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Sonntag, 4. April 2004, 2:00 Uhr

300 NorderstedterInnen in Berlin

Massendemonstrationen gegen Sozialabbau

Olaf Harning | Schon in Berlin wurden RednerInnen und DemonstrantInnen manches Mal sehr deutlich. Selbst Michael Sommer, DGB-Vorsitzender und nicht selten "Schlaftablette" auf Protestaktionen sprach vor mehr als 250.000 Menschen am Brandenburger Tor von "asozialer Politik der Bundesregierung" und davon dass es "auf Basis der AGENDA 2010" keinen Schulterschluß mehr mit der SPD gäbe - langanhaltender Beifall der TeilnehmerInnen war die Folge. Viele DemonstrantInnen hätten sich indes auch "mehr" gewünscht, vom Durchbrechen der Bannmeile oder direkten Angriffen auf Arbeitgeber redeten an diesem Tag nicht nur die AnhängerInnen linker Gruppen. Deshalb überraschte es auch nicht, dass das Gebäude des "Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI)" am Rande der Massenproteste mit einigen Dutzend Farbbeuteln etwas "farbiger gestaltet" wurde. Außerdem mußte die Polizei in der Oranienburger Straße eine Hausbesetzung auflösen, die die Einrichtung eines "Sozialen Zentrums" zur Forderung hatte und in Stuttgart skandierten mehr als 500 Jugendliche "Alles für Alle und Alles umsonst !".
Außer in Berlin demonstrierten am 3. April auch mehr als 100.000 Menschen in Köln und sogar fast 150.000 Menschen in Stuttgart parallel für soziale Gerechtigkeit. Nach Berlin waren schon am frühen Samstagmorgen mehr als 1.700 Reisebusse aus ganz Norddeutschland unterwegs, alleine 118 kamen nach Gewerkschaftsangaben aus Hamburg, weitere 110 aus Schleswig-Holstein. Doch auch mit Sonderzügen und per Auto kamen DemonstrantInnen. In Norderstedt/Langenhorn fuhren gleich mehrere Busse der IG Metall vom Ochsenzoll aus, ver.di sammelte seine Mitglieder in der Rathausallee ein.
Die Reaktion von Bundesregierung, Opposition und Arbeitgeberverbänden fiel anschließend einhellig aus: Hektisch bemühte man sich einerseits, die größten sozialen Proteste seit Jahrzehnten in Deutschland herunterzuspielen, FDP- und CDU-PolitikerInnen gingen sogar zum Gegenangriff über: "Das Tarifkartell" müsse nun zerschlagen werden, verlautete aus Unionskreisen. Und FDP-Chef Westerwelle bezeichnete die DGB-Führung als "Verräter der Arbeitnehmer in Deutschland", weil die Gewerkschaften sich der Erneuerung der Marktwirtschaft in den Weg stellten. Ganz offensichtlich waren die Macher Profiteure der sozialen Krise von der unerwartet hohen Beteiligung an den Massenprotesten überrumpelt worden.
So oder so: Sowohl DGB-Vorsitzender Sommer, als auch Frank Bsirske (ver.di) in Stuttgart oder IG-Metall-Chef Peters in Köln versprachen den DemonstrantInnen, die Protestaktionen gegen den Sozialabbau unvermindert fortzusetzen. Halten sie Wort, darf wohl fast sicher angenommen werden, dass die entstandene Bewegung in den nächsten Monaten noch an Heftigkeit zunimmt.

Fotostrecke Grossdemonstration, Berlin 03. April 2004

(Auf ein Bild klicken, um es zu vergrößern)

Weitere Fotos der Demonstration gibt es auf Indymedia, z.B:

Veröffentlicht in Arbeit & Kapital mit den Schlagworten CDU, FDP, Gewerkschaften, Norderstedt, Polizei, Schleswig-Holstein, SPD, ver.di