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Montag, 27. Februar 2006, 1:00 Uhr

Wenn die Wälder rauschen

Gebühren für Waldnutzung?

Mist, erwischt! Schon wieder gegen das Landeswaldgesetz verstoßen.

Mist, erwischt! Schon wieder gegen das Landeswaldgesetz verstoßen.

Von Olaf Harning | Es war kein April-Scherz und auch kein Alleingang eines zwangsneurotischen Sachbearbeiters: Das Forstamt Rantzau erhebt Gebühren für die "Nutzung" des Waldes. Jedwede "Veranstaltungen" müssen unter anderem zu diesem Zweck angemeldet werden. Hans-Albrecht Hewicker, seines Zeichens Forstdirektor und Leiter des Forstamtes Rantzau stellte dies gegenüber dem Info Archiv ausdrücklich klar: "Wenn Jogging-Gruppen oder Sportvereine mit Nordic-Walking-Teams den Wald nutzen, müssen sie dies bei uns anmelden." Anschließend werde entschieden, ob und in welcher Höhe Gebühren erhoben werden.

Schon vor einigen Wochen befragte die Norderstedter Zeitung den für die Staatliche Försterei Tangstedt zuständigen Forstamtsmann Hartwig Radszuweit, der die laufende Privatisierungsdebatte und den unter anderem daraus resultierenden Effizienzdruck zur Grundlage nahm, über die zahlreichen "Möglichkeiten" für Gebührenerhebungen zu fabulieren. Beispiel: Die vielen Anbieter für das modische Nordic-Walking. Auslöser für die skurrile Debatte war die Norderstedterin Ute Oswald, die für privat organisierte Boßel-Runden künftig 50 Euro Gebühren zahlen soll. Zwar nennt Hewicker die "kommerzielle" Organisation als eine Art Voraussetzung für Gebühren, dafür spiele es aber keine Rolle, ob der oder die Veranstalter/in Gewinne macht. Kein Wunder also, dass sogar die Volkshochschulen derzeit auf Landesebene verhandeln (müssen), ob sie künftig für diverse Waldnutzungen Gebühren entrichten müssen.

Grundlage dieser Vorstellungen ist das neue Landeswaldgesetz, das zum 1. Januar 2005 in Kraft trat. Dessen §17 regelt erschöpfend, was im Wald so alles erlaubt ist und vor allem: was nicht. So formuliert der Gesetzgeber etwa: "Nicht gestattet sind: (...) die Durchführung organisierter Veranstaltungen im Wald (...) es sei denn, dass hierfür die Zustimmung der waldbesitzenden Person vorliegt." Aber was ist eine "organisierte Veranstaltung"? Private Verabredungen zum Joggen? Boßelrunden mit 8 Euro Kostenbeitrag für Kleinstgewinne? Schnitzeljagden auf Kindergeburtstagen? Waldläufe des Sportvereins? Nordic-Walking-Kurse des kommerziellen Fitness-Clubs? Hewickers Antwort ist bestechend einfach: "Alle diese Beispiele sind meldepflichtig! Wir müssen gewährleisten, dass alle Menschen den Wald zur Erholung nutzen können." Und dies, so der Forstmann weiter, sei keineswegs einfach. So nennt er Beispiele, bei denen Jugendläufe mit entgegenkommenden BMX-Fahrrad-Wettbewerben in Barmstedt zu kämpfen hatten. Auf Ute Oswald angesprochen, ergänzt Hewicker die Lesart der Norderstedter Zeitung um ein wichtiges Detail: Während die Wellen in Norderstedt vor allem deshalb hochschlugen, weil eine "Frau von nebenan" für eine private Kleinstveranstaltung behelligt wird, stellt er klar: "Frau Oswald hat die Boßel-Runde auf dem offiziellen Briefpapier ihrer Event-Agentur angemeldet. Ob das nun wirklich eine private Boßel-Runde war, sei einmal dahingestellt."

