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Sonntag, 17. September 2006, 2:00 Uhr
Der Maurer hat seine Schuldigkeit getan
Der Maurer kann gehen
Von Olaf Harning | Das Emma-Plambeck-Haus ist bald fertig, dann ziehen die Arbeiter weiter. Doch sie ziehen nicht zur nächsten Baustelle nach Hamburg-Eppendorf oder Kaltenkirchen, sondern zu Großbauten nach Dortmund, München, Amsterdam oder Danzig. Mehrere Dutzend Maurer, bzw. Wanderarbeiter des berüchtigten polnischen Baukonzerns Chemobudowa arbeiten seit Monaten auf der Baustelle in der Marommer Straße - weit weg von zu Hause und sehr wahrscheinlich hoffnungslos unterbezahlt.
Zwar gibt es seit Jahren einen allgemeinverbindlichen Mindestlohn am Bau, doch wer hinter die Kulissen der zahllosen Dumpinglohn-Betriebe schaut weiß, dass auch dieser Lohn nur selten wirklich vollständig gezahlt wird. Chemobudowa etwa baute 2001/2002 auch den neuen Sitz der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) im Hamburger Stadtteil Hammerbrook: damals erzählten die polnischen Arbeiter ihren streikenden deutschen Kollegen, dass sie so um die 5 Euro verdienen. Der Mindestlohn lag damals bei über 12 Euro.
Derlei krimineller Machenschaften hat so manches tariftreues Unternehmen in der Region - und haben erst recht die jeweiligen Belegschaften - nicht viel entgegen zu setzen. Viele Baubetriebe haben in den letzten Jahren deshalb die Tore für immer geschlossen, sind selber zu Dumping-Unternehmen geworden oder aber zur sogenannten "Mischkalkulation" übergegangen: Einige - insbesondere große - Baustellen werden an Dumping-Betriebe untervergeben, den Rest bauen die eigenen Belegschaften. Auf diese Weise kann man sich potentiellen Auftraggebern gegenüber als Saubermann hinstellen und trotzdem noch am Bau verdienen. Otto Wulff etwa, mittlerweile Hamburgs Branchenriese, gelingt es auf diese Weise seit Jahren, die eigene Belegschaft zu vergrößern und als ursprünglicher Mittelständler zum wohl größten Baugeschäft der Hansestadt aufzusteigen.
Andere Traditionsunternehmen versuchen aus der prekären Lage ihrer Arbeiter Kapital zu schlagen: Der knapp 150köpfige Baubetrieb Max Hoffmann etwa, zahlreich auf Neubauten Hamburger Genossenschaften anzutreffen, nötigte seiner Belegschaft vor etwa einem Jahr ab, künftig auf den Tariflohn zu verzichten und den Mindestlohn zu akzeptieren: "Sonst machen wir den Laden dicht.".
Innerhalb dieses semi-legalen Millieus bewegt sich das Norderstedter Traditionsunternehmen Plambeck wie ein Fisch im Wasser. Mehr als 3.000 Wohnungen soll der Immobilien-Zweig des Familienunternehmens verwalten, stets hart gegenüber den MieterInnen und damit natürlich sehr einträglich. Einen Großteil dieser Wohneinheiten hat einst das Bauunternehmen Hinrich Plambeck & Söhne, später plus "GmbH & Co. KG" bzw. dessen Maurer, Zimmerer und Betonbauer errichtet, die jetzt "zu teuer" sind. Das jedenfalls hat "el jefe" (der Chef) Jürgen Plambeck bereits im April auf der letzten Betriebsversammlung vor den MitarbeiterInnen kundgetan und "schmerzhafte, strukturelle Veränderungen" angekündigt. Zu teuer, so munkelt man hinter vorgehaltener Hand konkreter, seien vor allem die Maurer des Unternehmens, weil sie - gemessen am Gesamtpreis - einen weit höheren Lohnkostenanteil produzieren, als etwa die Betonbauer. Ein Problem indes, dass alle Bauunternehmungen kennen, auch das zur Zeit weit erfolgreichere Unternehmen Otto Wulff, das gerade wieder Maurer einstellt.
Nach Informationen des Info Archivs, wollen die Enkel des Hinrich Plambeck kurz- und mittelfristig alle eigenen Maurer entlassen, um künftig - ja: nicht mehr zu bauen? Wohl kaum. Um künftig mit billigeren Arbeitskräften am Markt zu agieren, etwa mit polnischen Arbeitern. Vom Hause Plambeck wird dieser Austausch regulärer- durch prekäre Beschäftigte auch nicht dementiert. Zwar wollte Lars Warrelmann (39, kaufmännischer Leiter) die Fragen des Info Archivs zunächst nicht beantworten, später meldete sich jedoch Jürgen Plambeck (68) selbst zurück und berichtete oberflächlich davon, dass "wir wie jedes andere mittelständische Unternehmen auch durch veränderte Marktsituationen ständig gezwungen werden uns diesen anzupassen (...)". Trotz dieser "strukturellen Veränderungen" aber sei die Zahl der in der Firmengruppe Plambeck beschäftigten Mitarbeiter "im letzten Jahrzehnt konstant geblieben." Auch die Zusammenarbeit mit Skandalunternehmen Chemobudowa spielt Plambeck herunter: "Im Zuge des zusammenwachsenden Europas halten wir es für keineswegs bemerkenswert, auch mit anderen in der EU ansässigen Unternehmen zusammenzuarbeiten." Die dafür zugrunde liegenden Werkverträge seien natürlich legal.
Der zuständige Gewerkschaftssekretär der IG BAU Hamburg - Jörn Förster - bestätigte die Unternehmenspläne - indirekt. Ihm sei bekannt, dass in der Belegschaft solche Fragen massiv diskutiert werden, allerdings verhandele derzeit der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber, die IG BAU hält sich offenbar so lange bedeckt. Offenbar um den Kündigungsplänen ein wenig Nachdruck zu verleihen, hat man offenbar im Juni mehrfach einzelne Maurer ins Büro an der Ochsenzoller Straße beordert, um ihnen eine "gütliche Trennung" nahe zu legen. Dieses Vorgehen wurde wahrscheinlich vom Betriebsrat gestoppt, seitdem wird verhandelt. Nachdem das Unternehmen noch 2003 mit 400 aktiven und ehemaligen Beschäftigten sein 100jähriges Bestehen gefeiert hat, wird man sich wohl 2028 - nach 125 Jahren Plambeck - kaum mehr an die Zeit erinnern, als es noch echte Maurer im Unternehmen gab. Fast schon zynisch, dass man diesen Weg in der Presseerklärung zum 100. Jubiläum beinahe schon angekündigt hat: "Nur Wandel hat Zukunft" hieß es da in der Überschrift.
Wandel? Genau die Berufsgruppe, die wie keine andere den heutigen Reichtum der Familie Plambeck erarbeitete, hat ihre Schuldigkeit getan. Und kann gehen.
Gemauert von Chemobudowa: Das Emma-Plambeck-Haus