarife eher Regel als Ausnahme sind. Und nicht nur das: Die AWR und ihre bereits 1992 ausgegliederten GmbH´s beschäftigen selbst überhaupt keine Müllwerker mehr, sondern schreiben die Entsorgungsleistungen allesamt aus. Dabei versuche man zwar darauf zu achten, dass die Auftragnehmer den BDE-Tarif zahlen, wirklich durchsetzbar sei jedoch nur der Mindestlohn der Branche. Auch wenn es ihr wichtig ist, dass die Beschäftigten von ihrer Arbeit leben können - eine Umkehr kommt für Brand nicht in Frage, denn: "Die teuersten Anbieter haben die wenigsten Gewerbekunden".
In Segeberg spricht DIE LINKE nun weiter von Lohndumping, die übrigen Fraktionen gehen auf Distanz und werfen der Partei "Populismus" und "Wahlkampf-Gesülze" vor. So etwa während der letzten Kreistagssitzung, als Kittler seine KollegInnen aufforderte, sich gegenüber dem WZV grundsätzlich für eine Entlohnung nach dem TVÖD auszusprechen. Während CDU und FDP das Vorgehen des Verbandes weitgehend billigen und von "begehrten Arbeitsplätzen beim WZV" sprechen, bestreiten Grüne und Sozialdemokraten die Zuständigkeit der Kommunalpolitik. Nachdem eine vor zwei Jahren von der SPD anberaumte Gesprächsrunde mit Politik, Verwaltung und WZV-Vertretern kein Ergebnis brachte, habe man nun keine Möglichkeit mehr, auf das kommunale Unternehmen einzuwirken. "In der Sache stehen wir voll hinter der Kritik", sagt etwa SPD-Fraktionschefin Edda Lessing, "aber der Kreistag ist schlicht nicht dafür zuständig, die Lohnhöhen beim WZV festzulegen" - das wisse auch "der Herr Kittler". Im Gegenteil seien da "ganz eindeutig die Gewerkschaften gefragt", die ja schließlich die unterschiedlichen Tarifverträge unterschrieben hätten. Und Grünen-Fraktionschef Arne Hansen ergänzt, DIE LINKE habe bereits genug Chancen gehabt, den Punkt vorzubringen.
Bei ver.di-Mann Wübben sorgt diese Haltung für Kopfschütteln: "Vor 20 Jahren sind die kommunalen Entsorger in den Strudel des Privatisierungswahns geraten. Damals hat die Politik gesagt: Wir wollen das alles nicht mehr selber machen." Die Tarifverträge mit den so entstandenen Privatunternehmen habe die Gewerkschaft abschließen müssen, um die im freien Fall befindlichen Löhne nach unten abzusichern. Und auch Kittler widerspricht: "Der Kreistag hat die Ausgliederung beschlossen, der Kreis hat den Verbandsvertrag beschlossen und natürlich kann der Kreis die nötigen Konditionen schaffen, um gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu erzwingen."
Hier noch ein informativer Link zum Aufbau des WZV.