In der alltäglichen Realität sind wohl dennoch die wenigsten der von Hewicker genannten Beispiele der Waldnutzung tatsächlich anmelde- oder gar gebührenpflichtig, können sie doch fast alle als Tätigkeiten im Rahmen des sogenannten Gemeingebrauchs aufgefasst werden. Als Gemeingebrauch definiert der Gesetzgeber die "Nutzung von öffentlichen Sachen im Rahmen der Widmung", und die beschreibt der genannte §17 des Landeswaldgesetzes wie folgt: "Jeder Mensch darf den Wald zum Zwecke der naturverträglichen Erholung auf eigene Gefahr betreten." Schwer zu glauben, dass gemeinsames Joggen oder Bosseln nicht zum Zwecke der Erholung, bzw. im Rahmen der Widmung des Waldes erfolgt. Dieser aktuelle Fall der schrittweisen Kommerzialisierung öffentlicher Aufgaben wird andernorts noch übertroffen: In Niedersachsen etwa hat die CDU-Landesregierung vor kurzem damit begonnen, eine Waldwege-Nutzungsgebühr zu erheben. Selbst die 60 Waldkindergärten des Nachbarlandes müssen seitdem - zumindest offiziell - 250 Euro jährlich dafür zahlen, "den Wald zu nutzen", ein Vorgehen, dass schon Zweifel an der geistigen Verfassung der Landespolitiker in Frage stellt. Aber auch in Schleswig-Holstein arbeitet eine Projektgruppe unter Staatssekretär Klaus Schlie emsig an der vollständigen Privatisierung der Staatsforste. Diese würden "zu wenig Umsatz" machen und zu hohe Verwaltungskosten verursachen. Finanzminister Rainer Wiegart (CDU): "Es ist richtig, wir streben eine Privatisierung des Landeswaldes an." Fragt sich nur, mit welchem Hintergrund private Investoren Wälder kaufen sollten. Wohl kaum, um weiterhin zu gewährleisten, dass die Menschen sich darin erholen können: Die Schleswig-Holsteinische CDU/SPD-Koalition verhökert die Interessen ihrer BürgerInnen. Der vorliegende Fall macht also auf ein Problem aufmerksam, dass nicht nur den Wald betrifft: Schon seit Jahren hält in der bürgerlichen Politik die neoliberale Ideologie Einzug, dass neben Privatunternehmen auch alle öffentlichen Bereiche "wirtschaftlich", heißt: gewinnorientiert arbeiten sollen. Nun kann sich jedes Kind an zweieinhalb Fingern abzählen, dass Wald keine Gewinne machen kann, die Denkweise neoliberaler Politiker hat indes eine andere Logik: Wenn die staatlichen Wälder einen Etat "X" zugeteilt bekommen, ist jede Überschreitung ein wirtschaftliches Minus. Bleibt etwas vom Etat übrig, wurde ein "Gewinn" erwirtschaftet. Das ist zwar einerseits infantiler Blödsinn, andererseits reale Landespolitik. Gepaart mit einem straffen "Controlling" wird so jeder Forstmann ein Wirtschaftskapitän, der nicht nur die Kosten seines "Unternehmens Wald", sondern auch die Einnahmen im Auge behalten muss, bzw. neue Einnahmequellen sucht.

Und da kommen wieder Forstmann Hewicker und die örtliche Jogging-Gruppe ins Spiel: Während die "Waldunternehmen" auch in diesem Jahr wieder massiv sparen müssen, obwohl ihr Anteil am Landesetat ohnehin nur knapp über 0,1% beträgt, sollen sie dennoch "wirtschaftlich arbeiten". Kein Wunder, dass der Personalbestand im Forstamt Rantzau trotz neuer Aufgaben seit 1970 nicht mehr gestiegen ist und kein Wunder, dass man es bei der boßelnden Frau Oswald zumindest mal versucht, Gebühren einzutreiben - nach dem Motto "es könnte ja klappen". Tatsächlich gilt allerdings wohl bis auf Weiteres: Boßeln, Joggen, Radfahren oder Wandern im Wald - alleine oder in Gruppen - kostet rein gar nichts und muss auch nicht unbedingt angemeldet werden. Und selbst wenn jemand anderer Meinung ist: Das Personal des Forstamtes reicht noch nicht einmal mehr aus, um seine ureigensten Aufgaben zu erfüllen. Unangemeldete Veranstaltungen werden so wohl kaum bemerkt.